Jahrmarkt in Augsburg gegangen.«

»Dann nehme ich es«, entschied Azzie.

Das Zimmer war sehr schon und hatte ein gro?es Fenster. Es gab sogar einen kleinen Waschraum, in dem man sich frisch machen konnte, auch wenn Damonen solche Dinge kaum in Anspruch nehmen.

Zuerst legte sich Azzie auf das gro?e Bett mit den Daunendecken und den herrlichen gut gefullten Kopfkissen. Er hatte den Eindruck, als hatte seine eigentliche Karriere endlich begonnen. Es erstaunte ihn, wie schnell er von einem unbedeutenden Arbeiter in Nordpein 405 zum Impressario eines prachtigen neuen Spiels fur die Feier zur Jahrtausendwende aufgestiegen war. Eine Zeitlang blieb er auf dem Bett liegen und dachte uber sein Gluck nach, aber dann stand er voller Tatendrang wieder auf, um mit der Umsetzung seines Plans zu beginnen.

Als erstes brauchte er einen Diener. Er beschlo?, sich beim Wirt zu erkundigen.

»Naturlich braucht Ihr einen Diener«, bestatigte der dicke Gastwirt. »Es hat mich gleich erstaunt, da? ein feiner Herr wie Ihr ohne Dienerschaft und eine gro?e Reisetruhe gekommen ist. Da Ihr Geld habt, sollte das leicht zu erledigen sein.«

»Ich brauche allerdings eine besondere Art von Diener«, erklarte Azzie. »Jemanden, den man mit Aufgaben hochst ungewohnlicher Natur beauftragen kann.«

»Durfte ich erfahren, von welcher Natur Eure Exzellenz sprechen?« fragte der Wirt.

Azzie musterte den Mann genau. Er war dick und sah gemutlich aus, aber es lag auch ein finsterer Ausdruck in seinen Zugen. Diesem Mann waren bose Taten nicht fremd. Er gehorte zu den Menschen, die vor nichts halt machten, die ein gewisses Vergnugen bei Gedanken an bose Taten empfanden, weil sie dabei die Aufregung erlebten, die ihnen ihr normales Leben nicht bieten konnte.

»Herr Wirt«, sagte Azzie, »was ich verlange, sind Dinge, die sich vielleicht nicht immer vollig im Rahmen der koniglichen Gesetze bewegen.«

»Ja, Herr«, erwiderte der Wirt.

»Ich habe hier eine kleine Liste mit den Eigenschaften zusammengestellt, die ich von einem Diener erwarte«, sagte Azzie. »Ich mochte, da? Ihr sie irgendwo anheftet.«

Er reichte dem Gastwirt ein Pergament. Der Mann nahm es entgegen und schob es vor seiner Nase hin und her, bis er es in die richtige Leseentfernung gebracht hatte.

Der Text lautete: Diener gesucht, ein Mann, der nicht zimperlich ist, mit Blut und Schmerzen vertraut, ehrlich, zuverlassig und zu allem bereit.

Der Wirt las den Text ein paar Mal und sagte schlie?lich: »Ein solcher Mann konnte gefunden werden, wenn nicht hier in Hagenbeck, dann im nahe gelegenen Augsburg. Aber es ware mir ein Vergnugen, dieses Pergament an meine Vorderwand neben die Preislisten fur Heu und Hafer zu nageln. Wir werden sehen, was dabei herauskommt.«

»Tut das«, forderte Azzie ihn auf. »Und schickt mir eine Flasche Eures besten Weins auf mein Zimmer, fur den Fall, da? das Warten langweilig werden sollte.«

Der Gastwirt verbeugte sich tief und verzog sich. Nach wenigen Minuten schickte er das Dienstmadchen zu Azzie hinauf, ein bedauernswertes Ding mit einem entstellten Gesicht und einem schleppenden Gang, das nicht nur die Weinflasche, sondern auch einen Teller mit kleinen Kuchen brachte, die der Koch gerade erst gebacken hatte. Azzie gab ihr einen Silberpenny, fur den sie sich ruhrend dankbar zeigte. Dann machte er es sich bequem und a? und trank. Naturlich benotigen Damonen eigentlich keine Nahrung, aber wenn sie menschliche Gestalt annehmen, ubernehmen sie damit auch menschliche Bedurfnisse. Die Lust am Essen und Trinken gehort dazu. Azzie a? ausgiebig und lie? sich danach die Amselpastete bringen, deren Duft er aus dem Backofen der gut ausgestatteten Kuche der Herberge auf steigen roch.

Es dauerte nicht lange, bis der erste Bewerber an seine Tur klopfte. Es war ein hochgewachsener junger Mann, strohdunn und mit einem wilden hellblonden Haarschopf, der seinen Kopf wie eine Art Heiligenschein umwallte. Seine Kleidung war ordentlich, wenn auch ziemlich stark geflickt. Er machte einen gepflegten Eindruck und verneigte sich tief, als Azzie die Tur offnete.

»Sire«, sagte der Fremde, »ich habe Eure Notiz gelesen und bin unverzuglich gekommen, um mich Euch vorzustellen. Mein Name ist Augustus Hye, und ich bin Poet von Beruf.«

»Tatsachlich?« fragte Azzie. »Was ich zu bieten habe, ist eine etwas ungewohnliche Stellung fur einen Poeten.«

»Ganz und gar nicht, Sire«, entgegnete Hye. »Poeten mussen sich zwangslaufig mit den extremsten menschlichen Gefuhlen beschaftigen. Blut und Schmerzen waren mir sehr recht, da sie gute Themen fur meine Gedichte liefern, in denen ich die Vergeblichkeit des Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes behandeln mochte.«

Was Azzie horte, stellte ihn nicht vollig zufrieden. Der Poet schien nicht richtig fur diese Aufgabe geeignet zu sein. Trotzdem beschlo? Azzie, ihm eine Chance zu geben.

»Kennst du die ortlichen Friedhofe?« fragte er.

»Naturlich, Herr. Friedhofe sind bevorzugte Orte fur Poeten, die nach innerer Einkehr suchen, um sich gro?e und leidvolle Taten zu vergegenwartigen.«

»Dann eile heute abend nach Monduntergang zu einem solchen Ort und bring mir einen alten menschlichen Schadel, ob mit oder ohne Haar spielt keine Rolle. Und wenn du mir noch ein paar Frauenfinger mitbringen konntest, um so besser.«

»Frauenfinger, Sire?« Der Poet schielte auf die Weinflasche, die Liebfrauenmilch enthielt. »Sprecht Ihr von einer Weinsorte dieses Namens?«

»Nein«, widersprach Azzie, »ich meine genau das, was das Wort beschreibt.«

Hye blickte unbehaglich drein. »Solche Dinge sind schwer zu erhalten.«

»Das wei? ich«, sagte Azzie. »Ware es einfach, wurde ich mich selbst auf den Weg machen, um welche zu besorgen. Und jetzt geh und sieh zu, was du tun kannst.«

Augustus Hye verschwand nicht gerade glucklich. Seine Hoffnung sank bereits. Wie alle Poeten war er eher darin geubt, uber Blut und Schmerzen zu sprechen, als sich tatsachlich die Hande damit schmutzig zu machen. Trotzdem hatte er beschlossen, einen Versuch zu wagen, weil Lord Azzie, wie sich der Fremde nannte, offensichtlich ein wohlhabender Mann war und vermutlich sehr gro?zugig sein konnte.

Azzies nachster Besucher war eine alte Frau. Sie war gro? und schlank, ganz in Schwarz gekleidet, und sie hatte kleine Augen und eine lange Nase. Ihr Lippen waren dunn und blutleer.

»Ich wei?, da? Ihr eigentlich einen Mann sucht«, sagte sie, nachdem sie einen tiefen Knicks gemacht hatte, »aber ich hoffe, Ihr besteht nicht darauf. Ich wurde eine wunderbare Dienerin fur Euch sein, Lord Azzie, und Ihr konntet Euch gleichzeitig an meinen Vorzugen erfreuen.«

Azzie erschauderte. Diese alte Vettel mu?te wirklich eine bluhende Phantasie haben, wenn sie glaubte, irgendein Edelmann – oder ein als Edelmann getarnter Damon – konnte sie zu irgend etwas anderem gebrauchen, als sich nach einem langen Tagesritt von ihr die Stiefel ausziehen zu lassen. Trotzdem beschlo? er, ihr gegenuber nicht ungerecht zu sein.

Er wiederholte die Anweisungen, die er bereits dem Poeten gegeben hatte. Wie Hye schien auch die alte Frau, die Agatha hie?, uberrascht zu sein. Sie gehorte zu den Menschen, die Au?erlichkeiten fur den wesentlichen Teil des Bosen halten. Jahrelang hatte sie nur auf Grund ihrer Erscheinung und des daraus resultierenden Rufs, was bose Taten betraf, ihren Lebensunterhalt in Hagenbeck bestreiten konnen. Sie hatte geglaubt, da? dieser Posten genau die richtige Aufgabe fur sie sein wurde, da sie bereits wie jemand aussah, der vor keiner Schandtat zuruckschreckte und sich an Blut und Schmerzen erfreute. Doch trotz ihrer au?eren Erscheinung war sie eine Frau, der es bereits schwerfiel, einem Huhn den Kopf abzuhacken. Trotzdem versprach sie, ihr Bestes zu tun und gegen Mitternacht mit ihrer Beute zuruckzukehren.

Das waren alle Bewerber, die an diesem Tag erschienen. Azzie war nicht sonderlich zufrieden. Die Menschen in diesem Teil der Welt schienen wenig Lust zu verspuren, seine Art von Arbeit zu leisten. Aber er wurde nicht aufgeben. Es war absolut unverzichtbar, einen Diener zu haben.

KAPITEL 5

An diesem Nachmittag besuchte Azzie die nahe gelegene Stadt Augsburg und verbrachte den Rest des Tages damit, umherzuschlendern und sich die uralten Kirchen anzusehen. Damonen sind au?erst interessiert an Kirchen, die trotz der Krafte des Guten, die sie beherbergen, oft so umgedreht werden konnen, da? sie dem Bosen dienen. Am fruhen Abend kehrte er in das Gasthaus Zum Gehangten zuruck, wo er von

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