anzupassen.

Frike sah zu, wie Azzie die hebraischen Zeichen der Macht aufmalte und dann die Kerzen anzundete.

»Ylith!« intonierte Azzie, verschrankte die Klauen und knickte auf eine Art in den Knien ein, deren Anblick Frike weh tat. »Komm zu mir, Ylith!«

Der Diener registrierte eine Bewegung im Zentrum des Pentagramms. Von den Kerzen ringelte sich farbiger Rauch empor. Die Rauchfaden tanzten auf und nieder, vereinigten sich, spruhten helle Funken und nahmen schlie?lich eine feste Gestalt an.

»Ylith!« rief Azzie.

Aber es war nicht Ylith. Das Geschopf im Pentagramm war zwar eine Frau, aber damit endete auch schon jede Ahnlichkeit mit der Ylith, an die sich Azzie erinnerte. Diese Person war ein kleines stammiges Weib mit orangefarbenem Haar und einer Hakennase. Die Frau verschrankte die Arme vor der Brust und starrte ihn finster an.

»Was willst du?« fragte sie unfreundlich. »Ich wollte gerade eine Hexenversammlung besuchen, als du mich beschworen hast. Ware ich nicht davon uberrascht worden, hatte ich deinen Zauberspruch abgeblockt, den du ohnehin falsch gewirkt hast.«

»Du bist nicht Ylith, oder?« vergewisserte sich Azzie.

»Ich bin Mylith«, entgegnete die Hexe.

»Aus Athen?«

»Kopenhagen.«

»Es tut mir schrecklich leid«, versicherte Azzie. »Ich wollte Ylith aus Athen herbeirufen. Der Geistaustausch mu? die Dinge durcheinandergebracht haben.«

Mylith rumpfte abfallig die Nase, wischte eins von Azzies hebraischen Zeichen weg und malte ein neues an seiner Stelle. »Du hattest den falschen Wert. Wenn das jetzt alles war…«

»Es ware mir ein Vergnugen, dich wieder zuruck nach Hause zu schicken«, sagte Azzie.

»Das mache ich lieber selbst«, wehrte Mylith ab. »Wer wei?, wohin mich dein Zauber schicken wurde!«

Sie vollfuhrte eine Geste mit beiden Handen und verschwand.

»Das war au?erst peinlich«, stellte Azzie fest.

»Ich fand es erstaunlich, da? Ihr uberhaupt etwas herbeibeschworen konntet«, meinte Frike. »Mein letzter Meister, der Damon Throdeus, konnte samstags uberhaupt nichts beschworen.«

»Und woran hat das deiner Meinung nach gelegen?« wollte Azzie wissen.

»Bevor er ein Damon geworden ist, war er ein orthodoxer Rabbiner«, erklarte Frike.

Azzie begann mit der nachsten Beschworung. Wieder kringelten sich farbige Rauchfaden im Zentrum des Pentagramms. Doch als sie sich diesmal verfestigten, stand dort statt der orangehaarigen, ha?lichen kleinen Hexe eine attraktive, schwarzhaarige gro?e Frau in einem kurzen seidenen Nachtgewand.

»Ylith!« rief Azzie.

»Wer ist da?« fragte die Hexe und rieb sich die Augen. »Azzie? Bist du es wirklich? Mein Lieber, du hattest mir vorher einen Boten schicken sollen. Ich habe geschlafen.«

»Ist das ein Nachtgewand?« erkundigte sich Azzie, denn er konnte ihre schweren wohlgeformten Bruste durch den pfirsichfarbenen dunnen Stoff erkennen und auch einen Blick auf ihren rosigen Po erhaschen, als er sie umkreiste.

»Kurze Nachtgewander sind der letzte Schrei in Byzanz«, erklarte Ylith. »Ich glaube allerdings nicht, da? sie sich in Europa durchsetzen werden. Jedenfalls nicht in nachster Zeit.« Sie trat aus dem Pentagramm heraus. »Es ist schon, dich wiederzusehen, Azzie, aber ich brauche wirklich etwas zum Anziehen.«

»Ich habe dich schon mit weniger am Leib gesehen«, sagte Azzie.

»Ich wei?, aber das ist keine von diesen Gelegenheiten. Au?erdem starrt mich dein tolpelhafter Diener an! Ich brauche eine Garderobe, Azzie!«

»Und die wirst du auch bekommen!« rief Azzie. »Frike!«

»Ja, Meister?«

»Stell dich in das Pentagramm.«

»Gebieter, ich denke, da? ich wirklich nicht…«

»Du sollst nicht denken. Tu einfach, was ich dir sage.«

Murrend hinkte Frike ins Zentrum des Pentagramms.

»Ich schicke dich nach Athen. Sammle so viele Kleidungsstucke wie moglich von dieser Dame zusammen. In ein paar Minuten hole ich dich wieder zuruck.«

»Da ist ein dunkelblaues Kleid mit Pelzkragen im Ankleidezimmer«, warf Ylith ein. »Das mit den dreiviertellangen Armeln. Achte bitte darauf, da? du das mitbringst. Und in dem kleinen Schrankchen neben der Kuche…«

»Ylith!« unterbrach Azzie ihren Wortschwall. »Wir konnen spater mehr Kleidung besorgen, falls es notig werden sollte. Im Augenblick habe ich es ziemlich eilig.«

Er hob die Hande und intonierte einen Zauberspruch. Frike verschwand mitten in einem gemurmelten Protest.

»Schon, jetzt sind wir allein«, sagte Ylith. »Azzie, warum hast du mich nicht schon fruher gerufen? Es mu? Jahrhunderte her sein, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben!«

»Ich war in der Grube«, erklarte er. »Da habe ich vollig das Zeitgefuhl verloren.«

Er geleitete sie zu dem gro?en Sofa, das vor dem Kamin stand und brachte ihr Wein und einen Teller mit kleinen Kuchen, die sie mochte, wie er sich erinnerte. Sie lie?en sich auf dem Sofa nieder, und Azzie wandte einen kleineren Zauber an, mit dem er zur Zeit beliebte Melodien erklingen lie?. Dann blickte er ihr tief in die Augen.

»Ylith«, sagte er, »ich habe ein Problem.«

»Erzahl mir davon«, forderte sie ihn auf.

Das tat er, und er war so tief in seinen Ausfuhrungen versunken, da? er Frike mehrere Stunden lang verga?. Als er ihn schlie?lich zuruckholte, dammerte bereits der Morgen, und sein Diener tauchte gahnend auf, uber und uber mit Frauenkleidern behangen.

KAPITEL 5

Azzie fuhrte Ylith in das Laboratorium, wo der Marchenprinz und Prinzessin Rosenrot, mittlerweile vollkommen hergestellt, Seite an Seite auf Marmortafeln lagen. Azzie hatte Leinentischdecken uber sie ausgebreitet, da er festgestellt hatte, da? leichtbekleidete Menschen besser als gar nicht bekleidete aussahen.

»Sie geben ein hubsches Paar ab, nicht wahr?« fragte er.

Ylith seufzte. Ihr langliches, ausdrucksstarkes Gesicht war einen Moment lang wunderschon, im nachsten wieder finster. Azzie versuchte, seine Wahrnehmung so einzustellen, da? er nur ihre schone Seite sah, aber das war ziemlich schwer, denn Hexen besitzen einen verborgenen Gesichtszyklus. Seit langem schon empfand Azzie zwiespaltige Gefuhle fur Ylith. Manchmal glaubte er, sie zu lieben, manchmal ha?te er sie. Manchmal hatte er versucht, das Problem durch einen Frontalangriff zu losen, dann wieder hatte er es vorgezogen, es zu verdrangen, indem er sich einfacheren Problemen zugewandt hatte, zum Beispiel der Frage, wie er am bestes Boses tun und die allgemeine Schlechtigkeit der Welt noch vergro?ern konnte. Manchmal – und das war meistens der Fall – wu?te er nicht, was er tun sollte. Er liebte Ylith, auch wenn er sie nicht immer mochte. Aber gleichzeitig war sie seine beste Freundin, und wenn er ein Problem hatte, wandte er sich damit an sie.

»Sie sind wirklich niedlich«, stimmte Ylith ihm zu, »von den fehlenden Augen einmal abgesehen. Aber das wei?t du selbst.«

»Aus diesem Grund habe ich sie dir gezeigt«, erklarte Azzie. »Ich habe dir bereits erzahlt, da? ich sie in den Jahrtausendwettkampf schicken werde. Sie werden die Geschichte vom Marchenprinzen ganz allein spielen, ohne Druck von meiner Seite, indem sie sich des beruhmten freien Willens bedienen, den angeblich alle intelligenten Geschopfe besitzen. Und sie werden die falschen Schlusse treffen und sich fur alle Ewigkeit selbst verdammen. Aber ich brauche Augen fur sie, allerdings nicht irgendwelche, sondern ganz besondere Augen. Verzauberte Augen. Ich brauche sie, um der Geschichte eine besondere Note zu verleihen – diese Marchenatmosphare, wenn du wei?t, was ich meine.«

»Ich verstehe dich nur zu gut, mein Schatz«, erwiderte Ylith. »Und du mochtest, da? ich dir helfe? Oh, Azzie, was bist du nur fur ein Kind! Was hat dich denn auf die Idee gebracht, da? ich Augen fur dich suchen

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