Auf dem heilgen Friedhof, da hieß sie stille stehn Hagen der kühne, damit man sie nicht schied. Er sprach: “Noch weiß ja niemand, was von den Heunen geschieht. (1910) “Legt, meine Freunde, die Schilde vor den Fuß Und lohnt es, heut euch jemand feindlichen Gruß, Mit tiefen Todeswunden; das ist was Hagen rät: So werdet ihr befunden wies euch am Löblichsten steht.” (1911) Volker und Hagen, die beiden gingen dann Vor das weite Münster. Das ward darum getan, Weil sie schauen wollten, ob sich die Köngin hehr Mit ihnen drängen müsse: Sie zürnten ihr beide sehr. (1912) Da kam der Wirt des Landes und auch sein schönes Weib; Mit reichem Gewande geziert war ihr Leib. Manchen schnellen Degen sah man mit ihm fahren; Da flog der Staub zur Höhe von der Kriemhilde Scharen. (1913) Als der reiche König so wohl gewaffnet sah Die Könge nebst dem Volke, wie balde sprach er da: “Was seh ich meine Freunde unter Helmen gehn? Leid wär mir meiner Treue, wär ihnen Leid hier geschehn. (1914) Das wollt ich ihnen büßen, wie es sie däuchte gut. Wenn ihnen wer beschwerte das Herz und auch den Mut, So lass ich sie wohl schauen mir sei es wahrlich leid: Was sie gebieten mögen, dazu bin ich gern bereit.” (1915) Zur Antwort gab ihm Hagen: “Uns ist kein Leid geschehn. Es ist der Herren Sitte, dass sie gewaffnet gehn Bei Hofgelagen immer zu dreien vollen Tagen. Was uns hier geschähe, wir würden es Etzeln klagen.” (1916) Wohl hörte Kriemhilde Hagens Rede da. Wie feindlich sie dem Degen unter die Augen sah! Sie wollte doch nicht melden den Brauch in ihrem Land, So lang sie den auch hatte bei den Burgonden gekannt. (1917) Wie grimm und stark sie ihnen entgegen wäre, Hätte jemand Etzeln gesagt die Märe, Er hätt es wohl gewendet, was nun doch geschah: In hohem Übermute verschwiegen sie es alle da. (1918) Da schritt mit vielem Volke die Köngin nach der Tür: Da wollten diese beide nicht weichen von ihr Zweier Hände Breite: Das war den Heunen leid. Da musste sie sich drängen mit den Helden allbereit. (1919) Etzels Kämmerlinge, die däuchte das nicht gut: Da hätten sie den Recken gern erzürnt den Mut, Wenn sie gedurft hätten vor dem König hehr. Da gab es groß Gedränge und doch nichts anderes mehr. (1920) Als nach dem Gottesdienste man heim zu ziehn begann, Da kam gar bald geritten mancher Heunenmann. Da war bei Kriemhilden manche schöne Maid: Wohl siebentausend Degen gaben der Königin Geleit, (1921) Kriemhild mit ihren Frauen in den Fenstern saß Bei Etzeln dem reichen; gerne sah er das. Sie wollten reiten sehen die Helden auserkannt: Hei! Was man fremder Recken vor ihnen auf dem Hofe fand! (1922) Da war auch mit den Knechten der Marschall gekommen: Der kühne Dankwart hatte zu sich genommen Seines Herrn Gesinde von Burgondenland: Die Rosse man gesattelt von kühnen Niblungen fand. (1923) Als zu Rosse kamen die Fürsten und ihr Bann, Volker der starke hub zu raten an, Sie sollten buhurdieren nach ihres Landes Sitten. Da wurde von den Helden bald gar herrlich geritten. (1924) Was der Held geraten, niemanden des verdross. Das Kampfspiel und das Schallen wurden beide groß. Zu dem weiten Hofe kam da mancher Mann; Etzel und Kriemhilde, die schauten alles mit an. (1925)