entschuldigte sich Frike. »Aber da er hier allgemein als schlechter Poet bekannt war, darf ich wohl behaupten, da? er selbst auch keinen guten Schnitt gemacht hat.«
»Frike, das hast du sehr gut gemacht. Du wirst sofort in meine Dienste treten. Ich denke, du bist ein Prachtexemplar unter den Sterblichen. Und weil du dich so gut angestellt hast, bin ich uberzeugt, da? es dir keine Schwierigkeiten bereiten wird, mir auch die anderen gewunschten Dinge zu besorgen, sobald ich das Gelande ausgekundschaftet und dir alles erklart habe.«
»Ich hoffe, Euch gut dienen zu konnen, Gebieter«, sagte Frike.
Azzie ging zu seiner Truhe, zog einen kleinen Beutel aus Hirschleder hervor und entnahm ihm vier Goldtaler. Er reichte sie Frike, der sich dankbar tief verbeugte.
»Und jetzt mussen wir uns an die Arbeit machen«, verkundete Azzie. »Mitternacht ist angebrochen, die Zeit des Bosen. Bist du zu allem bereit, Frike?«
»Das bin ich.«
»Und was erwartest du als Lohn?«
»Nur das Privileg, Euch weiter dienen zu durfen, Herr«, erwiderte Frike. »Sowohl jetzt als auch nach dem Tod.«
Die Antwort machte Azzie klar, da? Frike wu?te, wer – oder vielmehr was – sein neuer Herr war. Es freute ihn, einen so intelligenten Diener gefunden zu haben. Er trug Frike auf, die Sachen zu packen. Sie wurden sofort mit der Arbeit beginnen.
KAPITEL 6
Bevor er die nachsten Schritte unternehmen konnte, benotigte Azzie eine Operationsbasis. Die Herberge
Also stellte sich die Frage, wo Azzie sein Domizil mit dem erforderlichen Laboratorium aufschlagen sollte. Er mu?te im Herzen Europas bleiben, weil die Handlung dort stattfinden wurde. Schlie?lich lie? er sich in Augsburg nieder, nicht allzu weit von den Alpen und Zurich entfernt. Es war eine hubsche kleine Stadt, die an einer Handelsroute lag, was bedeutete, da? er die fur seine Arbeit benotigten Gewurze und Krauter von reisenden Kaufleuten erwerben konnte. Au?erdem war Augsburg ein gunstiger Ort, weil es ein bekanntes Zentrum der Hexerei war. Da jeder dort jeden der Zauberei verdachtigte, wurde Azzie kein unnotiges Mi?trauen erregen.
Er suchte den Burgermeister auf und schlo? einen langfristigen Mietvertrag fur das Chateau des Artes ab, ein Schlo? mit hohen Turmen am nordlichen Stadtrand. Dieses noble alte Anwesen, das auf den Ruinen einer romischen Villa errichtet worden war, in der zur Zeit des Romischen Imperiums ein Praetor residiert hatte, eignete sich wunderbar fur Azzies Zwecke. Der Keller war gro? genug, um ihm ausreichend Platz fur seine wachsende Sammlung an Korperteilen zu bieten. Au?erdem befand sich Azzie hier in der relativen Nahe von Zurich und Basel, so da? ein befriedigender Nachschub an zusatzlichen Materialien aus den medizinischen Zentren dieser Gegend gewahrleistet war.
Aber es war Sommer, und selbst seine Konservierungszauber stie?en an ihre Grenzen. Schlie?lich mu?te er auf andere Hilfsmittel zuruckgreifen.
Seit Urzeiten war bekannt, da? man organische Substanzen haltbar machen konnte, indem man sie in einen Bottich voller Jauche legte. Jauche war in der Tat ein Universalmittel, ein kostliches Getrank und ansonsten zum Wirken von Wundern zu verwenden.
Allerdings stellte es sich als schwierig heraus, ausreichende Mengen an Jauche zu beschaffen. Die Abteilung fur Ausrustung und Zubehor versuchte, jeden Tropfen fur sich zu behalten. Erst als Azzie Hermes Trismegistus bat, fur ihn zu intervenieren, gestand man ihm eine fur seine Zwecke ausreichende Menge zu. Und danach mu?te er Frike dann noch unter Androhung von gro?en Qualen und einem moglichen Tod ermahnen, sich nicht an den kostbaren Vorraten zu vergreifen.
Brustkorbe, Huften, Kniescheiben und Ellbogen waren problemlos zu besorgen. An Rippen und Schultern herrschte kein Mangel. Aber Azzie wollte die Vorgeschichte jedes einzelnen Korperteils erfahren, das er erwarb, und die entzog sich oft der Kenntnis seiner Geschaftspartner.
Wahrend die warme Jahreszeit das Laub dunkler werden und Sommerblumen bluhen lie?, wuchs seine Sammlung bestandig Stuck fur Stuck. Doch es waren die unwichtigeren Korperteile. Entscheidend waren die Kopfe, Gesichter und Hande, und die waren nur schwer erhaltlich.
So verging die Zeit, Sommergewitter tobten und grollten, und es schien, als wurde Azzie seinem Ziel nicht naher kommen. Er stellte ein menschliches Versuchsexemplar zusammen, das lallend umhertorkelte, bis er es schlie?lich wieder in den Aufbewahrungsbottich zuruckverfrachtete, ein erbarmlicher schwachsinniger Idiot. Offensichtlich war das Gehirn des Geschopfs zerfallen, bevor es hatte konserviert werden konnen. Azzie begann sich zu fragen, ob er sich nicht mit seinem Vorhaben ubernommen hatte.
Die hellen Sommertage aber lie?en den Stichtag am Jahresende eine Ewigkeit entfernt erscheinen, und Azzie beauftragte Handwerker mit Renovierungsarbeiten an seinem Schlo?. Er stellte Bauern aus den umliegenden Dorfern ein, die schnellwachsendes Getreide auf seinen Feldern anpflanzten. Diese alltaglichen Arbeiten bereiteten ihm eine merkwurdige Befriedigung, wahrend die Kopfjagd weiterging.
Das Chateau des Artes war ein gunstiger Ausgangspunkt fur Reisen nach Italien im Suden, Frankreich im Westen und Bohmen und Ungarn im Osten. Wahrend Azzie seine Tage damit zubrachte, die Aufgaben eines Hausherrn zu erledigen, schickte er Frike mit einem gro?en Schimmel und zwei Packpferden auf weite Reisen. Aber obwohl sein Gehilfe viele seltene und nutzliche Dinge auftrieb, schien eine Flaute an Kopfen zu herrschen. Kopfe…
Azzie erzahlte Estel Castelbracht, dem Burgermeister der Stadt, da? er mit verschiedenen Forschungsarbeiten beschaftigt ware, um Heilmittel gegen die Grippe, die Pest und das Dreitagesfieber zu finden, Krankheiten, die die Gegend seit den Zeiten des Romischen Reiches heimsuchten. Er erklarte, da? er seine Nachforschungen an menschlichem Fleisch mit Methoden durchfuhren mu?te, die er von den gro?en Alchemisten dieser Periode gelernt hatte. Der Burgermeister und das Volk glaubten ihm, denn Azzie machte den Eindruck eines freundlichen Zeitgenossen, der immer bereit war, die Kranken aus dem Umland zu behandeln, und das oft mit beachtlichem Erfolg.
Wahrend er das tat, machte er sich Gedanken uber die Requisiten, die er fur seine Auffuhrung des »Marchenprinzen« brauchen wurde. Er ubermittelte der Abteilung fur Ausrustung und Zubehor eine Liste der erforderlichen Dinge, aber die Antworten waren immer ziemlich vage formuliert und strotzten vor schwammigen Floskeln wie »falls noch vorhanden« oder »zur Zeit nicht vorratig, Nachlieferung demnachst erwartet«. Besonders argerlich war die Auskunft bezuglich seiner Anforderung zweier Schlosser, eins fur den Marchenprinzen, das andere fur Prinzessin Rosenrot. Die Verantwortlichen der Versorgungsabteilung, die sich uber eine Orakeleule mit ihm in Verbindung setzten, teilten ihm mit, da? sie im Augenblick nicht ein einziges Schlo? zur Verfugung hatten. Azzie stritt sich mit ihnen herum und erklarte ihnen, da? dieser Auftrag absoluten Vorrang hatte und vom Hohen Damonenrat personlich abgesegnet worden sei. »Ja«, lautete die Antwort, »alle Auftrage haben Vorrang, und wir tun alles, was in unseren Kraften steht…«
Azzie beschlo?, der Abteilung einen Besuch abzustatten, sich das Lager mit eigenen Augen anzusehen und vorsorglich alles beiseite zu schaffen, was er brauchen wurde, sobald er bereit war, seinen Prinzen und seine Prinzessin zusammenzusetzen. Ja, es wurde Zeit, den Limbus aufzusuchen, diese nur schwer zu erklarende Region, in der all die ubernaturlichen Ereignisse geboren wurden, die das Schicksal der Menschheit in die eine oder andere Richtung steuerten.
Und er wurde die Augen auf seiner Suche nach einem geeigneten Kopf offen halten…
KAPITEL 7
Azzie brach mit einem Gefuhl des Bedauerns auf. Er wu?te, da? er sich nicht derartige sentimentale Gefuhle wegen eines Stucks Land gestatten sollte, das ihm nur kurze Zeit gehoren wurde und auf dem er sich nur aufhielt, um eine bestimmte Aufgabe zu erfullen. Trotzdem, die ganze Arbeit am Anwesen und den Feldern… Er hatte noch