Als sie mit ihren Frauen zur Kirche wollte gehn, “Fraue,” sprach der Kämmrer, “ihr mögt noch stille stehn: Es liegt vor dem Gemache ein Ritter tot geschlagen.” “O weh,” sprach Kriemhilde, “was willst du solche Botschaft sagen?” (1037) Eh sie noch selbst gesehen es sei ihr lieber Mann, An die Frage Hagens zu denken sie begann, Wie er ihn schützen möge: da ahnte sie ihr Leid. Mit seinem Tod entsagte sie aller Lust und Fröhlichkeit. (1038) Sie sank zu der Erden, kein Wort mehr sprach sie da; Die schöne Freudenlose man da liegen sah. Kriemhildens Jammer wurde groß und voll; Sie schrie mit solchen Kräften, dass all die Kammer erscholl. (1039) Da sprach das Gesinde: “Ists nicht ein fremder Mann?” Das Blut ihr aus dem Munde vor Herzensjammer rann. Sie sprach: “Nein, Siegfried ist es, mein geliebter Mann: Brunhild hats geraten und Hagen hat es getan.” (1040) Sie ließ sich hingeleiten wo sie den Helden fand, Sein schönes Haupt erhob sie mit ihrer weißen Hand. So rot er war von Blute, sie hatt ihn gleich erkannt: Da lag zu großem Jammer der Held von Nibelungenland. (1041) Da rief in Trauertönen die Königin mild: “O weh mir dieses Leides! Nun ist dir doch dein Schild Mit Schwertern nicht verhauen: Dich fällte Meuchelmord. Wüsst ich wers vollbrachte, ich wollt es rächen immerfort.” (1042) All ihr Ingesinde wehklagte laut und schrie Mir seiner lieben Fraue; heftig schmerzte sie Der Tod des edeln Herren, der da war verlorn. Gar übel hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn. (1043) Da sprach die Jammerhafte: “Nun mag einer gehn, Und mir in Eile wecken die in Siegfrieds Lehn. Ihr sollt auch Siegmunden meinen Jammer sagen, Ob er mir helfen wolle den kühnen Siegfried beklagen.” (1044) Da lief ein Bote balde wo er sie schlafen fand, Siegfriedens Helden von Nibelungenland. Mit seinen leiden Mären ihre Freud er ihnen nahm; Sie wollten es nicht glauben, bis man das Weinen vernahm. (1045) Dahin auch kam der Bote wo der König lag. Siegmund der Herre keines Schlafes pflag: Er fühlte wohl im Herzen voraus, was ihm geschehn Und dass er Siegfrieden nimmer sollte wiedersehn. (1046) “Wacht auf, König Siegmund, es hieß mich zu euch gehn Kriemhilde, meine Fraue: Der ist ein Leid geschehn, Das ihr vor allen Leiden wohl das Herz versehrt; Das sollt ihr klagen helfen, da es auch euch widerfährt.” (1047) Auf richtete sich Siegmund: “Was ist es, was sie klagt, Die schöne Kriemhilde, das Leid, das du gesagt?” Da sprach der Bote weinend: “Ich muss es euch wohl sagen: Es liegt von Niederlanden der kühne Siegfried erschlagen.” (1048) Da sprach König Siegmund: “Lasst das Scherzen sein, Und so böse Märe, bei der Liebe mein! Und sagt es niemand wieder, dass er sei erschlagen, Denn ich konnt es nie genug bis an mein Ende beklagen.” (1049) “Wollt ihr mir nicht glauben, was ich euch gesagt, So mögt ihr selber hören wie Kriemhilde klagt, Und all ihr Ingesinde um Siegfriedens Tor.” Gar sehr erschrak da Siegmund, es schuf ihm wahrhafte Not. (1050) Mit hundert seiner Mannen er von dem Bette sprang. Sie zuckten zu den Händen die scharfen Waffen lang; Zu dem Wehruf liefen sie jammersvoll heran. Da kamen tausend Recken in des kühnen Siegfried Bann. (1051) Wo sie in Jammerlauten die Frauen hörten klagen: Da meint' ein Teil, sie müssten doch billig Kleider tragen. Wohl mochten sie vor Jammer der Sinne Macht nicht haben: Es lag eine große Schwere in ihrem Herzen begraben. (1052) Da kam der König Siegmund hin wo er Kriemhild fand.