Eingangstur des gro?en Anwesens in Augsburg zuruckschob.

»Es ist wirklich schon«, bestatigte Azzie. »Brrr.« Er rieb sich die Klauen. »Ziemlich kalt, hier! Mach ein Feuer, sobald du die Korperteile verstaut hast.«

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer langen Verbundenheit mit der Hollenglut genie?en Damonen ein prasselndes Kaminfeuer.

»Ja, Meister. Wohin damit?«

»Naturlich ins Kellerlabor.«

Frike eilte hinaus und entlud den Karren. Er enthielt eine erkleckliche Anzahl an Korperteilen, die in verschiedene jauchegetrankte Stoffe eingewickelt waren, genug – falls Azzies Berechnungen stimmten – um zwei komplette Korper fertigzustellen, einen mannlichen und einen weiblichen, die fortan als der Marchenprinz und Prinzessin Rosenrot bekannt sein wurden.

Am nachsten Tag begann die Arbeit an den Korpern. Frike erwies sich als sehr geschickt im Umgang mit Nadel und Faden. Er flickte den Marchenprinzen so sauber zusammen, wie ein Schneider einen Anzug naht. Naturlich waren die Einstiche und Nahte zu sehen, aber Azzie beruhigte seinen Gehilfen. Mit ihrer Wiederbelebung wurden die Korper diese Stigmata ihrer Wiedergeburt verlieren.

Es wurden behagliche hausliche Abende. Azzie zog sich mit seinem Exemplar von Konig Salomons Geheimnisse in einen Winkel des Labors zuruck, ein Buch, das er schon immer hatte lesen wollen. Es war sehr angenehm, jetzt damit im Laboratorium mit seinen Geruchen nach Spiritus, Kerosin, Schwefel, Ammoniak und dem vielfaltigen alles uberlagernden Geruch von versengtem und verfaulendem Fleisch zu sitzen, hin und wieder den Blick von dem auf seinen Knien aufgeschlagen liegenden Buch zu heben und dem alten Frike zuzusehen, der mit einer winzigen Stahlnadel uber seine Arbeit gebuckt dasa?. Das Licht einer niedrig angebrachten Lampe warf seinen monstrosen buckligen Schatten an eine Wand.

Die Nadel war von den Ruud fur ihn geschmiedet worden, den kleinsten und klugsten Zwergen Mitteleuropas. Der Faden bestand aus der feinsten taporbaneischen Seide, so hauchdunn und durchsichtig, da? es schien, als wurden sich die klaffenden Wunden zwischen beispielsweise einem Arm und einer Schulter wie durch eine fleischliche Form von Magnetismus oder Magie schlie?en. Aber in diesem Fall war Frikes winzige Nadel die einzige Magie, die ihre sauberlichen kleinen Stiche machte und Stuck fur Stuck einen vollstandigen Menschen aus dem Stapel der Korperteile zusammenfugte, die ordentlich zu seiner Linken auf einer Lage Gletschereis aufgeschichtet waren.

Frike war ein gewissenhafter Arbeiter, aber er mu?te beaufsichtigt werden. Mehr als einmal brachte er dort, wo Arme hingehorten, Beine an, entweder auf Grund von Kurzsichtigkeit oder aus einem perversen Sinn fur Humor. Als er jedoch den Kopf des Marchenprinzen auf den Oberkorper der Prinzessin zu nahen begann, fand Azzie, da? sein Diener endgultig die Grenzen uberschritten hatte.

»La? den Unfug«, herrschte er ihn an, »sonst sorge ich dafur, da? du in einer Hollengrube landest, wo du ein paar Jahrhunderte lang Kies zu Felsbrocken zusammenbacken kannst, bis dir der Spa? vergeht und du Disziplin lernst.«

»Entschuldigt, Gebieter«, sagte Frike und arbeitete danach sehr sorgfaltig und genau.

So nahmen die Korper allmahlich Gestalt an. Abgesehen von der ungelosten Frage der richtigen Augen, blieb nur das Problem der nicht zueinanderpassenden Hande von Prinzessin Rosenrot. Die unterschiedlichen Gro?en der Hande waren nicht so gravierend, aber eine war gelb, die andere wei?, und das konnte nicht geduldet werden. Azzie warf die gelbe Hand weg und unternahm einen kurzen Abstecher zum medizinischen Zentrum in Schnachtsburg. In einem Geschaft, das auf nekrophile Andenken spezialisiert war, fand er glucklicherweise die Hand einer Taschendiebin fur seine Prinzessin.

Kurz nach seiner Ruckkehr erhielt er Nachricht von der Abteilung fur Zubehor und Ausrustung, da? sein Schlo? an die von ihm angegebenen Koordinaten ausgeliefert werden konnte. Azzie brach sofort auf und flog uber die Alpen zur ungarischen Ebene. Das Land breitete sich in uppigem Grun vor ihm aus. Er fand die Stelle, die er ausgesucht hatte. Sie war unverkennbar durch einen Hain hoher purpurfarbener Baume, die gerade bluhten und aussterben wurden, bevor die moderne Wissenschaft Gelegenheit finden konnte, sie als anormal einzustufen. Merioneth wartete dort auf ihn, ein ha?licher Damon mit randloser Brille von der Abteilung fur Ausrustung und Zubehor, der eine geglattete und mit Messingklammern versehene Holztafel in der Hand hielt – den Vorganger des spater allgegenwartigen Klemmbretts.

»Sind Sie Azzie Elbub?« fragte er.

»Selbstverstandlich«, erwiderte Azzie. »Warum sollte ich sonst hier sein?«

»Sie konnten Ihre Grunde haben. Besitzen Sie irgendeinen Ausweis?«

Azzie zeigte ihm seine Schwarze Kreditkarte, in die sein Name eingraviert war.

»Sie hat kein Foto«, bemangelte Merioneth, »aber ich werde sie trotzdem akzeptieren. In Ordnung, wo soll das Schlo? aufgestellt werden?«

Azzie sah sich um. Er hatte sich eine huglige Landschaft ausgesucht, die er jetzt kritisch beaugte.

»Ich mochte es genau dort druben haben«, entschied er.

»Auf dieser ebenen Stelle?«

»Richtig. Aber vorher mussen Sie dort noch einen Berg aus Glas errichten.«

»Wie, bitte?« fragte Merioneth.

»Ich mochte einen glasernen Berg. Das verzauberte Schlo? mu? auf seinem Gipfel stehen.«

»Sie mochten Ihr Schlo? auf der Spitze eines glasernen Berges?«

»Naturlich. Verzauberte Schlosser stehen immer dort.«

»Gewohnlich, vielleicht sogar in der Regel, aber nicht immer. Ich konnte Ihnen mehrere traditionelle Geschichten…«

»Dieses Schlo? wird auf einem glasernen Berg stehen«, beharrte Azzie.

Merioneth nahm seinen Zwicker ab, polierte ihn an seinem grauen Pelz und setzte ihn wieder auf. Er offnete seine Aktentasche. Sie war aus dunkel gebraunter Menschenhaut gefertigt, und ihre Verschlusse bestanden aus vergilbten Zahnen. Azzie betrachtete sie voller Bewunderung und beschlo?, sich ebenfalls so eine Tasche zu besorgen, sobald er die Zeit dazu fand. Merioneth kramte in den Papieren herum, fischte schlie?lich ein Blatt hervor und las es mit geschurzten Lippen.

»Das ist Ihre ursprungliche Bestellung«, sagte er. »Hier steht nichts uber einen Berg.«

Azzie trat zu ihm und uberflog die Auftragsbestatigung. »Hier steht, da? Sie die ubliche Umgebung zur Verfugung stellen werden.«

»Die ubliche Umgebung beinhaltet keinen Glasberg. Wie ware es mit einem schon existierenden Berg?«

»Er mu? aus Glas sein«, verlangte Azzie. »Soweit ich wei?, gibt es keine naturlichen Glasberge.«

»Warum nehmen Sie nicht statt dessen einen erloschenen Vulkan?« schlug Merioneth vor. »Mit jeder Menge Obsidian?«

»Das wird nicht funktionieren«, widersprach Azzie. »Glaserne Berge sind ein Bestandteil der Uberlieferung, seit die Menschen angefangen haben, ihre Geschichten zu erzahlen. Sie haben doch bestimmt irgendwo einen in Ihrem Fundus.«

Merioneth schurzte wieder die Lippen und setzte einen skeptischen Geschichtsausdruck auf. »Vielleicht haben wir einen, vielleicht aber auch nicht. Der springende Punkt ist, er steht nicht auf der Bestellung.«

»Konnen wir ihn nicht nachtraglich eintragen?«

»Nein, das ist zu spat.«

»Konnten wir die Sache nicht irgendwie gutlich regeln?« hakte Azzie nach.

»Was meinen Sie damit?«

»Ich bin bereit, die zusatzlichen Kosten aus eigener Tasche zu bezahlen. Kann ich meine Kreditkarte damit belasten?«

Merioneth zuckte die Achseln. »Das ist nicht der Punkt. Das Problem ist, da? der Auftrag bereits ausgefullt und unterschrieben worden ist.«

Azzie sah sich das Formular an. Er deutete auf eine bestimmte Stelle. »Sie konnten den Zusatz dort eintragen, direkt uber die Unterschrift. ›Ein glaserner Berg und ein verzauberter Wald.‹«

»Sollten meine Vorgesetzten irgendwann davon Wind bekommen…«

»Und ich wurde Sie fur Ihre Unannehmlichkeiten entschadigen«, bot Azzie an. Er griff in eine Innentasche seines Mantels und zog eine kleine Mappe daraus hervor, in der er seine Wertgegenstande aufbewahrte. In der Mappe steckte ein Wildlederbeutel mit den Edelsteinen, die Rognir in ihn investiert hatte. Er nahm eine Handvoll

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