Raume verschwinden.«
»Ich nehme an, mir bleibt nichts anderes ubrig«, sagte Azzie. »Oder ich konnte einem von ihnen mein Chateau zur Verfugung stellen. Wie schnell konnen Sie es liefern?«
»Heh, fur Sie kummere ich mich auf der Stelle darum«, erwiderte der Schreibtischdamon in einem Tonfall, der Azzie verriet, da? er es erst bekommen wurde, wenn es in der Holle schneite. Er klopfte auf seine Schwarze Kreditkarte. »TU, WAS ER VERLANGT!« blitzte die Karte auf. »KEINE SPIELEREIEN!«
»In Ordnung«, sagte der Angestellte. »Ich habe nur Spa? gemacht. Wohin wollen Sie das Schlo? geliefert haben?«
»Kennen Sie eine Gegend auf der Erde, die Transsylvanien hei?t?«
»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Ich werde es herausfinden.«
»Ah, wissen Sie vielleicht zufallig, wo ich einen guten Kopf auftreiben konnte?« fragte Azzie. »Menschlich? Mannlich?«
Der Angestellte lachte lediglich.
So kam es, da? Azzie die Abteilung fur Ausrustung und Zubehor verlie? und auf die Erde zuruckkehrte, wo inzwischen fast eine Woche verstrichen war. Er begab sich ins Chateau des Artes und stellte gereizt fest, da? er Frike nirgendwo finden konnte. Also bestieg er sein Pferd und beschlo?, nach Augsburg zu reiten, um Frike zu suchen.
Er sturmte in die Amtstube von Estel Castelbracht und erkundigte sich ohne Umschweife, ob der Burgermeister seinen Gehilfen gesehen hatte. Ein diplomatisches Auftreten schien ihm unangebracht.
»Ich habe ihn tatsachlich gesehen«, bestatigte Castelbracht. »Er ist die Stra?e entlanggeeilt und hat das Haus von Dr. Albertus dort druben betreten. Ich habe gehort, wie er irgend etwas von einem Kopf vor sich hingemurmelt hat…«
»Vielen Dank«, sagte Azzie und schob dem Mann Geld zu, wie es seine Gewohnheit im Umgang mit offiziellen Amtstragern war, wann immer er es sich leisten konnte.
KAPITEL 8
Das Haus des Doktors lag am Ende eines schmalen Weges, der zur Stadtmauer fuhrte. Es stand allein da, ein hohes altes Gebaude. Das Erdgeschoss war aus Stein gemauert, die oberen Stockwerke bestanden aus verkleidetem Holz. Azzie stieg die Eingangsstufen hinauf und betatigte den gro?en Bronzeklopfer.
»Wer klopft da?« erklang eine Stimme von drinnen.
»Jemand, der eine Auskunft wunscht«, erwiderte Azzie.
Die Tur wurde von einem alteren wei?haarigen Herrn geoffnet, der eine schone romische Toga trug, obwohl diese Kleidung seit einigen hundert Jahren au?er Mode war. Er war gro? und gebeugt und stutzte sich auf einen langen Stock.
»Lord Azzie, wie ich vermute«, sagte der alte Herr.
»Richtig«, bestatigte Azzie. »Man hat mir gesagt, da? ich hier meinen Diener Frike finden konnte.«
»Ah, naturlich, Frike«, antwortete der alte Herr. »Wollt Ihr nicht eintreten, Herr? Ubrigens, ich bin Meister Albertus.«
Er fuhrte seinen Besucher durch dustere Raume, an einem unordentlichen Wohnzimmer und einer schmutzigen Kuche mit Waschnische vorbei in ein behagliches kleines Studierzimmer im hinteren Bereich des Hauses.
Frike stand vor dem Kamin am anderen Ende des Raums. Er lachelte, als er Azzie eintreten sah.
»Frike!« rief Azzie. »Ich dachte schon, du hattest mich im Stich gelassen.«
»Nein, Gebieter«, sagte Frike, »das wurde mir nicht im Traum einfallen. Aber wahrend Eurer Abwesenheit bin ich in die Dorfschenke gegangen, um Gesellschaft zu haben und mich an dem kraftigen Rotwein zu laben, der fur die wilde Tapferkeit der Menschen in dieser Gegend verantwortlich ist. Dort habe ich dann diesen ehrenwerten Herrn getroffen, Messer Albertus, der mein alter Meister wahrend meiner Lehrzeit damals in Salerno war.«
»So ist es«, bekraftigte Messer Albertus augenzwinkernd. »Ich kenne diesen Schurken sehr gut, Lord Azzie. Es hat mich au?erordentlich gefreut zu horen, da? er das Gluck hatte, in Eure Dienste treten zu konnen. Ich habe ihn in mein Haus gebracht, um ihm meine Unterstutzung in der Angelegenheit anzubieten, in der er Euch hilft.«
»Von welcher Hilfe genau sprecht Ihr?« wollte Azzie wissen.
»Nun, Herr, wie es scheint, benotigt Ihr ein paar erstklassige Korperteile. Und zufallig habe ich eine besondere Auswahl davon in meinem Laboratorium.«
»Seid Ihr Arzt?« fragte Azzie.
Albertus schuttelte das wei?haarige Haupt. »Ich bin Alchemist, Herr, und in meinem Beruf ist der Besitz von Korperteilen oft sehr nutzlich. Wenn Ihr mir bitte folgen wollt…«
Azzie schlo? sich dem alteren Mann an, dicht gefolgt von Frike. Sie gingen durch einen Flur zu einer verriegelten Tur. Albertus schlo? sie mit einem Schlussel auf, der an einem Band um seinen Hals hing. Hinter der Tur fuhrte eine steinerne Wendeltreppe zu einem gut eingerichteten alchemistischen Labor im Keller. Dort zundete Albertus eine alte Ollampe an. In ihrem Schein erblickte Azzie mehrere Tische, die mit Destillierkolben und Glasbehaltern ubersat waren, und einen Plan mit den Chakrapunkten aus Indien an einer Wand. Auf Bucherregalen, die sich uber eine Seite des Raums zogen, lagen mumifizierte menschliche Korperteile in allen Gro?en.
»Ein schones Labor«, lobte Azzie. »Mein Kompliment, Doktor! Aber diese Exemplare sind sehr alt. Sie mogen einen antiquarischen Wert besitzen, aber fur mich sind sie uninteressant.«
»Das sind nur ein paar uberschussige Teile«, erklarte Albertus. »Aber seht her, was ich hier habe.«
Er ging zu einem kleinen Bottich, der auf einem Nebentisch stand, und zog einen menschlichen Kopf daraus hervor. Das Gesicht gehorte einem jungen Mann. Es war totenbleich, aber noch immer attraktiv, obwohl dort, wo einst die Augen gesessen hatten, jetzt nur noch rotliche Locher gahnten.
»Wie ist er gestorben?« fragte Azzie. »Und was ist mit seinen Augen passiert?«
»Er hatte das Pech, sie zu verlieren, Herr.«
»Vor oder nach seinem Tod?«
»Vor seinem Tod, aber nur kurz davor.«
»Erzahlen Sie mir davon.«
»Mit Vergnugen«, sagte Albertus. »Der Name des Burschen war Phillipe, und er lebte in einem Dorf nicht weit entfernt von hier. Er sah wirklich sehr gut aus. Viel besser, als es irgendeinem jungen Mann zusteht. Eines Tages erblickte er Miranda, die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns aus dieser Gegend. Sie war damals gerade funfzehn Jahre alt und so wunderschon wie die Morgendammerung uber den Bergen. Zart und unbefleckt war sie, und sie hatte sich vorgenommen, ihr Leben in au?erster Reinheit zu verbringen und nur Gutes zu tun.
Nachdem er sie gesehen hatte, entflammte Phillipe in Leidenschaft fur sie, und obwohl man behauptet, da? er ein rechter Feigling war, beschlo? er doch, sie zu erobern. Eines Tages kletterte er uber die Mauer, die das Haus ihres Vaters umgab, ging in den Raum, wo sie Butter machte, und sprach sie an. Miranda war vollig abgeschieden aufgewachsen und hatte noch nie einen Mann wie ihn gesehen. Jeder im Haushalt ihres Vaters war alt, abgesehen von ihren drei Brudern, und die waren fort und kampften in dem einen oder anderen Krieg.
Phillipe betorte sie mit su?en Worten und herzzerrei?enden Erzahlungen uber seinen eigenen Leidensweg. Miranda hatte ein weiches Herz und war tief bewegt, als sie von ihm erfuhr, da? er krank sei und nicht mehr lange leben wurde.
Eine Luge, wie Phillipe damals glaubte, aber sie sollte sich schon bald als Prophezeiung erweisen! Er tauschte einen Schwacheanfall vor, und sie lie? zu, da? er einen Arm um sie legte, um sich festzuhalten. Sie beruhrten sich, und so kam eins zum anderen.
Es ist die altbekannte Geschichte. Um es kurz zu machen, er verfuhrte sie, und sie lief mit ihm fort, denn er schwor ihr, fur sie zu sorgen. Doch als sie in die erste gro?ere Stadt kamen, nach Civalle in der Provence, lie? er sie sitzen und ging seiner eigenen Wege.
Auf sich allein gestellt, machte Miranda eine furchtbare Zeit durch, bis sie dem Maler Chodlos Modell stand. Ein paar Monate lang lebte sie als seine Gefahrtin mit ihm zusammen, und beide schienen recht glucklich zu sein. Chodlos war ein Bar von einem Mann, aber trotz seiner Gro?e nicht sonderlich stark. Er war immer frohlich, wenn auch etwas zu trinkfreudig. Bei seiner beruhmten Magdalene hatte ihm Miranda Modell gestanden. Er hatte ein wirklich gro?artiger Kunstler werden konnen, doch noch bevor das Jahr voruber war, war er tot, bei einer