Kutsche und Begleitung brausten weiter durch den Wald, und ihr Larm verklang langsam in der Ferne.

Eadulf atmete erleichtert auf und reckte sich.

»Hast du das Wappen an der Kutsche erkannt?« fragte Fidelma, richtete sich ebenfalls auf und streichelte ihrem Pony zum Dank fur sein Stillbleiben die Schnauze.

»Nicht das an der Kutsche«, gestand Eadulf. »Aber das Zeichen auf den Wimpeln der Eskorte war deutlich zu sehen.«

»Und was war das fur eins?« forschte Fidelma und stieg wieder auf.

»Es war das Wolfszeichen der Wuffingas, der Konige der Ost-Angeln. Nur die Leibwache des Konigs darf es fuhren.«

Fidelma bedachte das schweigend, wahrend er sein Pony bestieg, dann ritten sie langsam zu dem Hauptweg zuruck.

»Meinst du, da? es womoglich der Konig der OstAngeln war, der eben an uns vorbeifuhr?« fragte sie schlie?lich. Plotzlich lachelte sie. »Vielleicht stimmte das Gerede doch, da? dein Konig auf dem Weg nach Suden war.«

»Vielleicht.« Doch Eadulf schien auszuweichen, und als sie ihn drangte, fugte er hinzu: »Ich habe nicht dasselbe Zeichen an der Kutsche gesehen, und ich wu?te auch nicht, warum Konig Ealdwulf sich von einem Monch fahren lassen sollte. Das ware ungewohnlich.«

Dem war sie geneigt zuzustimmen.

»Und mit nur vier Kriegern als Eskorte. Ware es nicht seltsam, da? der Konig so ins Gebiet deines Freundes Aldhere reiste?« meinte Fidelma.

Eadulf wiegte verwundert den Kopf.

»Noch ein Geheimnis auf dem Weg zur Wahrheit.«

»Falls die Wahrheit hier auf irgendeinem Wege zu finden ist«, murmelte Fidelma.

Sie waren uber eine Stunde geritten, als Eadulf vertraute Zeichen entdeckte.

»Ich glaube, wir sind nicht weit von Aldheres Bau«, sagte er frohlich. »Vielleicht konnen wir nun ein paar Dinge aufklaren.«

Fidelma gab keine Antwort, und sie ritten schweigend weiter in die Richtung, die er angab.

Der Ton eines Widderhorns ganz in ihrer Nahe lie? sie ihre Ponys uberrascht zugeln.

Es gab Bewegung an den Seiten des Weges, und plotzlich standen ein halbes Dutzend Krieger mit gezogenen Waffen neben ihnen. Eadulf erkannte sofort Wiglaf an ihrer Spitze. Auch er sah Eadulf, grinste breit und befahl den anderen, ihre Waffen einzustecken.

»Noch zwei Geachtete, die sich uns anschlie?en wollen, wie, gerefa?« begru?te er sie. Eadulfs verbluffte Miene loste Gelachter aus. »Alle haben von der Belohnung gehort, die der Abt fur eure Kopfe ausgesetzt hat, also nehme ich an, da? ihr bei uns Schutz sucht. Du hattest versuchen sollen, mich zu treffen, wie wir es besprochen hatten, dann hatten wir euch die Reise erleichtert.«

Eadulf hatte vollig vergessen, da? er, wie Botulf vor ihm, ein Treffen mit Wiglaf au?erhalb der Abtei vereinbart hatte, falls es etwas Dringendes gabe.

Er machte Wiglaf mit Fidelma bekannt, als ein anderer Reiter den Weg entlangtrabte. Es war eine schlanke Gestalt in einem schweren Mantel, das Gesicht von einer tief herabgezogenen Kapuze verhullt. Eadulf hatte den Eindruck, es ware ein Jungling oder eine Frau. Die Schar der Geachteten mu?te sie wohl kennen, denn sie drangten ihre Pferde an den Rand des Weges, um den Reiter unbehindert durchzulassen.

Wiglaf bemerkte Eadulfs Neugier und kicherte lustern.

»Das ist eine alte Freundin. Lioba besucht uns oft in unserem Lager. Und jetzt ...« Er nickte in die Richtung, aus der die Reiterin gekommen war. »Ich werde euch hinfuhren. Los, ich reite voraus.«

Er wendete sein Pferd und befahl seinen Leuten, wieder ihre Stellungen zu beziehen. Es waren die Wachposten, die das Lager der Geachteten schutzten.

Als sie weiterritten, fragte ihn Fidelma: »Du warst Botulfs Vetter und standest mit ihm in der Abtei in Verbindung?«

»Das war ich, Schwester«, antwortete Wiglaf ernst.

»Ich mochte dir ein paar Fragen stellen.«

»Das mu? noch warten, denn da vor uns liegt Ald-heres Lager, und ich mu? gleich zuruck zu meinen Mannern. Ich komme zum Mittagessen ins Lager, dann kannst du mich fragen, was du willst.«

Das Lager war nur noch Minuten entfernt, und Aldhere war bereits auf ihr Kommen vorbereitet, denn Wiglaf hatte sein Widderhorn genommen und es erneut kurz und scharf geblasen. Aldhere stand vor seiner Hutte, die Hande an den Huften, und lachelte leise. Als sie ihre Ponys zugelten und abstiegen, ging er mit ausgestreckter Hand auf sie zu.

»Sei gegru?t, heiliger gerefa! Ich hatte keinen Zweifel daran, da? ich dich wiedersehen wurde. Und diesmal hast du die irische Hexe mitgebracht?«

Er lachte drohnend uber Fidelmas mi?billigende Miene.

»Keine Angst, gute Schwester, mein Humor ist anders als der meines Bruders. Ich zweifle nicht an deiner Frommigkeit. Ich bin Aldhere, ehemals Than von Bretta’s Ham, jetzt ein einfacher Geachteter. Du bist willkommen in meinem Lager. Kommt mit in meine Hutte. Es ist ein bescheidener, ungastlicher Ort, aber er bietet euch Schutz vor unserem harten Winter.«

Wie Eadulf zuvor, wurde auch Fidelma mitgerissen von dieser Mischung aus Jovialitat und Dominanz. Sie folgte ihm fast gehorsam, ohne etwas zu erwidern, doch ihre Blicke erfa?ten die ganze Umgebung, die Manner, Frauen und Kinder, die diese kleine Waldlichtung bevolkerten. Wiglaf war anscheinend auf seinen Wachposten zuruckgekehrt, aber sie sah noch viele bewaffnete Krieger im Lager.

»Und, bist du zufrieden, gute Schwester?« fragte Aldhere, hielt die Tur der Hutte mit einer Hand auf und trat zur Seite, um ihr den Vortritt zu lassen. Seinem scharfen Blick war ihre Musterung des Lagers nicht entgangen.

»Zufrieden?« Sie fuhlte sich uberrumpelt.

»Mit meinem Lager naturlich. Meine Manner bringen ihre Frauen und Kinder zur Sicherheit hierher mit. Wir erwarten keinen Angriff von Konig Eald-wulf, bevor das Tauwetter einsetzt. Wenn der Winter so weitermacht wie bisher, dann wird das erst im Fruhjahr sein, so Gott will. Ealdwulf kampft nicht gern mit schmutzigen Stiefeln. Er wird trockenes Wetter abwarten.«

Er winkte ihnen, sich auf Schemel zu setzen. Seit Eadulfs Besuch vor ein paar Tagen hatte sich der Raum nicht verandert. Er schaute sich nach Bertha, der frankischen Frau, um, doch von ihr war nichts zu sehen. Aldhere fing seinen Blick auf und lachelte wieder.

»Meine Frau, Bertha, ist mit einem meiner Manner auf dem Markt in Seaxmund’s Ham, um Lebensmittel zu kaufen. Ihr seht, wir rauben und stehlen nicht, sondern kaufen bei den Handlern ein.«

»Und wo kommt das Geld her, mit dem ihr die Handler dafur bezahlt?« fragte Eadulf unschuldig.

»Bei den heiligen Wunden Christi!« rief Aldhere mit schallendem Gelachter. »Du besitzt einen scharfen Verstand, heiliger gerefa.«

Fidelma hatte sich niedergelassen.

»Du erwartest also einen Angriff von Konig Eald-wulf?« fragte sie und kam damit auf Aldheres fruhere Bemerkung zuruck.

Aldhere nahm die Frage nicht ubel.

»Naturlich«, erwiderte er. »Er wird nicht wollen, da? ich hier als Pfahl im Fleische seines Sudvolks wirke.«

»Warum bleibst du dann hier? Wenn du mit einem Angriff rechnest, hatte ich eher gedacht, da? du weiterziehst in eins der anderen Konigreiche und deine Schwerter jemandem verkaufst - zum Beispiel an Sigehere?«

»Du enttauschst mich durch deine gewinnsuchtige Haltung, gute Schwester«, grinste der Geachtete. »Ich glaube, wir brauchen Met.«

Er wandte sich um, holte einen Krug zum Tisch und go? ein.

Fidelma unterdruckte einen resignierten Seufzer. Ihr war klar, da? das Anbieten starker Getranke ein wesentlicher Teil der Gastfreundschaft gegenuber Fremden war.

»Seit ich in deinem Land bin, Aldhere, bin ich zu dem Schlu? gekommen, da? das Trinken eine der Hauptbeschaftigungen deines Volkes ist.«

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