durchkreuzte. Oft lernt man etwas dazu, wenn man sich Geschwatz anhort.«
Eadulf zog ein mi?billigendes Gesicht.
»Du zitierst doch gern Publilius Syrus«, warf er ihr vor. »Hast du ihn nicht einmal, und zwar positiv, zitiert, da? es falsch sei, sich mit Geschwatz abzugeben?«
Fidelma lachelte. »Du hast zwar Publilius Syrus nicht genau wortlich zitiert, Eadulf, aber dem Sinn nach wahrscheinlich richtig. Was ich aber meinte, war, da? man dem Geschwatz Einstellungen entnehmen kann, nicht Tatsachen. In diesem Fall liegt die Bedeutung des Geschwatzes im Kontext.«
»Und bist du schon zu irgendwelchen Folgerungen gelangt?« fragte Eadulf. Er konnte den ironischen Unterton nicht ganz verbergen.
Fidelmas Miene wurde ernst.
»Ich gestehe dir gern, Eadulf, da? nichts, was ich bisher erfahren habe, mir Losungen zu erkennen gibt. Die Sache ist au?erst knifflig. Mit Sicherheit wissen wir nur von einem Verbrechen, dem Tod deines Freundes Botulf. Wir haben von einem moglichen anderen Verbrechen, begangen an der Ehefrau des Abts, gehort, aber war es wirklich ein Verbrechen? Das wissen wir nicht, denn Beschuldigungen sind keine Beweise, wie du in Tunstall klarzustellen versucht hast. Wie sollen wir weiter vorgehen? Es gibt keine Zeugen fur diese Geschehnisse, nur Geruchte und Geschwatz.«
»Es ist noch ein anderer Punkt zu berucksichtigen.«
Fidelma sah ihn an, uberrascht von seinem traurigen Tonfall. »Welcher ist das?«
»Wenn wir auch durch ein Wunder dahinterkommen, was in Wahrheit geschieht, auf welchem Wege konnen wir es offenlegen und die Beteiligten zu einer schiedlichen Einigung zwingen? Du besitzt in diesem Land keine juristische Vollmacht. In Dyfed hat dir der walisische Konig eine solche Vollmacht erteilt. Aber hier bei den Angeln und Sachsen hast du keine. Du bist ohne jede Machtbefugnis.«
»Das stimmt«, pflichtete sie ihm ernst bei. »Doch dies ist dein Land, Eadulf. Es ist dein Volk. Du bist hier ein
Eadulf schuttelte den Kopf.
»Ich war hier ein
Fidelma kniff leicht die Augen zusammen.
»Willst du damit sagen, da? ein Monch in diesem Land nicht zugleich Anwalt sein kann?«
Eadulf nickte.
»Es ist reine Ironie, wenn Mul mich mit
Fidelma uberlegte einen Moment. Irgendwoher mu?te sie das gewu?t haben. Man hatte es ihr wohl erklart, als sie Eadulf auf der gro?en Synode von Whitby zum erstenmal begegnete. In der letzten Zeit hatte sie ihrem Volk gegenuber seinen juristischen Rang betont, da er ihm die moralische Berechtigung gab, ihr bei ihren eigenen Nachforschungen zu helfen.
»Nun, dann mussen wir einen anderen Weg finden, Einflu? auf die Dinge zu nehmen«, meinte sie. »Ich glaube, Gadra und Garb werden darauf eingehen, wenn ich ihnen beweisen kann, da? sie das rituelle Fasten nicht zu beginnen brauchen.«
»Aber in der Zwischenzeit«, seufzte Eadulf, »mussen wir zusehen, da? wir nicht in Abt Cilds Fange geraten. Ich frage mich, wie er es sich leisten kann, drei Goldstucke fur unsere Gefangennahme auszusetzen? Das ist eine hohe Summe, und sie wird zweifellos viele Leute in Versuchung fuhren.«
Daran zweifelte Fidelma nicht.
»Noch wichtiger ist die Frage, warum ihm soviel daran gelegen ist, uns gefangenzunehmen und zum Schweigen zu bringen?« uberlegte sie. »Er mu? doch ebensogut wie wir wissen, da? wir ihm nichts nachweisen konnen ...«
»Es sei denn, wir ubersehen das Nachstliegende«, brummte Eadulf.
Fidelma betrachtete ihn nachdenklich. Sie bemerkte die zusammengezogenen Brauen, die verkniffenen Lippen, als bemuhe er sich, einen vergessenen Hinweis zuruckzurufen, den er erhalten hatte, als sie noch im Fieber lag.
»Du wei?t, da? das Kruzifix, das Mul fand, nicht zu solchen gehort, wie sie Monche normalerweise tragen?« fragte sie nach einer Weile.
Eadulf nickte.
»Es wurde fur eine reiche Personlichkeit hergestellt, sicherlich fur eine Frau«, antwortete er. »Es scheint logisch, da? es Gelgeis gehorte.«
»Logisch wohl, aber sicher ist es nicht, auch nicht der Grund, weshalb es auf Muls Hof gelangte.«
Wieder trat Schweigen ein, bis es Fidelma erneut brach: »Du hast doch mit Cild gesprochen. Sag, ist er wirklich geistig gestort? Und wenn, hast du die Ursache erkannt?«
Eadulf zuckte die Achseln. »Ich wurde sagen, Cild ist gestort bis zum Irrsinn. Was zu diesem Wahn gefuhrt hat? Das wei? ich nicht.«
»Der Tod seiner Frau und die seltsamen Erscheinungen in der Abtei?«
Zu ihrer Uberraschung schuttelte Eadulf den Kopf.
»Ich glaube, es steckt mehr dahinter. Aldhere behauptet, sein Bruder sei von Kindheit an gestort und grausam gewesen und aus diesem Grunde enterbt worden. Vielleicht wurde er bose geboren.«
Fidelma verzog das Gesicht.
»Kinder werden nicht bose geboren, Eadulf. Gewohnlich werden sie dazu gemacht.«
Sie waren bisher durch einen Wald geritten, der zumeist aus kahlen, dunnen Baumen bestand, mit einigen Gruppen von immergrunen Baumen dazwischen. Es war eine flache Gegend nahe der See, so nahe, da? sie das ferne Rauschen der anlaufenden und wieder abebbenden Wellen horen konnten. Jetzt mischte sich ein anderes Gerausch darein.
Fidelma zugelte ihr Pony und legte Eadulf die Hand auf den Arm. Er blickte aus seinem Nachgrubeln auf und hielt ebenfalls an.
Es war das Knallen einer Peitsche gewesen, das sie gewarnt hatte, und nun wiederholte es sich zweimal schnell hintereinander. Sie vernahmen ein leises Rollen und das Klirren von Metall. Dann war ein Ruf zu horen.
Fidelma spahte in die Richtung dieser Gerausche. Sie kamen von dem Weg vor ihnen, der sich im Wald au?er Sicht schlangelte.
Eadulf suchte die Umgebung nach einem moglichen Versteck ab.
Er beruhrte ihren Arm und zeigte zwischen den hohen Eichen am Rande des Weges hindurch auf ein Geholz von immergrunen Baumen und Buschen, vielleicht Stechpalmen und Tupfelfarn, da war er sich nicht sicher. Er wu?te nur, das war in dieser Wildnis ihre einzige Hoffnung auf Deckung. Ihnen blieb keine Zeit, lange zu uberlegen. Sie lenkten ihre Ponys rasch vom Weg ab in den dunnen Schutz, den die immergrunen Baume boten. Kaum waren sie dahinter, sprangen beide ab und hielten die Ponys fest am Zugel. Erst dann fiel es Eadulf ein, da? ihre Spuren im Schnee wohl deutlich zu sehen waren.
Doch nun war es zu spat. Um die Wegbiegung jagte eine leichte Kutsche heran, von zwei kraftigen Pferden gezogen. Sie war reich geschmuckt und verziert. Das Wappen an der Tur konnten sie freilich nicht erkennen. Vorhange am Fenster der Kutsche bauschten sich im Fahrtwind. Sicher sa? eine hochstehende Personlichkeit darin. Was sie beide uberraschte, war jedoch der Kutscher.
Es war ein junger Mann, der offensichtlich das Lenken einer zweispannigen Kutsche gewohnt war. Er hielt die Zugel muhelos mit einer Hand, knallte mit der anderen Hand mit der Peitsche und ermunterte die Tiere mit Rufen zu ihrer rasenden Fahrt durch den Wald. Das Erstaunliche an ihm war seine Kleidung: eine Monchskutte.
Eine Pferdelange hinter der Kutsche folgten vier berittene Krieger, jeder mit einer Lanze, an der ein viereckiges Stuck Seide flatterte.
Alle waren gut gekleidet und wohl bewaffnet; sie bildeten offensichtlich die Eskorte der Kutsche.
Alle hatten soviel Schwung, da? niemand die Stelle auffiel, an der Eadulf und Fidelma vom Weg abgebogen waren.