Ansei und seine Bruder berieten sich flusternd. Dann kam Ansei zuruck. »Meine Bruder meinen, ich soll dir sagen, da? wir einen Beschworungsgesang kennen, mit dem wir dir das Leben ziemlich schwer machen konnen.«
»Ach, wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Also dann, nur zu.«
Die drei Bruder begannen zu singen.
»Entschuldigt, Jungs«, unterbrach Azzie, »aber ich furchte, ihr macht einen Fehler bei einigen Wortern. Es sollte fan
»Komm schon«, beharrte Ansei. »Gewahr uns ein paar Wunsche. Was bedeutet das schon fur dich?«
»Ich wei?, ihr glaubt, Damonen hatten alle moglichen besonderen Fahigkeiten«, sagte Azzie. »Aber das hei?t nicht, da? wir sie auch anwenden mussen.«
»Was, wenn wir dich nicht freilassen? Wie wurde es dir gefallen, jahrelang in einer Flasche zu schmoren?«
Azzie lachelte. »Habt ihr euch jemals uberlegt, was passiert, wenn ein Damon und die Leute, die ihn gefangen haben, sich nicht auf eine Gegenleistung fur seine Freilassung einigen konnen? Daruber berichten die alten Geschichten nichts, stimmt’s? Denkt jetzt mal vernunftig nach. Glaubt ihr etwa, ich hatte keine Freunde? Fruher oder spater werden sie mich vermissen und nach mir suchen. Wenn sie mich hier als euren Gefangenen finden… nun, vielleicht konnt ihr euch vorstellen, was sie dann tun wurden.«
Ansei dachte daruber nach, und das Ergebnis seiner Uberlegungen gefiel ihm ganz und gar nicht. »Warum sollten sie uns irgend etwas antun?« fragte er. »Nach den Regeln der Magie haben wir das Recht, Damonen zu fangen. Wir haben dich ganz legal und ehrlich erwischt.«
Azzie lachte. Es war ein furchtbares Gerausch, das er fur solche Situationen geubt hatte.
»Was wi?t ihr armen Trottel denn schon von den Regeln der Magie oder den Gesetzen, die den Umgang mit gefangenen ubernaturlichen Geschopfen regeln? Es ware besser, wenn ihr euch nur auf menschliche Geschafte beschrankt. Sobald ihr euch einmal auf ubernaturliches Terrain begeben habt, konnt ihr euch nie sicher sein, was als nachstes passieren wird.«
Mittlerweile zitterte Ansei, und seine Bruder machten den Eindruck, als wurden sie jeden Moment turmen. »Gro?er Damon, ich wollte Euch nicht erzurnen«, versicherte er. »Es ist nur so, da? Dr. Parvenu uns gesagt hat, da? es ganz einfach ware. Was wollt Ihr von uns?«
»Offnet die Flasche«, verlangte Azzie.
Ansei und seine Bruder entfernten den Korken. Azzie schlupfte heraus und machte sich so gro?, da? er Ansei, den gro?ten der drei, um einen halben Meter uberragte.
»Also dann, meine Kinder«, sagte Azzie. »Was ihr zuerst uber den Umgang mit ubernaturlichen Kreaturen lernen mu?t – im Gegensatz zu den gangigen Uberlieferungen – ist, da? sie euch immer hereinlegen werden. Versucht also nie, sie zu uberlisten oder zu betrugen. Fuhrt euch zum Beispiel vor Augen, wie ihr mich aus der Flasche herausgelassen habt, als ich vollig hilflos war.«
Die Bruder wechselten einen Blick.
»Ihr meint, wir hatten Euch tatsachlich in unserer Gewalt?« erkundigte sich Ansei nach einer Weile.
»Das ist vollkommen richtig«, bestatigte Azzie.
»Ihr seid unser hilfloser Gefangener gewesen?«
»Genau.«
»Er hat uns reingelegt«, stellte einer der Bruder fest und nickte langsam.
Die drei wechselten erneut einen Blick.
Schlie?lich rausperte sich Ansei. »Wi?t Ihr, gro?er Damon, bei Eurer derzeitigen Gro?e sehe ich keine Moglichkeit, Euch wieder in die Flasche zu stecken. Ich wage sogar die Behauptung, Exzellenz, da? Ihr nicht einmal selbst in sie hineingelangen konntet, auch wenn Ihr es wolltet.«
»Aber du mochtest, da? ich es versuche, nicht wahr?«
»Ganz und gar nicht«, beeilte sich Ansei zu versichern. »Wir stehen Euch vollig zu Diensten. Ich wollte nur, Ihr wurdet mir zeigen, da? Ihr es wieder tun konnt.«
»Angenommen, ich zeige es dir, wurdest du mich dann nicht betrugen und den Korken wieder festklopfen?«
»Nein, Herr, naturlich nicht.«
»Wurdest du darauf schworen?«
»Bei meiner unsterblichen Seele«, beteuerte Ansei.
»Und die anderen?«
»Wir schworen ebenfalls«, erwiderten Chor und Hald.
»Also gut«, sagte Azzie. »Dann pa?t genau auf.« Er schlupfte in die Flasche und wand sich, bis er genau in sie hineinpa?te. Sobald er in ihr verschwunden war, druckten die Bruder den Korken wieder in den Flaschenhals.
Azzie sah sie durch das Glas an. »In Ordnung, la?t jetzt den Unfug und offnet die Flasche wieder!«
Die Bruder kicherten. Ansei winkte ihnen zu, worauf Chor und Hald eine Steinfliese vorn Boden hoben, unter der ein gemauerter Brunnen zum Vorschein kam. Aus der Tiefe drang das Platschern von Wasser herauf.
»Hor zu, Damon«, verkundete Ansei. »Wir werden dich zusammen mit der Flasche in den Brunnen sto?en, ihn wieder zudecken und einen Totenschadel mit gekreuzten Knochen darauf malen, damit die Leute glauben, da? er vergiftet ist. Sollen deine Freunde doch versuchen, dich dann noch zu finden.«
»Ihr habt euer Wort gebrochen«, stellte Azzie fest.
»Na und? Es gibt nicht viel, was du deswegen unternehmen kannst.«
»Alles, was ich tun kann«, sagte Azzie, »ist, euch eine Geschichte zu erzahlen.«
»Komm schon, la? uns hier abhauen«, drangten die beiden anderen Bruder.
»Nein, la?t uns zuerst anhoren, was er zu sagen hat«, entgegnete Ansei. »Dann konnen wir ihn auslachen, bevor wir verschwinden.«
»Flaschen zur Aufbewahrung von Damonen sind schon seit mehreren tausend Jahren in Gebrauch«, begann Azzie. »Die erste Flasche, die jemals gemacht wurde – ubrigens von einem Chinesen –, wurde eigens zu dem Zweck angefertigt, einen von uns zu fangen. Die alten Assyrer und Hethiter haben ihre Damonen in Tonkrugen eingesperrt. Einige afrikanische Stamme haben uns in eng geflochtenen Korben gehalten. Das alles ist uns bekannt, und wir wissen, wie sich die Methoden, uns zu fangen, von Land zu Land unterscheiden. In Europa haben alle Damonen dies hier dabei.«
Er hob eine Hand. An seinem Zeigefinger – oder seiner Zeigeklaue – glitzerte ein funkelnder Diamant.
»Und damit machen wir das.« Azzie druckte die Spitze des Diamanten gegen das grune Glas, vollfuhrte eine kreisformige Bewegung mit dem Arm und druckte gegen das Segment. Das runde Glasstuck fiel nach au?en. Azzie trat durch die so entstandene Offnung.
»Wir haben nur Spa? gemacht«, behauptete Ansei, dessen Gesicht eine erstarrte Maske der Angst war. »Stimmt’s, Jungs?«
»Naturlich«, versicherten Chor und Hald. Beide grinsten von einem Ohr zum anderen, und von ihren kaum vorhandenen Stirnen perlte der Schwei?.
»Dann wird euch
»Silenus«, wandte sich Azzie an ihn. »Verbuchen Sie diese drei auf mein Konto und nehmen Sie sie mit. Sie haben sich selbst verdammt.«
Silenus nickte und vollfuhrte eine Handbewegung, worauf die drei Bruder verschwanden. Kurz darauf verschwand er ebenfalls.
Wie Azzie spater Frike gegenuber bemerkte, war es ihm noch nie so leicht gefallen, drei Seelen dabei behilflich zu sein, sich selbst zu verdammen, und das praktisch ohne Druck von seiner Seite.
KAPITEL 3
»O Gebieter, es tut so gut, wieder nach Hause zu kommen!« sagte Frike, als er den Riegel an der