»Redet mit den Leuten auf jedem Markt, und ihr werdet horen, was die zu sagen haben.«
»Wir sind auf keinem Markt, deshalb wurde ich gern wissen, was
»Ich habe gehort, da? Aldhere gern einen neuen Konig in diesem Land sehen wurde. Und ich habe gehort, da? sein Bruder Cild ebenfalls gern einen neuen Konig in diesem Land sehen wurde. Es hei?t aber, da? die Bruder dabei an unterschiedliche Konige denken.«
»Kannst du das naher erklaren?« drangte ihn Fidelma .
»Dieses Land wird von zwei Seiten mit begehrlichen Blicken betrachtet, im Westen von Wulfhere von Mercia und im Suden von Sigehere von den OstSachsen. Jeder von beiden ware toricht, wenn er sich nicht den Streit zunutze machte, der in dieser kleinen Ecke des Konigreichs tobt.«
»Willst du damit sagen, da? du mit Bestimmtheit wei?t, Cild oder Aldhere ware mit Wulfhere oder Si-gehere verbundet?« Eadulf war entsetzt.
»Mit Bestimmtheit? Naturlich nicht. Ich berichte euch, was ich auf den Markten gehort habe.«
»Mu?iges Geschwatz. Spekulationen ohne Tatsachen!« vermutete Eadulf. Fidelma merkte ihm aber an, da? er dabei unsicherer wurde und seinen Gedanken nachhing.
»Wenn das Land des Sudvolks fiele, wurde das Land des Nordvolks sehr bald folgen«, entgegnete Mul unbeeindruckt.
»Da konntest du recht haben«, gestand Fidelma. »Anscheinend gibt es nirgendwo auf der Welt Frieden zwischen den Volkern. Zwischen den funf Konigreichen meiner eigenen Insel werden Intrigen gesponnen und Verschworungen angezettelt. Bei unserem Besuch bei den Briten stellten wir fest, da? ihre Konigreiche uneins waren und sich bekampften. Warum sollte es da im Lande der Angeln und Sachsen anders sein? Doch deswegen sind wir nicht hier.«
Mul schnaufte und langte nach dem Weinkrug. Als er ihn leer fand, stand er auf, ging zum Schrank und holte einen neuen.
»Nein«, sagte er, »ihr seid hier, um herauszufinden, wie Cild deinen Freund Botulf umbrachte.«
»Wir sind hier, um zuerst einmal herauszufinden,
»Wenn er es tat, wird sich das >wie< schon herausstellen.«
»Und au?erdem, ob er seine Ehefrau Gelgeis getotet hat«, erganzte Fidelma. »Wir sind hier, um eine noch gro?ere Tragodie zu verhuten und ein solches Blutvergie?en, wie es dieses Land noch nie gesehen hat.«
Kapitel 14
Wahrend der Nacht war der Schneesturm weitergezogen. Der Morgen war zwar noch eisig kalt, doch klar mit einem pastellblauen Himmel und einer schwachen, fast wei?en Sonne. Fidelma und Eadulf hatten die Nacht in der behaglichen Warme von Muls Bauernhaus verbracht. Sie hatten mit Mul zusammen gefruhstuckt, doch dann gewartet, bis er au?er Horweite war, ehe sie ihre Gebete an den heiligen Stephanus richteten, denn es war sein Festtag - der Festtag des ersten Martyrers des neuen Glaubens. Nachdem sie Mul die versprochene Munze fur die Ubernachtung gegeben hatten, waren sie zu ihrer weiteren Reise nach Norden aufgebrochen. Die Wege lagen voller Schneewehen, deren kornige Flocken vom Sturm an Hecken und Graben aufgeturmt worden waren. Die Reise wurde beschwerlich werden.
Doch Fidelma hatte gut geschlafen und fuhlte sich viel kraftiger als zuvor. Das Fieber, unter dem sie erneut gelitten hatte, war im Abklingen, und sie empfand deutliche Erleichterung.
Muls rauchender Schornstein war kaum hinter einem Hugel au?er Sicht gekommen, als Eadulf sich zu Fidelma umdrehte. Er hatte mehrere Fragen, die er in dem engen Bauernhaus, in dem Mul jedes geflusterte Wort horen wurde, nicht hatte stellen konnen.
»Was meintest du mit >ein solches Blutvergie?en verhuten, wie es dieses Land noch nie gesehen hat<?« wollte er wissen.
Fidelmas Miene war ernst.
»Warum gebe ich mir solche Muhe, zu verhindern, da? dieses rituelle Fasten stattfindet, Eadulf?«
»Um den Tod Gadras zu vermeiden ... und die Wahrheit uber das Sterben von Gelgeis und Botulf herauszubekommen . « Eadulf dachte, die Grunde waren doch wohl offenkundig.
»Eins hast du anscheinend ubersehen oder vielleicht auch nicht verstanden uber das
Eadulf war entsetzt. »Glaubst du wirklich, da? es dazu kommen konnte?«
Ihre Miene zeigte ihm, wie ernst sie es meinte.
»Sobald ich erfuhr, da? Gadra zu den Ui Briuin gehort, wu?te ich, da? wir es nicht mit einem kleinen Fursten zu tun haben, sondern mit einem, der uber machtige Beziehungen verfugt. Das treibt mich an, eine Losung fur diesen Fall zu finden.« Dann fugte sie hinzu: »Welche Gedanken bewegten dich, als Mul andeutete, da? Aldhere oder Cild ein Bundnis mit Nachbarkonigen zum Ziel eigenen Machtgewinns eingegangen sein konnten?«
Eadulf verzog das Gesicht. Er hatte gedacht, sie hatte seine Besorgnis nicht bemerkt, als Mul von diesen Geruchten berichtete. Nachdem sie Muls Hof verlassen hatten, war ihm das Thema beinahe entfallen.
»Ich dachte nur, da? Cild fruher einmal ein Kriegsherr in diesem Lande war. Ich erinnerte mich, wie eigenartig es war, als er an dem Morgen nach unserer Ankunft mit einigen seiner Bruder ausritt, um nach Aldhere zu suchen, und sie eher wie Krieger in Schlachtordnung als wie Monche wirkten.«
»Ich wei?, da? du mir davon erzahlt hast«, erklarte Fidelma. »Doch wie du sagtest, er war fruher Krieger, und manche Charakterzuge behalten Krieger fur immer.«
»Das habe ich mir auch gedacht.«
»Aber dir macht noch etwas anderes Sorgen?«
»Es macht mir nicht Sorgen, aber es beunruhigt mich. Auf unserem Weg aus der Abtei heraus kamen wir an einem Raum vorbei, der voller Kriegsausrustung lag. Erinnerst du dich?«
Fidelma hatte es vergessen.
»Ich gebe zu, mir war so schlecht, da? ich es nicht wahrgenommen habe. Vielleicht pflegt Cild dieses Andenken an sein vergangenes Leben.«
»Wenn es wirklich ein vergangenes ist. Was Mul sagte, la?t mich vermuten, da? es das nicht ist.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Vielleicht sind die Geruchte wahr. Cild konnte sehr wohl mit Wulfhere von Mercia verbundet sein und an einer Verschworung beteiligt, die das Sudvolk an dessen Konigreich verraten will.«
»Warum gerade Mercia?«
»Weil die Schilde in jenem Raum alle das Kriegszeichen der Iclingas trugen. Ich wollte dich eben darauf hinweisen, als wir Botulfs Tasche fanden, und bei der Entdeckung habe ich es vergessen.«
»Die Iclingas? Wer sind denn die?«
»Die Iclingas sind die Konige von Mercia.«
Sie ritten eine Weile schweigend weiter und lie?en ihre Ponys sich selbst den Weg durch die Schneewehen suchen, denn fur diese Aufgabe waren die naturlichen Instinkte der Tiere viel besser geeignet als ihre Reiter.
»In einer Stunde sollten wir Aldheres Lager erreichen«, brach Eadulf schlie?lich das Schweigen.
»Ich freue mich darauf, ihn kennenzulernen, nachdem du und Mul mir seinen Charakter so unterschiedlich geschildert habt.«
Eadulf schnaubte emport. »Was wei? Mul denn schon? Wie gesagt, der wiederholt doch blo? das Geschwatz der Leute. Mir gefallt Aldhere einfach besser als sein finsterer Bruder Cild.«
»Geschwatz kann manchmal auch Wahres enthalten, nicht an Tatsachen, aber an Einstellungen. Ich habe viele rucksichtslose Manner und Frauen gekannt, die die sanftesten Gemuter hatten, bis jemand ihre Plane