befolgte, wandte sich Mul an Fidelma. »Tritt ein und warme dich am Feuer. Diese Schneesturme sind die schlimmsten, die ich je erlebt habe.«
Fidelma ging mit dem Bauern hinein, und Mul schlo? die Tur hinter ihr. Der Hund schaute auf, knurrte leise, machte aber keine Bewegung.
»Bragi tut dir nichts, weil er sieht, da? du kein Feind bist.«
Fidelma lachelte leise, nahm ihre Mantel ab, setzte sich ans Feuer und geno? die Warme.
Uber den zungelnden Flammen hing ein gro?er Metallkessel mit einer Suppe, deren aromatischer Duft das kleine steinerne Bauernhaus erfullte. Mul ging hin, nahm einen Loffel, ruhrte um und prufte den Inhalt.
»Schweinefleischsuppe«, erlauterte er. »Ist bald fertig.«
Mul war ganz so, wie sie ihn in Erinnerung hatte, mit machtigen Schultern, muskulosem Korper, grobem rotem Gesicht und dicker Stupsnase. Kurzum, er war ha?lich, doch trotz der dicht beieinander stehenden Augen, der Nase und der luckenhaften gelben Zahne strahlte er so etwas wie Gemutlichkeit aus.
Sie blickte sich in dem Raum um. Es war der ubliche Wohnraum mit der Kochstelle in der Mitte. Er war grau und verrauchert vom Feuer, doch die Warme war sehr willkommen, wenn auch der Rauch ihre wunde Kehle reizte. Der zweite Raum verriet einen Reichtum, den nicht alle Bauern besa?en. Dieser Raum reichte nicht bis zum Dach, sondern hatte eine Balkendecke, die einen dritten Raum abtrennte, der an einer Seite zum Wohnraum hin offen und uber eine Leiter zu erreichen war.
Offensichtlich benutzte Mul weder diesen Dachraum noch den zweiten Raum, denn auf der anderen Seite des Herdes stand ein holzernes Bettgestell, das ihm anscheinend als Schlafstelle diente. Die meisten Leute schliefen in den Wintermonaten neben dem Herd, weil es dort am warmsten war. Der Raum war dunkel, er wurde nur vom Feuer erhellt. Mul schien ihre Gedanken zu erraten, denn er beugte sich uber das Feuer und steckte eine Kerze an. Dann ging er zu einer Lampe und zundete den Docht an.
»Einen Schluck Apfelwein, um den Geist zu erwarmen?« fragte er und stellte die Lampe auf den Tisch.
Sie nickte schweigend und rieb ihre Arme, um das Blut wieder in Bewegung zu bringen.
Mul ging zu einem holzernen Schrank und nahm ein paar Tonbecher heraus, die er aus einem Krug fullte.
»Der Gott der Christen konnte nur Wasser schaffen«, sagte er lachelnd und reichte ihr einen Becher, »aber Agir, der Gott der Sachsen, schuf den Apfel-wein und versorgte die Asen mit dem heiligen Getrank zur Tagundnachtgleiche im Herbst.«
Fidelma runzelte die Stirn. Sie hatte vergessen, da? Mul Heide war. Kein Wunder, da? sie keins der Symbole sah, mit denen ein Christ sein Haus zur Feier dieses Tages schmuckte. Sie mu?te sich immer wieder sagen, da? heute der Geburtstag Christi war.
»Du glaubst also noch an die alten Gotter, Mul?«
Mul grinste breit. »Wenn ich’s notig habe, Frau.«
Sie schwieg einen Moment und nahm einen Schluck von dem Apfelwein. Er war su? und stark und tat ihrer Kehle gut.
»Du hast hier ein gro?es Haus, Mul.« Sie beschlo?, seine angedeutete Einladung zu einem Streitgesprach uber Religion zu ubergehen. Sie bemerkte, da? ein Schatten uber sein Gesicht lief.
»Ja«, sagte er kurz.
»Du hast nicht geheiratet?«
Mul trat von einem Fu? auf den anderen.
»Ich war verheiratet ... Fruher mal.«
»Was ist passiert?«
»Du stellst viele Fragen fur eine Frau«, knurrte er.
»Ich bin von Natur aus neugierig«, erwiderte Fidelma trocken. Dann fiel ihr plotzlich etwas ein. »Ach, jetzt wei? ich. In eurer Kultur haltet ihr es nicht fur schicklich, da? Frauen sich den Mannern gleich achten und Fragen stellen.«
Mul machte ein etwas finsteres Gesicht und wu?te anscheinend nicht so recht, wie er sich zu ihrer selbstsicheren Art verhalten sollte.
»Ich bin schon mehr Nonnen aus deinem Volk begegnet. Ich finde es merkwurdig, da? eure Manner euch soviel Freiheit lassen.«
Plotzlich offnete sich die Tur. Der Hund fuhr auf, und nur ein scharfer Befehl Muls hielt ihn vom Sprung ab. Eadulf brachte einen Schneeschauer mit herein, bevor er die Tur hinter sich zuziehen konnte.
»Sitz, Bragi! Sitz!« kommandierte Mul. Dann sagte er grimmig zu Eadulf: »Sei lieber vorsichtig,
Eadulf antwortete mit einem unverbindlichen Grunzen, legte den Mantel ab und setzte sich.
»Das Wetter scheint noch schlechter zu werden«, sagte er und nahm einen Becher Apfelwein von Mul entgegen.
Der Bauer sa? am Feuer, und der Hund legte ihm den Kopf auf einen Fu?.
»Du hast recht,
Fidelma lachelte teilnahmsvoll.
»Ein Gelehrter namens Suetonius schrieb einmal, es sei die Aufgabe eines guten Hirten, seine Herde zu scheren, aber ihr nicht das Fell abzuziehen.«
Mul schaute sie mit plotzlicher Anerkennung an.
»Deine Frau hat einen guten Verstand«, gestand er Eadulf, »aber sie kennt die Steuereinnehmer des Konigs nicht. Die wurden einem wirklich das Fell abziehen, wenn sie etwas damit anfangen konnten.«
»Einen solchen Winter wie diesen wurde man doch wohl berucksichtigen?« wandte Eadulf ein.
»Wir haben schon schlechte Winter gehabt, aber dieser ist der schlimmste, solange ich denken kann. Du stammst aus dieser Gegend,
»Du hast recht, ich kann mich auch an keinen Winter erinnern, der so kalt und so ubel gewesen ware, und wir sind dir dankbar, da? du uns bei diesem unwirtlichen Wetter Gastfreundschaft gewahrst«, antwortete Eadulf.
Mul legte den Kopf zuruck und brullte vor Lachen.
Eadulf wechselte einen Blick mit Fidelma und runzelte die Stirn. »Was erheitert dich so?«
»Da? du annimmst, ich
»Das verstehe ich nicht«, erwiderte Eadulf.
»Ich gewahre euch Unterkunft und Essen, aber gegen Bezahlung.«
Eadulf zog eine argerliche Miene.
»Ich erinnere mich, da? du Lohn fur die Fahrt zur Abtei verlangtest. Ich hatte mir denken konnen, da? du nicht ganz umsonst Leute aus dem Schneesturm hereinholst und bei dir ubernachten la?t.«
Mul grinste. »Als Bauer habe ich gelernt, da? Geld wie Dung ist. Es nutzt nichts, wenn es nicht verteilt wird,
»Das entspricht aber nicht der christlichen Vorstellung von Nachstenliebe ...«, protestierte Eadulf.
»Die Frau wird dich daran erinnern«, entgegnete Mul, »da? ich kein Christ bin.«
»Eadulf«, unterbrach ihn Fidelma sanft, »der Mann hat nicht unrecht. Ein
Mul nickte ihr zu.
»Eine kluge Lebensregel, Frau. Beides ist wichtig, ein guter Verstand und die Fahigkeit, ihn zu gebrauchen. Ich bin sicher, ihr gonnt mir einen Penny fur die Ubernachtung, denn der Schneesturm hat jetzt voll eingesetzt. Vor morgen fruh konnt ihr nicht weiter.«
Eadulf au?erte sein Mi?fallen.
»Ich furchte, du hast viele Fehler, Mul.«