»Ich nehme das dunkelbraune, das mit der haferfar-benen Schnauze.«
Garb nickte anerkennend. »Eine gute Wahl. Das ist kraftig und ermudet nicht so leicht. Und du, Bruder? Welches suchst du dir aus?«
Eadulf schaute ratlos drein, denn er war kein Pferdekenner.
»Ich habe bemerkt, da? dir das kastanienbraune gefiel«, warf Fidelma diplomatisch ein. »Ich glaube, da hast du einen guten Griff getan.«
Eadulf dankte ihr mit einem raschen Lacheln.
Garb wandte sich an einen seiner Manner und beauftragte ihn, die beiden Ponys zu satteln.
»Wie lange werdet ihr fortbleiben? Braucht ihr Proviant?«
»Es ware gut, etwas mitzunehmen, obwohl ich nicht langer als ein paar Tage weg sein will. Jedenfalls will ich zuruck sein, bevor das
Garb schien hier das Sagen zu haben, trotz Bruder Laisre, denn er gab Befehle, ohne den Leiter der Gemeinschaft vorher zu fragen. Einer der Bruder eilte davon, um den Reiseproviant zu besorgen, ohne da? er Garbs Autoritat in Zweifel zog.
Fidelma legte Wert darauf, Bruder Laisre aufzusuchen und sich von ihm zu verabschieden, wie es unter Monchen und Nonnen ublich war, wenn man die Gastfreundschaft des anderen genossen hatte. Bruder Laisre hatte seine Verargerung vom Morgen anscheinend uberwunden und nahm hoflich ihre Versicherung entgegen, da? sie und Eadulf bald zuruckkehren wurden.
Eine Weile spater verlie?en Fidelma und Eadulf auf ihren robusten kleinen Ponys die Lichtung und die religiose Gemeinschaft von Tunstall und ritten nach Osten durch den Wald. Der schlo? sie sofort so dicht ein, als hatte sich ein dunkler Schleier um sie gelegt. Die Pferde konnten auf dem engen Pfad nur hintereinander gehen, deshalb hatte Fidelma aus dem einfachen Grunde Eadulf die Fuhrung uberlassen, weil er die Gegend kannte.
»Ich nehme an, wir wollen zu Aldheres Lager?« rief Eadulf uber die Schulter zuruck, sobald sie die Gemeinschaft verlassen hatten.
»Das ist das Ziel«, antwortete Fidelma.
»Dann reiten wir nach Osten durch diesen Wald. Die Kuste ist nur vier oder funf Meilen entfernt, aber vorher kommen wir noch an eine kleine Siedlung an einem Bach. Fruher nannte man ihn den Sudbach. Dahinter gibt es einen bequemen Weg nach Norden, uber eine Furt durch den Bach und um die Abtei herum, der wir uns nicht zu nahern brauchen.«
»Die Wahl des Weges uberlasse ich dir, Eadulf. Es ist dein Land«, erwiderte sie ernst.
Eine Weile ritten sie schweigend weiter. Es war noch ziemlich kalt, und Fidelma war froh, da? sie sich einen weiteren Mantel von Bruder Laisre geborgt hatte. Sie spurte, da? sie sich zwar erholt hatte, aber noch geschwacht war.
Sie lie? ihrem Pony die Zugel locker, sa? entspannt im Sattel und versenkte sich in das
Sie fing sich gerade noch ab, sonst ware sie von ihrem Pony gefallen. Es schnaubte unwillig, als sie sich an seiner Mahne festhielt.
Eadulf blickte sich um.
»Ist dir was?« fragte er besorgt.
»Nein!« fauchte sie zornig zuruck. Mit diesem Ausbruch wollte sie nur ihren Arger uber sich selbst verbergen. Sie war eingeschlafen. Dazu sollte die Meditation nicht fuhren, sie sollte den Geist erfrischen und nicht in den Schlaf lullen, in dem Traume das seelische Gleichgewicht ebenso storen konnten. Das war ihr vorher noch nie passiert. Vielleicht war es ein Anzeichen dafur, wie sehr die Krankheit sie geschwacht hatte. Sie bereute ihre Reaktion auf Eadulfs Besorgnis.
»Es tut mir leid«, rief sie ihm zu.
Eadulf wandte sich im Sattel halb um.
»Was denn?« fragte er harmlos. Er kannte sie zu gut, um ihr den Arger ubelzunehmen.
Sie zogerte einen Moment und sagte dann: »Ich wollte dich nicht anschreien.«
Er zuckte die Achseln und wandte sich wieder nach vorn. Vor ihnen horte man Wasser rauschen, das uber Felsen scho?.
»Ist das der Sudbach, von dem du gesprochen hast?« fragte sie.
»Ja, und bald kommen wir an eine Lichtung, auf der sich ein paar Hauser zusammendrangen. Wenn ich mich recht erinnere, liegt dort ein Bauernhof. Wollen wir den umgehen? Willst du ihn vermeiden?«
»Konnten wir dort etwas Hei?es zu trinken bekommen, ohne da? wir in Schwierigkeiten geraten?« fragte sie.
Sie hatte Durst, und die Kalte des Wintermorgens drang durch die Kleidung. Sie wollte nicht wieder krank werden. Kaltes Wasser wurde da nicht genugen.
»Ich bin sicher, der Bauer wird uns gastfreundlich aufnehmen«, erwiderte Eadulf.
»Dann reiten wir hin.«
Eadulf ritt weiter voran durch den Wald in die Richtung des rauschenden Wassers. Nach kurzer Zeit erreichten sie das Ufer eines mittelgro?en Baches, der schaumend uber Steine und Kiesel stromte, und erblickten dahinter Streifen welligen, bebauten Ackerlandes. Von der Anhohe, auf der sie hielten, konnte man in der Ferne sogar die See erspahen.
In einem Einschnitt in den Hugeln nicht weit von ihnen stieg leichter Rauch auf, und bald kamen auch Dacher von Gebauden in Sicht.
»Das ist der Bauernhof«, rief ihr Eadulf zu.
Plotzlich drang Geschrei zu ihnen heruber, und sie sahen Leute durcheinander laufen.
»Was ist denn das?« wollte Fidelma wissen.
Eadulf verzog das Gesicht.
»Sie haben uns gesehen, das ist alles«, erwiderte er. »Wir sind in der Nahe der Kuste, und wenn es hier tatsachlich ab und zu Uberfalle von den Ost-Sachsen gibt, dann haben die Leute schon recht, wenn sie anruckenden Fremden mi?trauen.«
Ein untersetzter Mann kam ihnen auf dem Weg entgegen.
»Haltet an, Fremde, und sagt, wer ihr seid!« rief er mit rauher Stimme und blieb breitbeinig stehen, die Hande an den Huften und in einer Hand einen langstieligen Hammer.
»Friede, mein Freund«, rief Eadulf und zugelte sein Pony. »Ich bin Bruder Eadulf von Seaxmund’s Ham und reise mit meiner Gefahrtin. Wir bringen euch den Segen Christi an diesem heiligen Tag.«
Fidelma fiel auf, da? Eadulf sie nicht vorstellte. Es war wohl besser, nicht zu verraten, da? sie Auslanderin war.
Der Mann schien etwas freundlicher zu werden.
»Von Seaxmund’s Ham, sagst du?«
»Ja.«
»Wo wollt ihr jetzt hin?«
»Wir bitten nur um einen hei?en Trunk an diesem Wintertag, dann wollen wir weiter nach Norden.«
Der stammige Mann blickte von Eadulf zu Fidelma und zuruck.
»Dann erwidern wir euren Segen am Festtag unseres Heilands. Verzeih unsere Vorsicht, Bruder Eadulf, doch wie du wei?t, leben wir in unsicheren Zeiten.«
»Du meinst die Uberfalle von Sigehere?«
»Ja, die meine ich. Es gibt standig Geruchte, da? seine Kriegertrupps an der Kuste landen. Aber kommt herein. Genie?t unsere Gastfreundschaft und seid willkommen.«
Der Mann wandte sich um und winkte den Leuten zu, die sich in einiger Entfernung gesammelt hatten, und auf dieses Signal hin zerstreuten sie sich. Er fuhrte sie zu dem Bauernhaus.
»Frau«, rief er der gro?en, schlichten Bauerin zu, die in der Tur stand, »ein Monch und eine Nonne auf dem Ruckweg nach Seaxmund’s Ham. Ein Becher hei?er Met erfrischt sie und hilft ihnen weiter.«
»Das tut er sicher«, meinte Eadulf und stieg ab. »Meine Gefahrtin hat die Stimme verloren, und der Met wird ihrer Kehle wohltun.«
Fidelma begriff, da? er das gesagt hatte, damit sie sich nicht mit ihrem Akzent als Auslanderin verriet und