worden ist, anstatt als solcher geboren zu sein, und von dem man auf Grund seiner zweifelhaften Herkunft nicht erwarten kann, die wahre Natur des Bosen zu verstehen.«

Andere Konferenzteilnehmer forderten lautstark Gehor, denn Damonen lieben es, daruber zu diskutieren, wer das Bose wirklich versteht, wer am bosesten ist und wem es dagegen an Schlechtigkeit mangelt. Mittlerweile hatte Azzie jedoch seine Fassung wiedergewonnen. Ihm war klar, da? sich die Aufmerksamkeit der Damonenfursten schon bald auf ihn richten wurde. Also beeilte er sich, sein unverfrorenes Eindringen zu verteidigen.

»Meine Herren«, sagte er, »es tut mir leid, der Anla? fur Ihren Streit zu sein. Ich ware nicht unangemeldet bei Ihnen hereingeplatzt, wenn ich Ihnen nicht etwas Dringendes mitzuteilen hatte.«

»Ja, warum bist du gekommen?« fragte Belial. »Und wie ich feststelle, hast du auch keine Geschenke mitgebracht, wie es die Sitten erfordern. Was hast du zu deiner Rechtfertigung zu sagen?«

»Ich komme ohne Geschenke, das ist richtig«, raumte Azzie ein. »Das lag an meiner Eile, und ich bitte dafur um Verzeihung. Aber ich habe etwas mitgebracht, das noch wichtiger ist.«

Er legte eine Pause ein. Es war dieses damonische Gespur fur Dramatik, das ihn einen Moment lang verstummen lie?, anstatt die Worte nur so hervorzusprudeln.

Auch die Damonenfursten verstanden das eine oder andere uber dramatische Prasentation. Sie starrten Azzie in anklagendem Schweigen an. Nach einer Weile, die Ewigkeiten zu wahren schien, meldete sich schlie?lich Belphegor zu Wort, der den sehnlichen Wunsch verspurte, da? Komitee zu verlassen, um ein kleines Nickerchen zu machen: »Also gut, verfluchter Kerl, was bringst du mit, das wichtiger als Geschenke ist?«

»Was ich Ihnen bringe, meine Herren«, sagte Azzie mit leiser und heiserer Stimme, »ist das kostbarste Gut, das es gibt. Eine Idee.«

KAPITEL 3

Azzies Worte trafen genau den wunden Punkt der Damonenfursten, namlich ihr Bedurfnis nach einer Idee fur die bevorstehenden Lichtgegen-Finsternis-Feierlichkeiten, nach einem Drama, das ihre Eintrittskarte fur den Kampf zwischen Gut und Bose war und dessen Ergebnis – gema? der damonischen Lehre – die Uberlegenheit des Bosen beweisen und ihm damit das Recht einraumen wurde, die Geschicke der Menschheit wahrend der nachsten tausend Jahre zu dominieren.

»Was fur eine Idee ist das?« wollte Belial wissen.

Azzie verbeugte sich tief und begann, ihnen die Geschichte vom Marchenprinzen zu erzahlen.

Marchen haben fur Damonen eine ebenso gro?e Bedeutung wie fur die Menschen und erfreuen sich der gleichen Beliebtheit. Alle Damonenfursten kannten die Geschichte vom Marchenprinzen – wie sich ein Jungling auf den Weg machte, um eine Prinzessin zu retten, die durch einen Zauberspruch in ewigem Schlaf gefangen war. Der Marchenprinz kampfte sich mit Hilfe seines reinen Herzens und aufrechten Geistes durch die mannigfaltigen Gefahren, die die Prinzessin umgaben, bestand sie alle, schlug sich einen Weg durch die Dornenhecken zu ihrem Schlo?, erklomm den Glasberg, auf dem der Palast thronte, und ku?te sie, worauf sie erwachte. Dann heirateten sie, und wenn sie nicht gestorben sind…

Azzie schlug vor, diese hubsche Geschichte zu inszenieren, aber mit Charakteren, die er selbst entwarf.

»Meine Herren, geben Sie mir eine Vollmacht, frei auf die Abteilung fur Ausrustung und Zubehor zuruckgreifen zu konnen, und ich werde einen Prinzen und eine Prinzessin kreieren, die anders als die Personen des bekannten Marchens agieren und diese ode Geschichte vollig auf den Kopf stellen werden. Mein Parchen wird zu einem anderen Ende gelangen. Seine Entscheidungen, die es aus freiem Willen treffen wird – mit einem Minimum an Einmischung meinerseits –, werden zum Vergnugen unserer Freunde und zum Arger unserer Feinde eindeutig belegen, da? das Bose unweigerlich den Sieg uber den menschlichen Geist davontragen mu?, wenn man ihm freie Hand la?t.«

»Keine schlechte Idee«, meinte Azazel. »Aber was la?t dich glauben, da? deine Protagonisten so handeln werden, wie du es dir vorstellst, wenn man ihnen den freien Willen la?t?«

»Dafur kann durch eine sorgfaltige Auswahl der Korperteile Vorkehr getroffen werden«, erklarte Azzie, »sowie durch eine angemessene Schulung, nachdem die Teile zusammengefugt und als Menschen zum Leben erweckt worden sind.«

»Sorgfaltige Auswahl?« fragte Phlegethon. »Was meinst du damit?«

»Hier ist schon der erste Teil«, erwiderte Azzie, »auf dessen Grundlage ich meinen Marchenprinzen erschaffen will.«

Er zog das Beinpaar, das er beim Pokerspiel gewonnen hatte, aus der Segeltuchtasche. Die Damonenfursten beugten sich vor, um es zu inspizieren. Unter dem gemeinsamen Einflu? ihrer Blicke loste sich eine Wolke fleischlicher Erinnerung aus den Gliedma?en, so da? jeder Damon die Geschichte des Beinpaars verfolgen und miterleben konnte, wie sein Besitzer es verloren hatte.

»In der Tat ein teuflisch feiges Beinpaar«, stellte Belial fest.

»Richtig, Herr«, sagte Azzie. »Ein Prinz mit solchen Beinen wurde nie einen gefahrvollen Weg beschreiten konnen. Die Beine selbst wurden ihn fast von allein schmachvoll in Sicherheit springen lassen!«

»Ist das das beabsichtigte Ziel der von dir geplanten Scharade?« fragte Belial.

»Nein, Herr, das ist es nicht«, widersprach Azzie. »Ich bitte Sie darum, nicht von mir zu verlangen, den gewunschten Ausgang meines Plans schon so fruh zu offenbaren, denn ein Gro?teil des Vergnugens besteht darin, die kreativen Einfalle zu verfolgen, ohne das Endergebnis zu genau im voraus zu kennen.«

Azzie hatte Schwierigkeiten mit der Umsetzung seines Planes haben konnen, aber der Termin, einen Kandidaten ins Rennen zu schicken, stand unmittelbar bevor, und bisher hatte niemand einen besseren Vorschlag unterbreitet. Also nickten die versammelten Damonenfursten einmutig.

»Ich denke, wir haben hier eine brauchbare Idee«, sagte Belial. »Was meinen Sie dazu, werte Kollegen?«

Die anderen knurrten und scharrten mit Fu?en und Klauen, erklarten sich aber schlie?lich einverstanden.

»Dann fuhr deinen Plan aus und tu, was du versprochen hast«, wandte sich Belial wieder an Azzie. »Du bist unser gewahlter Vertreter. Geh und verbreite in unseren Namen Boses und Entsetzen.«

»Vielen Dank«, erwiderte Azzie, aufrichtig bewegt. »Aber ich werde Geld fur mein Vorhaben benotigen. Korperteile, wie sie mir vorschweben, sind nicht billig. Und da sind dann noch die anderen Dinge, die ich brauchen werde – zwei Schlosser, eins fur jeden Protagonisten, und ein Haus fur mich selbst als Operationsbasis. Au?erdem den Lohn fur einen Diener und einiges mehr.«

Die Fursten handigten ihm eine Schwarze Kreditkarte mit einem gepragten Pentagramm unter seinem in feurigen Lettern eingebrannten Namen aus, die an jedem dunklen und finsteren Ort einzulosen war. »Damit erhaltst du sofort unbegrenzten Kredit bei der Abteilung fur Ausrustung und Zubehor. Du kannst dich jederzeit und uberall an sie wenden, wenn du einen verruchten Ort findest, an dem du die Karte einreichen kannst. So wie die Welt beschaffen ist, sollte dir das allerdings keine Schwierigkeiten bereiten. Au?erdem hilft die Karte bei der Kontrolle meteorologischer Phanomene.«

»Aber du mu?t deinen Held und deine Heldin selbst einbringen«, gab Azazel Azzie zu bedenken. »Und naturlich unterliegt die Leitung der Handlung einzig und allein deiner Verantwortung.«

»Einverstanden«, sagte Azzie. »Anders wollte ich es auch gar nicht haben.«

KAPITEL 4

Hatte irgend jemand aus einem der hohen Fenster des steilen schmalen Hauses geschaut, das sich eng an den Marktplatz des Dorfes Hagenbeck schmiegte, hatte er einen Mann beobachten konnen, der mit der offentlichen Kutsche aus Troyes eintraf. Dieser Mann war gro? und attraktiv. Er war weder alt noch jung und hatte ein nicht unansehnliches Gesicht, das eine gewisse Strenge ausstrahlte und seinen Besitzer als einen Mann von beachtlichem Durchsetzungsvermogen auswies. Der Mann trug Kleidung aus gutem englischen Stoff und Schuhe, die mit schonen Messingschnallen verziert waren. Er stieg in Hagenbeck aus der Kutsche, begab sich auf direktem Weg zum Gasthaus und erkundigte sich nach einem Quartier. Als Herr Gluck, der Besitzer des Hauses, die Frage nach der Zahlungsfahigkeit des Neuankommlings anschnitt, forderte Azzie (denn niemand anders war der Fremde) einen Geldbeutel zutage, der mit unzahligen spanischen Goldmunzen in Form von Dublonen gefullt war.

»Sehr wohl, Herr«, sagte der Gastwirt und buckelte ausgiebig, um seiner Wertschatzung Ausdruck zu verleihen. »Unser bestes Gastezimmer ist zur Zeit frei. Normalerweise ist es belegt, aber alle sind zum gro?en

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