und leicht zu beeindruk-ken. Seinen Berichten entnehmen wir, da? das Kloster verlassen und leer ist. Wie ausgestorben.«

Abt Tryffin lehnte sich auf seinem Stuhl zuruck, als erwarte er eine Reaktion auf seine Worte.

Fidelma erkundigte sich ruhig: »Wie viele Monche leben sonst in Llanpadern?«

»Siebenundzwanzig. Sie arbeiten auf dem Feld, fuhren einen kleinen Bauernhof und versorgen sich selbst.«

Fidelmas Augen weiteten sich. »Siebenundzwanzig? Ist diese Zahl zufallig gewahlt worden?«

Abt Tryffin zeigte sich erstaunt uber ihre Frage.

»Wenn es einer langeren Erklarung bedarf, ist es eher unwichtig«, uberging Fidelma ihre Frage rasch. In ihrem Land hatte die Zahl siebenundzwanzig eine mystische Bedeutung. »Also, Bruder Cyngar fand das Kloster menschenleer vor, und er konnte vermutlich nicht feststellen, warum das so war?«

»Nein, das konnte er nicht.«

»Hat er alle Gebaude grundlich durchsucht?«

»Ja. Ihm fiel auf, da? die Kerzen fast alle noch brannten, da? das Essen auf den Tischen stand, halb gegessen. Man hatte offenbar nur wenige Stunden zuvor alles stehen- und liegenlassen. Ratten hatten sich inzwischen breitgemacht. Selbst das Vieh auf dem Hof war verschwunden.«

Fidelma wandte sich nun Gwlyddien zu. »Weshalb mi?t du ausgerechnet diesem Vorfall eine solche Bedeutung bei?«

Der Konig blickte uberrascht auf. »Wieso kommst du darauf, da? er mich besonders interessiert?«

»Ich frage mich, warum sich der Konig von Dyfed uber eine kleine religiose Gemeinschaft und ihren Verbleib Sorgen macht. Du konntest die Angelegenheit doch auch Abt Tryffin uberlassen. Aber du scheinst Wert darauf zu legen, da? wir eine Erklarung fur das Geschehen finden.«

»Du hast einen scharfen Verstand, eine rasche Auffassungsgabe, Fidelma von Cashel. Richtig, ich habe am Schicksal dieser Gemeinschaft besonderes Interesse.« Er zogerte, als versuchte er, seine Gedanken zu ordnen »Mein Sohn ... Mein altester Sohn hei?t Rhun, ein gescheiter Bursche. Vor sechs Monaten beschlo? er, dem Kloster Llanpadern beizutreten. Eigentlich hatte ich gedacht, er wurde danach streben, die Herrschaft uber dieses Land zu ubernehmen, mich darin eines Tages abzulosen. Doch dann entschied er sich plotzlich, Monch zu werden.«

»Und dein Sohn Rhun befindet sich nun unter den Monchen, die in Llanpadern vermi?t werden?« fragte Fidelma.

»So ist es.«

Kurzes Schweigen trat ein. Dann erkundigte sich Fidelma: »Was denkst du selbst daruber, Gwlyddien?«

Der Konig schuttelte den Kopf. »Ich glaube nicht an Hexerei, Schwester Fidelma. Und dennoch: Wenn nicht durch Hexerei, wie kann sich eine ganze Klostergemeinschaft sonst plotzlich in Luft auflosen?«

Fidelma lachelte schmerzlich. »Hast du darauf eine Antwort?«

»Es gibt eine Antwort.«

Alle wandten sich nach der fremden, gebieterischen Stimme um, die sich zu Wort gemeldet hatte. Sie gehorte einem jungen Mann, der unbemerkt die Tur ge-offnet hatte. Er war gro?, mit angenehmen Zugen ausgestattet und hellem Haar, das von einem Silberreif zusammengehalten wurde. Er wirkte wie ein jungeres Abbild von Gwlyddien, seine Augen leuchteten in der gleichen eindrucksvollen Farbe wie die des Konigs. Gwlyddien zeigte mit ungeduldiger Geste auf ihn, als er den Raum betrat.

»Das ist mein jungerer Sohn, Prinz Cathen.«

Abt Tryffin stellte ihm Fidelma und Eadulf vor.

»Du sagst, da? es eine Antwort auf die Frage deines Vaters gibt?« wollte Fidelma wissen.

»Kannst du die politische Lage des Landes einschatzen?« erwiderte Cathen, wobei er sich auf einen Stuhl fallen lie?.

»Nur sehr wenig«, raumte Fidelma ein.

»Wahrend des letzten Jahrzehnts ist dieses Konigreich standig von unseren nordlichen Nachbarn uberfallen worden, den Konigen von Ceredigion. Der derzeitige Konig, Artglys, ist ein ehrgeiziger und grausamer Mann. Sein Sohn und Erbe ist kaum besser. Die beiden verkorpern das Bose geradezu. Einst ist Ceredigion von den Konigen von Gwynedd regiert worden, aber dann gab es Streitereien unter den herrschenden Sippen. Ungefahr vor einer Generation gelang es Konig Artbodgu, die vielen Herrschaftsgebiete von Ceredigion zu einem unabhangigen Konigreich zu vereinigen. Seit dem Aufstieg von Artglys, dem Sohn von Artbod-gu, trachtet Ceredigion danach, sein Land zu vergro?ern, und fallt in viele Nachbarreiche ein. Artglys’ Ehrgeiz besteht darin, sich auch Dyfed einzuverleiben.«

»Wie erklart das das Verschwinden der Klostergemeinschaft von Llanpadern?« fragte Fidelma.

»Die Krieger von Ceredigion haben uns schon vorher angegriffen und Geiseln genommen.«

»Du meinst also, da? Artglys von Ceredigion fur das Geschehene irgendwie verantwortlich ist? Da? die Monche bei einem Uberfall verschleppt wurden?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich sage nur, es ist moglich, da? die Krieger von Ceredigion Llanpadern uberfallen haben, um meinen Bruder Rhun als Geisel zu nehmen.«

»Moglich, aber nicht wahrscheinlich«, fugte sein Vater hinzu. »Rhun hat seinen Anspruch auf den Thron aufgegeben, als er Monch wurde. Warum sollten sie ihn entfuhren? Um mich unter Druck zu setzen? Meine Feinde wissen, da? ich so schwach nicht bin. Mein Eid als Konig und das Wohl meines Volkes stehen bei mir an erster Stelle. Was die Uberfalle unserer Feinde betrifft, nun, sachsische Schiffe uberfallen auch unsere Kusten.«

»Was erwartest du genau von uns?« fragte Fidelma rasch, um so Eadulfs Verlegenheit wegen der Erwahnung der sachsischen Angriffe zu uberspielen. »Kriegerische Auseinandersetzungen sind nicht gerade unsere Starke.«

»Ich glaube, da? diese Angelegenheit rein gar nichts mit Ceredigion oder mit den Uberfallen von Artglys an unseren Grenzen zu tun hat ...«, meldete sich Abt Tryffin zu Wort. Er blickte zu Cathen.

Fidelma bemerkte, da? Cathen am liebsten einen Disput eroffnet hatte. Schnell sagte sie: »Llanpadern liegt nordlich von hier? Wie weit entfernt ist es von der Grenze zum Konigreich von Ceredigion?«

»Mindestens zwanzig Meilen oder mehr.«

»Ein Uberfall von so weit her in euer Gebiet hinein? Ein Feind kann eine so lange Strecke kaum unbemerkt uberwinden«, gab Fidelma zu bedenken.

»Vielleicht hat Artglys von See aus angegriffen? Er konnte mit seinen Leuten nur ein paar Meilen von Llanpadern entfernt an Land gegangen sein«, erwiderte Cathen mit Nachdruck.

»Ja, konnte, aber woher wissen wir das?« stellte Fidelmanachdenklich fest.

Der Abt machte den Eindruck, als wolle er etwas sagen, sei sich aber nicht sicher, ob er seinem Prinzen widersprechen sollte. Fidelma bemerkte das.

»Ich bin der festen Uberzeugung, da? deine Meinung zu dieser Sache dankbar aufgenommen wird, Abt Tryffin. Wie also denkst du daruber?«

Der Abt schien nun all seinen Mut zusammenzunehmen. »Das Kloster liegt am Fu?e der westlichen Hange von Carn Gelli. Wenn die Krieger von Ceredigion das Kloster vom Meer aus angegriffen haben, dann hatten sie nur an wenigen Stellen der Kuste anlegen konnen. Wo auch immer sie an Land gegangen waren, stets hatten sie noch einen Fu?marsch von drei Meilen zum Kloster vor sich gehabt. An ihrem Weg liegen zwei Ortschaften, dort hatte man eine feindliche Truppe bemerkt und sofort Alarm geschlagen. Pater Clidro und seine Gemeinschaft waren so vor den Angreifern gewarnt gewesen, noch ehe diese das Kloster erreicht hatten. Bruder Cyngar hat uns beschrieben, wie ordentlich die Klostergebaude hinterlassen wurden. Ich kann deshalb nicht glauben, da? Krieger dort waren, die ihre sich zur Wehr setzenden Gefangenen weggeschleppt haben. Es gibt offenbar keine Anzeichen fur einen Angriff, keine Leichen, nichts, das auf Gewalt hindeutet.«

Cathen lachte hohnisch, bis sein Vater ihm mit einer Handbewegung zu schweigen bedeutete.

Fidelma wartete einen Moment, doch als der Konig zu all dem schwieg, fragte sie den Abt: »Wie erklarst du dir das Verschwinden der Monche?«

Abt Tryffins Blick wirkte gequalt. »Christus ist mein Zeuge, Schwester, mir fallt nichts ein, das diesen Vorfall auf der Grundlage von Naturgesetzen deuten kann.«

Cathen johlte verachtlich. »Hexerei! Willst du damit sagen, da? alles auf Magie hinauslauft? Das gefallt mir nicht, Abt Tryffin. Es gibt keine ubernaturlichen Krafte. Du bist genauso auf dem Holzweg wie Bruder Cyngar! Die Krafte des Bosen existieren nicht.«

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