versinken, und die Kuppeln und Turme Roms leuchten lie?, wahrend sich uber die Terrakottadacher bereits die Nacht herabsenkte. Er flog im Tiefflug uber die verwinkelten Stra?en hinweg und sank noch tiefer, um eine Runde uber das Forum und das Colloseum zu drehen und den Anblick in angemessener Form zu genie?en. Dann stieg er wieder in die Hohe und segelte zum Palatin. Hier lag ein ganz besonderer Friedhof, der Narbozzi, und das war auch der Ort, an dem die Damonen seit unerdenklichen Zeiten ihre jahrlichen Pokerrunden veranstalteten. Mit etwas Gluck wurde das Spiel auch dieses Jahr wieder hier stattfinden.

Der Narbozzi-Friedhof, der sich uber viele Hektar der hugligen Nordseite des Palatin ausbreitete, war mit Marmorsarkophagen, steinernen Kreuzen und Familiengruften bedeckt. Azzie schlenderte die grasbewachsenen Pfade des Narbozzi entlang, die sich immer deutlicher vor seinen Augen abzeichneten, je tiefer die Sonne sank. Damonen sehen in der Nacht besser als am Tag, weil die Nacht ihr naturliches Medium ist. Der Friedhof war gro?, und Azzie hatte ein wenig Angst, da? er die Stelle, an der das Spiel stattfand, ubersehen konnte. Hoffentlich nicht. Er hatte sein Glucksamulett in Form von Rognirs Felixit zur Sicherheit in ein Pergament eingewickelt, das ein Zeichen Konig Salomons trug. Und in seinem Beutel steckten Rognirs Edelsteine, sein Einsatz fur das bevorstehende Spiel.

Er eilte dahin, und schon bald wich die Dammerung endgultig der Nacht. Am Himmel erschien ein abnehmender Sichelmond, und Sirius, der Hundestern, gluhte rot, ein gunstiges Omen fur das Bose. Aus den nahe gelegenen Sumpfen klang das Zirpen der Grillen und das Quaken der Frosche heruber. Azzie fragte sich schon, ob er den falschen Friedhof aufgesucht hatte – zu dieser Zeit hielt Rom den Weltrekord an Friedhofen von hohem antiquarischem Interesse. Es wurde ihn zu viel Zeit kosten, jeden einzelnen zu uberprufen, und er besa? nicht einmal eine vollstandige Liste aller Friedhofe.

Gerade wollte er sich fur seine mangelnde Vorbereitung verfluchen – er hatte sich mit dem Komitee fur Ubernaturliche Veranstaltungen in Verbindung setzen sollen, um den genauen Austragungsort des Spiels zu erfahren –, als er ein Gerausch horte, das beruhigend unmenschlich klang. Er folgte dem Gerausch, und es loste sich in Gelachter auf, das aus dem Ostteil des Narbozzi kam, jenem Abschnitt, der in der Antike unter dem Namen ›der Verfluchte‹ bekannt war. Als er sich ihm naherte, konnte er horen, wie Fluche ausgesto?en wurden, und dann vernahm er das gewaltige kesselpaukenartige Gelachter Newzejoths, eines der gro?ten Damonenfursten, dessen Stimme unverkennbar war. Azzie flog eilig in die entsprechende Richtung.

Die Damonen hatten ihr Lager in einer flachen Senke zwischen dem gro?en Marmorsarkophag von Romulus und dem jungeren Grab von Pompejus aufgeschlagen, in einem kleinen Hain, der von einem Ring Stechpalmen umgeben war. Obwohl sie erst vor wenigen Stunden angekommen waren, wies die Umgebung bereits deutliche Spuren von Chaos und Unrat auf, den charakteristischen Anzeichen fur damonische Zusammenkunfte. Riesige Fasser mit Jauche waren als Erfrischung bereitgestellt worden. Hier und dort brannten Feuer, und Kuchengehilfen brieten Korperteile von Menschen der unterschiedlichsten Nationen uber gluhender Holzkohle.

Azzie wurde von den anderen Damonen willkommen gehei?en. »Helles oder dunkles Fleisch?« fragte ihn ein Sukkubus. Aber Azzie hatte keine Zeit, um zu essen, auch wenn die jungen Menschen, die goldbraun gerostet an den Spie?en steckten, kostlich zu sein schienen.

»Wo findet das Spiel statt?« erkundigte er sich.

»Gleich da druben«, erwiderte der Sukkubus. Soweit Azzie es anhand ihres Nasenrings und der nach hinten gedrehten Fu?e beurteilen konnte, handelte es sich um eine indische Damonin. Sie lachelte ihn verfuhrerisch an. Sie war wirklich schon, doch Azzie war im Augenblick weder nach einem erotischen Abenteuer zumute noch verspurte er Appetit, denn die Spielleidenschaft hatte ihn gepackt, und er hastete zu den Spielern.

Die kartenspielenden Damonen hatten einen Kreis gebildet, der von Fackeln und Talgkerzen erhellt wurde, die aus widerlichen wachsartigen Substanzen bestanden. Der innere Kreis war von einem weiteren Ring Damonen umgeben, die das Spiel verfolgten und die einzelnen Zuge kommentierten. Als Azzie eintraf, wurde gerade um einen hohen Einsatz gespielt. Im Pot waren etliche Goldmunzen, ein paar Silberdenare und ein menschlicher Torso von betrachtlichem Wert, da noch Blut aus den Arm- und Beinstumpfen tropfte. Die letzten Einsatze wurden getatigt, und ein kleiner Damon mit einem Kugelbauch, durren Armen und Beinen und einer langen Nase (dem Rentierpullover nach zu schlie?en ein Lappe) gewann das Spiel und den gesamten Pot.

»Neuer Spieler!« rief irgend jemand, worauf die anderen zur Seite ruckten und Azzie Platz machten.

Azzie setzte sich, legte die Edelsteine vor sich und erhielt seine Karten. Am Anfang verhielt er sich vorsichtig. Es war schon ziemlich lange her, seit er das letzte Mal an einer Pokerrunde teilgenommen hatte. Diesmal war er trotz seines Glucksamuletts aus Felixit entschlossen, kein unnotiges Risiko einzugehen, nur bei guten Blattern zu reizen, im Zweifelsfall zu passen und all die anderen Dinge zu tun, die sich Pokerspieler – ob Menschen oder Damonen – seit jeher vornehmen. Er wechselte ein paar seiner Steine in Korperteile und begann zu spielen. Und so nahm das Spiel in der vom unheimlich grunen Licht der Fackeln aufgehellten Dunkelheit seinen Verlauf, untermalt vom Gelachter und den Fluchen der Damonen, je nachdem, wem das Gluck gerade lachte.

Damonische Pokerspieler sind lustige Gesellen, solange ihnen das Gluck hold ist. Sie beginnen ihre Spiele in bester Laune, setzen ganze Menschenkopfe und erhohen die Einsatze in frohlicher Unbekummertheit um Gliedma?en. Das alles wird von der Art von Spa?en begleitet, die Damonen ungemein witzig, andere Geschopfe jedoch reichlich geschmacklos finden. »Mochte irgend jemand ein Heldensandwich?« fragte einer der Damonenbediensteten, als ein Tablett mit menschlichen Korperteilen herumgereicht wurde.

Schon bald hatte Azzie alle guten Vorsatze vergessen. Er wurde unvorsichtig und reizte immer wilder und riskanter. Standig mu?te er daran denken, wie gern er an dem Bose-Taten- Jahrtausendwendebankett teilnehmen wollte. Wenn er doch nur gewinnen konnte! Er sehnte sich von ganzem Herzen danach, das Bose im Jahrtausendwettkampf zwischen Licht und Finsternis zu reprasentieren.

Unglucklicherweise aber schrumpfte sein Stapel an Korperteilen unaufhaltsam. Er wu?te nur zu gut, da? er die Einsatze wild, dumm und damonisch erhohte, aber er konnte nichts dagegen tun. Vollig im Bann des Spiels gefangen, registrierte er kaum, da? es immer die gro?eren Damonen zu sein schienen, die die lohnenden Gewinne einstrichen. Was war nur mit seinem Felixit nicht in Ordnung? Wieso gewann er nie einen der gro?en Einsatze?

Dann kam ihm schlie?lich die Erkenntnis, da? alle Damonen Gluckstalismane trugen, und je bedeutender ein Damon war, desto besser war naturlich auch der Glucksbringer, den er sich leisten konnte. Die Vermutung lag auf der Hand, da? die Talismane der anderen den seinen neutralisierten. Wieder einmal wurde er gnadenlos uber den Tisch gezogen! Das war undenkbar und au?erst ungerecht.

Die Nacht verging wie im Flug, und irgendwann bemerkte Azzie ein schwaches Gluhen am ostlichen Horizont. Schon bald wurde die Morgendammerung hereinbrechen, und das Spiel wurde beendet werden, es sei denn, irgend jemand hatte einen Schlussel zu einer Privatgruft. Zu diesem Zeitpunkt hatte Azzie bereits den gro?ten Teil seines anfanglichen Vermogens verloren.

Wut und Kummer stiegen in seinem Fuchskopf auf. Das Blatt, das er in der Hand hielt, war wieder eine Niete, ein Zweierparchen und drei mittlere Karten. Er wollte gerade passen und sich endgultig geschlagen geben, als ihn eine merkwurdige Ahnung uberkam. Nein, eigentlich keine Ahnung, mehr ein Gefuhl. Es war eine warme Ausstrahlung, deren Quelle in seinem Beutel zu stecken schien. Versuchte sein Glucksamulett vielleicht, ihm irgend etwas mitzuteilen? Ja, das mu?te es sein! Und dann wurde ihm klar, da? das Felixit auf ein ganz bestimmtes Blatt warten wurde, wenn es ihm wirklich helfen wollte, um erst dann seine ganze Kraft einzusetzen, damit er diese eine Runde gewann.

Plotzlich war er sich dessen so sicher, da? er rucksichtslos alles auf sein schlechtes Blatt setzte und immer weiter erhohte.

Er erhielt seine letzten Karten, sah sie aber gar nicht mehr an und trieb den Einsatz statt dessen noch mehr in die Hohe.

Und dann war der entscheidende Augenblick gekommen. Als Azzie sein Blatt auf den Tisch legte, stellte er fest, da? er ein weiteres Zweierparchen zu dem ersten Parchen dazubekommen hatte. Zwei Parchen, wollte er zuerst sagen, bevor er begriff, da? es ein Vierling war. Kein anderer Spieler hatte ein auch nur annahernd gleichwertiges Blatt. Die anderen grollten und warfen ihre Karten weg. Der Pot, der gro?te der ganzen Nacht, ging an Azzie.

Neben einem Haufen Goldmunzen, Edelsteinen und den unterschiedlichsten Korperteilen bestand der Gewinn aus einem Schwert mit abgebrochener Klinge, um dessen Griff ein Damentuchlein aus roter Seide geschlungen war, und einem Paar Menschenbeinen in sehr gutem Zustand, kaum angenagt. Dazu kam noch eine betrachtliche Menge an Kleinzeug, Fingerknochel, Gewebescheidewande und ein Satz Kniescheiben, die Azzie in Gold

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