Er konnte naturlich bei irgendeinem der Tanks sein, die in der ganzen Lagune verstreut lagen. Er konnte irgendwo auf dem langeren Nordwestteil der L-formigen Insel sein, obwohl es dort keine Industrieanlagen gab — es war ein reines Wohngebiet, soweit es nicht von Dschungel uberwuchert war. Er mochte sich vor der Arbeit drucken, sagte Bob zu seinem Partner, und sich irgendwo am Rand der Lagune herumtreiben, obwohl das nicht sehr wahrscheinlich war. Jeder Bewohner der Insel war von Geburt an Aktionar der Gesellschaft, und fur Parasiten hatte man nicht viel Verstandnis.
Die Suche endete kurz vor Mittag, als Bobs Muskeln nicht mehr mitmachten. Weder er noch der Jager waren daruber uberrascht. Man konnte nichts anderes dagegen tun, als eine Ruhepause einlegen.
Sie befanden sich in der Nahe des nordostlichen Endes der Insel, an einem Berghang, und vor ihnen erstreckte sich das Korallenriff; die Lagune lag links von ihnen, zur Rechten die weite Leere des Pazifik. Es gab keine Hauser auf diesem Teil von Ell, man sah jedoch Teile von drei Kultur-Tanks hinter dem Bergkamm. Sie befanden sich auf der Stra?e, die hier sehr schmal war und zwischen weiten Flachen von Pflanzen fur die Tanks hindurchfuhrte — einem schnellwachsenden Zeug, das sta ndig abgeerntet und in die Kultur-Tanks geworfen wurde, als Nahrung fur die kohlenstoffbildenden Bakterien. Es war niemand in Sicht, stellten Bob und der Jager erleichtert fest.
Sich hinzulegen war unangenehm, aber unvermeidlich; Bob mu?te sich ausruhen. Der Boden bestand zum gro?ten Teil aus fauligen Tank-Ruckstanden, und das war einer der Grunde, warum niemand hier wohnte. Der Gestank war dem Jager genauso widerlich wie seinem Gastgeber; ersterer vermied ihn, indem er sich aus Bobs Lungen zuruckzog, wo er normalerweise einen kleinen Teil seiner Substanz im Strom des eingeatmeten Sauerstoffs deponierte, und begnugte sich mit dem, was er aus Bobs Blutkreislauf ziehen konnte. Sein Sauerstoffbedarf war minimal, solange er nicht unabhangig von seinem Gastgeber agierte.
„Es ist alles andere als schon hier, und ich wei?, da? der Gestank dich auch stort, aber es la?t sich nun mal nicht andern“, sagte Bob, als er sich neben seinem Fahrrad auf den Boden setzte. „Ich mu? mich wenigstens auf den Beinen halten konnen, wenn wir unsere Verabredung mit Jenny heute Nachmittag einhalten wollen.“
„Vielleicht kommen wir von hier aus zum Haus des Doktors, wenn wir sehr langsam gehen“, schlug der Symbiont vor. „Sollten wir es nicht wenigstens versuchen? Vielleicht ware es gut, wenn er dich in diesem Zustand untersucht, und auch, wenn du dich bis vier Uhr nicht erholt haben solltest, kannst du trotzdem mit dem Madchen sprechen.“
„Zwei Meilen zu Fu? gehen? Das schaffe ich nie.
Au?erdem, wenn ich in diesem Zustand ins Haus kommen wurde — wahrscheinlich auf Handen und Fu?en kriechend —, wurde sie dafur eine Erklarung verlangen.“
„Ich habe daruber nachgedacht“, antwortete der Symbiont. „Wenn du ihr Boot ausleihen willst, wirst du ohnehin eine Menge zu erklaren haben, wie du es selbst ihrem Vater gesagt hast. Au?erdem kannst du die Suche nicht allein durchfuhren; weder deine Eltern noch der Doktor haben oft Zeit, dich zu begleiten. Es ist ihr Boot; sie wird wahrscheinlich ohnehin gelegentlich mitkommen wollen, und dann mu?ten wir uns schon etwas sehr Uberzeugendes einfallen lassen, um zu begrunden, warum sie nicht mitkommen darf. Bob, ich wei?, da? es dir noch weniger gefallt als mir. Schlie?lich folge ich lediglich einer sehr vernunftigen Vorschrift, die vollig legal gebrochen werden darf, wenn die Umstande es erforderlich machen, wahrend du vollig zurecht befurchtest, da? man dich fur verruckt oder fur einen Lugner halt, wenn du deine Geschichte nicht belegen kannst; aber ich habe inzwischen erkannt, da? wir mehrere Wesen deiner Spezies fur dieses Projekt brauchen werden — und da? sie dazu voll informiert werden mussen.“
„Kannst du wirklich riskieren, deine Vorschriften zu brechen?“
„Ich werde mich wahrscheinlich dafur rechtfertigen mussen, doch wir neigen dazu, die Handlungsweise des Mannes, der mit einer au?ergewohnlichen Situation konfrontiert wird, zu respektieren. Ich habe von dieser Freiheit bereits einige Male Gebrauch gemacht, bei dir, bei dem Doktor und bei deinen Eltern, und ich mache mir nicht die geringsten Sorgen daruber, da? man mich dafur bestrafen konnte, wenn wir gefunden werden. Ich bin vollig sicher, da? keiner von euch sein Wissen auf eine Weise verbreitet, da? die Arbeit eines eventuell hier arbeitenden Forschungsteams dadurch gestort wird. Ich bin jetzt uberzeugt, da? wir noch ein paar weitere Mitglieder brauchen, wenn wir dein Leben retten wollen — und das halte ich fur wichtiger, als ein paar Prinzipien heilig zu halten.“
„Und du glaubst, da? Jenny dafur geeignet ist?“
fragte Bob.
„Das kann ich noch nicht sagen; aber wahrscheinlich ist sie es. Sie mu? intelligent sein, sonst konnte sie nicht die Arbeit verrichten, die ihr Vater ihr zugeteilt hat. Sie scheint physisch kraftig zu sein — sie ist fast so gro? wie du, und sicher auch fast genauso schwer. Wenn sie ihr Boot haufig benutzt, ist anzunehmen, da? ein angemessener Teil dieses Korpergewichts aus Muskeln besteht. Noch eine Bemerkung zu ihrer Arbeit: offensichtlich vertraut ihr Vater ihrer Diskretion, sonst wurde er sie nicht mit Krankenblattern arbeiten lassen. Eure Spezies hat einen nach meinem Dafurhalten ubertriebenen Respekt vor der privaten Sphare. Uberlege es dir — doch ich glaube, da? ich recht habe.“
Bob uberlegte nicht sehr lange; er schlief ein. Das war eine der storendsten menschlichen Angewohnheiten, fand der Jager. Er selbst konnte nicht schlafen, jedenfalls kannte er keinen Schlaf, wie ihn die Menschen verstanden. Er blieb bei Bewu?tsein, solange er genugend Sauerstoff bekam. Die humanoiden Gastgeber seines Heimatplaneten verbrachten weniger als ein Zehntel der Zeit im Schlaf; die kulturelle Situation basierte auf dieser Tatsache und gab den Symbionten wahrend dieser kurzen Perioden genugend zu tun.
Wenn und falls Bobs medizinisches Problem gelost worden war, mu?te der Jager einige schwierige Details ihrer Partnerschaft ausarbeiten. Aber wahrscheinlich hatte das Forschungsteam — falls es sich dazu entschlo?, die Menschheit zu akzeptieren — dafur eine Losung bereit.
Inzwischen mu?te er jedoch selbst etwas tun. Die Vegetation um ihn herum war ihm fremd — die Pflanzenarten wurden wieder durch neue ersetzt —, und es bestand nur eine sehr geringe Chance, da? sich darunter einige von medizinischer Wirkung befanden. Der Jager streckte ein ziemlich langes Pseudopod aus der Hand seines Gastgebers und ri? winzige Proben des Materials heraus. Dann pre?te er sie fest an Bobs Haut, verdaute sie und untersuchte die Bausteine des Materials. Ein paar von ihnen schienen brauchbar, und er absorbierte einige ihrer Molekule durch Bobs Haut zwischen die Zellen der Unterhaut, um sie dort sehr sorgfaltig auf ihre biologischen Wirkungen zu untersuchen. Der Jager lie? den Teil seiner Substanz, mit der er das Pseudopod geformt hatte, nicht lange au?erhalb von Bobs Korper; das Sonnenlicht brachte ihn dazu, sie rasch wieder zuruckzuziehen. Die Zwillingssonnen von Castor C produzierten lediglich wahrend regelma?ig auftretender Helligkeitsperioden kraftige Ultraviolettstrahlen, und er reagierte sehr empfindlich darauf.
Er verbrachte den Rest der Ruhepause mit Untersuchungen. Er mu?te experimentieren; so gefahrlich es auch sein mochte, Unwissenheit war noch gefahrlicher. Er verstarkte und verminderte seine Hormonsekretion, versuchte zu entscheiden, wann sie nur eine Primarwirkung hatte, und wann sie auch die Sekretion von anderen beeinflu?te…
Es war Detektivarbeit, doch er wunschte, er hatte sich wahrend seiner Studienzeit, vor etwa zwei Menschenaltern, grundlicher mit der Biochemie befa?t.
4
Arrangements und Leute
Bob Kinnaird erwachte und spurte, da? die Schwache im Moment abgeklungen war, er aber jetzt einem neuen Problem gegenuberstand. Er hatte seit dem Fruhstuck nichts gegessen, da die Suche ihn nicht in die Nahe seines Hauses gefuhrt hatte, und sein Magen war vollig leer, was der Jager jederzeit bezeugen konnte. Trotzdem verspurte er ein wurgendes Ubelkeitsgefuhl. Sogar der Gedanke an Essen krampfte seinen Magen zusammen, und um ein Haar hatte er sich ubergeben. Er wagte nicht, in diesem Zustand aufs Rad zu steigen, da er befurchtete, irgendwann doch an Essen zu denken, also gingen sie zu Fu? zum Dorf, und er schob das Rad.
Nach einer Meile etwa lie? die Ubelkeit nach, aber da keiner von ihnen den Grund dafur kannte und sicher sein konnte, da? sie nicht wiederkehren wurde, beschlossen sie, nicht zu fahren, sondern weiter zu Fu? zu gehen.
Die Stra?e war hier breiter, und immer haufiger sahen sie Hauser zu beiden Seiten. Der Jager entdeckte