Kneipenschlagerei erschlagen.

Mirandas Herz war gebrochen, denn sie hatte den Maler wirklich geliebt. Chodlos’ Glaubiger raumten alle Mobel aus der Wohnung, nahmen samtliche Gemalde mit und warfen Miranda auf die Stra?e. Sie hatte kein Geld und wu?te nicht, wohin sie hatte gehen konnen. Um nicht zu verhungern, arbeitete sie schlie?lich in einem Bordell. Aber ihr Ungluck sollte noch nicht vorbei sein. Eines Nachts kam ein Verruckter in das Bordell. Niemand wei?, was sich zwischen ihm und Miranda abgespielt hat, aber bevor irgend jemand einschreiten konnte, hatte er ihr die Augen rausgerissen und ihr dann die Kehle durchgeschnitten.

Als sie davon erfuhren, kamen Mirandas Bruder Ansei, Chor und Hald in die Stadt, um Rache fur ihre Schwester zu nehmen. Der Verruckte war bereits tot, vom Mob in Stucke gerissen. Die Bruder fanden Phillipe in einer Kneipe, wo er mit einem neuen Liebchen trank. Sie legten ihn rucklings uber einen Tisch und erklarten ihm, da? er genauso sterben wurde, wie Miranda gestorben war. Dann rissen sie ihm die Augen heraus und schnitten ihm die Kehle durch. Das ist die Geschichte des Kopfs, den Ihr hier seht.«

»Es ist wirklich ein sehr hubscher Kopf«, stellte Azzie fest, hob ihn hoch und sah in die leeren Augenhohlen. »Was ich jetzt noch brauche, ist der dazu passende weibliche Kopf. Diese Miranda. Ein Verruckter hat sie getotet, was? Meister Albertus, wi?t Ihr, was mit ihrer Leiche geschehen ist? Und vor allen Dingen, was mit ihrem Kopf?«

»Leider habe ich keine Ahnung«, erwiderte Albertus.

»Ihr habt mir sehr geholfen«, sagte Azzie. »Nennt mir Euren Preis fur diesen Kopf.«

ERSTE ERFOLGE

KAPITEL 1

»Meister, seht Euch diesen hier an.«

Es war der vierte Kopf, den Frike in dieser Woche brachte. Dieser hatte einst einer dunkelgelockten Dame gehort und sah immer noch ziemlich hubsch aus – besonders falls es gelang, die Nase wieder zu richten, die von Wurmern zerfressen worden war.

»Nein, Frike, der ist nicht geeignet«, seufzte Azzie und wandte sich ab.

»Aber warum denn nicht, Herr? Sie ist perfekt!«

»Es gibt nur eine, die man als perfekt bezeichnen konnte.«

»Wer ist das, Herr?«

»Frike, die perfekte Partnerin fur unseren Marchenprinzen ware Miranda, das Madchen, das Phillipe verfuhrt hat.«

»Aber wir wissen nicht, wo sie ist!«

»Noch nicht.« Azzie stand auf und ging eine Weile ruhelos auf und ab. »Aber wir werden sie finden.«

»Der Kopf ist mittlerweile bestimmt schon verwest.«

»Das kann man nie wissen. Sollte ihr Gesicht durch irgendeinen glucklichen Umstand noch nicht zerstort sein, wird sie meine Prinzessin Rosenrot in der kleinen Posse werden, die ich inszeniere.«

»Aber Gebieter, wir haben keinen Anhaltspunkt, wo sich ihre Leiche befindet.«

»Wir werden unsere Suche in Civalle beginnen, wo sie gestorben ist. Wahrscheinlich hat man sie dort begraben.«

»Meister, das ist Zeitverschwendung. Euch bleibt ohnehin nicht mehr viel Zeit bis zum Wettkampf, und es gibt noch viel zu tun.«

»Sattle unsere Pferde, Frike. Was diese Dinge anbelangt, bin ich ein Kunstler. Ich brauche unbedingt Mirandas Kopf fur meine Prinzessin.«

»Sie hatte eine interessante Vergangenheit, Herr, aber warum mu? es unbedingt dieses bestimmte Madchen sein?«

»Begreifst du denn nicht, Frike? Es macht meinen Plan noch eleganter. Wir werden diese beiden Liebenden nach ihrem Tod wieder zusammenbringen. Naturlich werden ihre bewu?ten Erinnerungen ausgeloscht sein, aber etwas davon wird trotzdem bleiben. Etwas, das mir helfen wird, meine Geschichte vom Marchenprinzen und Prinzessin Rosenrot zu einem hubschen Ende zu bringen. Wir mussen Mirandas Leiche finden und hoffen, da? ihr Gesicht noch in einem guten Zustand ist. Geh und kummere dich um die Pferde.«

Nachdem Frike die Pferde gesattelt und gepackt hatte, machten sie sich auf den Weg nach Civalle in der Provence. Es war Ende Juni, und die Reise verlief problemlos und angenehm. Frike hatte gehofft, da? Azzie sie mit ubernaturlichen Mitteln befordern wurde, aber sein Herr und Gebieter meinte, da? der Aufwand zu gro? ware. Er mu?te mit seinen damonischen Kraften haushalten. Man konnte nie wissen, was einen erwartete.

Schlie?lich trafen sie in Civalle ein, einer hubschen sudlandischen Stadt in der Nahe von Nizza. Durch Albertus’ Beschreibung fiel es ihnen nicht schwer, das Bordell zu finden, in dem Miranda getotet worden war. Azzie sprach mit der Madam und erfuhr, das Mirandas Bruder die Leiche ihrer Schwester mitgenommen hatten, wohin, das wu?te niemand. Er entlohnte sie gro?zugig fur die Auskunft und erkundigte sich, ob vielleicht ein Kleidungsstuck des Madchens zuruckgeblieben sei. Die Madam fand ein altes Leibchen, das sie ihm fur zwei Goldsoldi verkaufte. Ob es wirklich Miranda gehort hatte, wu?te Azzie nicht mit Sicherheit – noch nicht.

»Was jetzt, Gebieter?« fragte Frike, nachdem sie das Bordell verlassen hatten.

»Das wirst du zu gegebener Zeit schon erfahren«, erwiderte Azzie.

Sie lie?en die Stadt hinter sich zuruck und ritten eine Weile durch den Wald. Dann schlugen sie ihr Lager auf und a?en kalte Fleischpastete und gekochten Lauch. Nach dem Essen entfachte Frike auf Azzies Anweisung hin ein Feuer. Als die Flammen hoch aufloderten, holte Azzie ein kleines Glasrohrchen aus der Truhe hervor, in der er sein magisches Zubehor aufbewahrte, und lie? einen einzelnen Tropfen einer dunklen Flussigkeit in das Feuer fallen.

Die Flammen loderten noch hoher, und Frike wich geduckt zuruck.

»Pa? auf!« befahl Azzie. »Das ist sehr lehrreich. Vielleicht hast du ja schon mal von den sagenhaften Jagdhunden der alten Gotter gehort. Heutzutage haben wir etwas Besseres.«

Als die Flammen wieder kleiner wurden, flogen drei gro?e Vogel uber das Lager und landeten neben Azzie. Es waren Raben mit kleinen tuckischen Augen.

»Ich hoffe, es geht euch gut«, wandte sich Azzie an sie.

»Wir konnen nicht klagen«, erwiderte einer der Raben.

»Ich mochte euch meinen Diener Frike vorstellen. Frike, das sind die Morrigan, ubernaturliche irische Vogel, und ihre Namen lauten Babd, Macha und Nemain.«

»Erfreut, eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Frike, der vorsorglich Abstand zu ihnen hielt, denn sie beaugten ihn durchdringend und abschatzend.

»Was konnen wir fur Eure Exzellenz tun?« fragte Macha.

Azzie zog Mirandas Kleidungsstuck hervor. »Spurt diese Frau auf«, verlangte er. »Diejenige, die das zuletzt getragen hat. Sie ist ubrigens tot.«

Babd schnupperte an den Stoff. »Das hattet Ihr uns nicht zu sagen brauchen«, stellte er fest.

»Ich hatte das Ausma? eurer Krafte vergessen. Fliegt, ihr Unvergleichlichen. Findet diese Frau fur mich!«

Nachdem die Raben davongeflogen waren, sagte Azzie zu Frike: »Wir wollen es uns bequem machen. Es konnte eine langere Zeit dauern, aber sie werden das Madchen finden.«

»Daran habe ich nie gezweifelt«, versicherte Frike.

Sie a?en mehr von der kalten Fleischpastete und dem Lauch, unterhielten sich uber das Wetter und stellten Vermutungen daruber an, in welcher Form die himmlischen Machte an dem Wettkampf teilnehmen wurden.

Der Tag zog sich dahin. Der blaue Himmel der Provence wolbte sich uber das Land wie eine Kuppel mit einem Stich ins Messingfarbene, die Licht und Hitze ausstrahlte. Sie a?en noch mehr Lauch.

Nach langer Zeit kehrte ein Rabe zuruck, der sich als Nemain zu erkennen gab. Er kreiste zweimal uber das Lager, bevor er sich auf Azzies ausgestrecktem Arm niederlie?.

»Was hast du erfahren?« wollte Azzie wissen.

Nemain legte den Kopf schief und erwiderte mit dunner Stimme: »Ich glaube, wir haben die gefunden, die Ihr sucht.«

»Wo ist sie?«

Die beiden anderen Raben flatterten herab. Einer hockte sich auf Azzies Kopf, der andere auf Frikes Schulter.

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