Naturlich konnte in dem Teenage-Set auf der Insel irgend etwas im Gange sein, von dem ich nichts erfahren habe; das kannst du besser von einem der jungeren Leute erfahren. Sogar Daphne ist da vielleicht besser unterrichtet als ich.“
Aber es ergab sich keine Gelegenheit, mit seiner Schwester zu sprechen; sie schien nach Schulschlu? mit Freunden fortgegangen zu sein, und ihre Mutter erwartete sie nicht vor dem Abendessen zuruck. Bob ruhte sich bis kurz vor vier Uhr aus und fuhr dann zu Seevers Haus zuruck. Er hatte sich erst nach einigem Zogern und einer Beratung mit dem Jager dazu entschlossen, das Rad zu benutzen. Einerseits wurde es ihm den Weg erleichtern und den nachsten Ermudungsanfall hinausschieben, andererseits ware es eine zusatzliche Belastung, wenn ihm wieder ubel werden sollte.
Auch der Jager konnte ihm nicht sagen, welche der beiden Moglichkeiten wahrscheinlicher war, da er fur beides die Ursache nicht feststellen konnte, also riet er zum Fahrrad.
Es waren noch immer Patienten im Wartezimmer, als sie das Haus des Arztes betraten, und Jenny sa? noch an ihrem Schreibtisch. Als sie Bob sah, schob sie Papiere, die vor ihr lagen, jedoch sofort in einen Ordner, stand auf und trat auf ihn zu.
„Gehen wir“, sagte sie. „Ich werde dir das Boot zeigen, wenn du noch immer daran interessiert sein solltest.“
„Und was ist mit den Leuten hier?“ fragte Bob ein wenig uberrascht.
„Die brauchen mich nicht. Sie wollen zu Dad, nicht zu mir. Glaubst du, er ist so formlich geworden, da? jeder vom Wartezimmer ins Sprechzi mmer eskortiert werden mu??“
„Heute Vormittag sah es fast so aus.“
„Unsinn. Er erwartet nur, da? ich mich nutzlich mache und taktvoll bin.“
„Und auch dekorativ?“ Ihre Augen, etwas mehr als zwei Zoll unterhalb den seinen, musterten eine Sekunde lang sein Gesicht, sonst zeigte sie keine Reaktion auf seine Bemerkung.
„Davon war nicht die Rede. Solange die Unterlagen in Ordnung sind und er finden kann, was er braucht, verdiene ich mein Brot.“
Sie traten vor die Tur, und Bob deutete auf den Fahrradstander. „Fahren oder laufen?“ fragte er.
„Laufen. Der Weg fuhrt zum gro?en Teil durch lockeren Sand.“ Sie ubernahm die Fuhrung, und sie gingen nicht zu der Stra?e, sondern direkt zum Ufer hinab, auf engen, gewundenen Sandwegen, die zwischen Hausern und Vorgarten hindurchfuhrten. Das Madchen schien keine Notwendigkeit zur Konversation zu sehen, und der Jager zog es vor nachzudenken. Bob jedoch glaubte, da? Zeit zu kostbar sei, um sie verschwenden zu konnen.
„Ich habe kurz vor dem Essen Shorty getroffen.
Was hat er eigentlich gegen dich?“
Das Madchen blieb stehen und blickte ihn an. Sie wirkte irgendwie gro?er. „Willst du das Boot oder nicht?“ fragte sie.
„Das kann ich dir erst sagen, wenn ich es gesehen habe, oder, besser, nachdem ich es ausprobiert habe“, antwortete Bob. Sein Ton verriet Verargerung; der Jager wu?te, da? sie nur gespielt war, doch Jenny merkte es glucklicherweise nicht. „Glaubst du, ich lasse meine Entscheidungen von Shorty treffen? Ich habe gefragt, was er gegen dich hat, nicht gegen dein Boot.“
Jenny ging weiter. „Ich wei? auch nicht, warum er so ist. Ich habe mir die Plane und Bestandteile per Post schicken lassen, und als ich mit dem Zusammenbau begann, bot er mir seine Hilfe an — er sagte sogar, er wurde es fur mich fertig bauen. Ich sagte, ich wollte versuchen, ob ich es nicht auch ohne Hilfe schaffen wurde, und von dem Tag an habe ich nicht mehr ein einziges hofliches Wort von ihm gehort. Er fragt mich standig, ob schon Motten hineingekommen seien, oder ob es eine Laufmasche habe, oder was er sonst noch fur komisch halt. Ich mache dir keinen Vorwurf daraus, da? du mit ihm befreundet bist, aber mein Freund ist er nicht.“
„Vielleicht empfand er es als eine Krankung, als du seine Hilfe ablehntest.“
„Vielleicht. Ich jedenfalls empfand die Art, wie er mir seine Hilfe anbot, als Krankung; es klang, als ob ich nicht die geringste Chance hatte, es allein zu schaffen. Ich wei? nicht, warum er das glaubte, weil ich eine Frau bin, oder nur, weil ich nicht Kenneth Malmstrom hei?e und weniger als sechseinviertel Fu? gro? bin.“
„Wie ich Shorty kenne, war es wahrscheinlich das letztere“, sagte Bob beruhigend. „Er hat auch uns fruher so behandelt, aber wir haben das nie ernst genommen. Wenn er zu arrogant wurde, brauchte man ihn nur etwas zusamme nzustauchen, dann gab er fur ein paar Wochen Ruhe. Als ich zum letzten Mal hier war, hatte ich den Eindruck, da? er dieser Kinderkrankheit entwachsen sei.“
„Vielleicht, so weit es dich betrifft. Zusammenstauchen hilft nichts, jedenfalls nicht, wenn ich es versuche. Er wei?, da? das Kajak eine saubere Arbeit ist. Er hat es gesehen, und er hat auch gesehen, da? andere damit gefahren sind, aber jedes Mal, wenn er mich trifft, macht er irgendwelche Bemerkungen daruber. Ich wette, er hat auch dir gege nuber gelastert.“
„Er hat ein paar vage Bemerkungen gemacht. Wie gesagt, ich werde mir selbst meine Meinung bilden, wenn ich das Boot sehe. Wenn du und andere es haufig benutzt haben, mache ich mir keine Gedanken um das Boot selbst, aber ich mu? mich uberzeugen, da? es fur das, was ich vorhabe, gro? genug ist.“
„Und was hast du vor? Oder glaubst du, ich bin zu dumm, es zu begreifen?“
„Warum sollst du es nicht wissen? Ich mu? nach bestimmten Dingen suchen. Eins davon liegt — oder lag jedenfalls — bei einer der Riff-Inseln, Apu. Jeder Untersatz, der mich dorthin bringt, ist mir recht.
Ein anderes liegt mit Sicherheit au?erhalb des Riffs, und deshalb brauche ich ein Boot, von dem aus ich tauchen kann, wenn meine Ausrustung eingetroffen ist.“
„Du meinst Pumpen und so was? Dazu ist mein Kajak zu klein.“
„Nein. Ich meine eine Ausrustung zum Freitauchen, mit Maske und Lufttank. Vielleicht hast du schon davon gehort.“
„Gelesen. Und du bekommst so etwas?“
„Sowie ich das Geld dazu habe. Es sei denn, Dad kann eine fur mich ausleihen. Ich habe noch keinen Zahltag gehabt.“
„Das mu? Spa? machen. Seit ich daruber gelesen habe, wunsche ich mir, auch einmal damit zu ta uchen. Kann ich mitkommen?“
Bob hatte diese Frage naturlich erwartet, doch war ihm keine plausible Ausrede eingefallen.
„Du meinst, abwechselnd tauchen? Ich kann mir nur eine Ausrustung leisten.“
Jenny blieb wieder stehen und blickte ihn an, diesmal mit vorgeschobener Unterlippe und einem belehrenden Gesichtsausdruck.
„Ich wei?, da? Shorty diesen Spitznamen seinem Gehirn verdankt, nicht seiner Gro?e, aber ich bin sicher, nicht einmal er wurde auf den Gedanken kommen, allein zu tauchen. Hast du mehr Leben als Geld, oder was? Vielleicht sollte ich dir mein Boot lieber doch nicht anvertrauen.“
Selbst der Jager war uberrascht. Bob verschlug es die Sprache. So unvorstellbar es war, keiner von ihnen hatte an diese Sicherheits ma?nahme gedacht, trotz der Erfahrung des Jagers, da? die Menschen dazu neigten, bis zur au?ersten Grenze ihrer Belastbarkeit zu gehen, und trotz seiner Angst, in welche Gefahren diese Neigung seinen Gastgeber bringen mochte — und trotz seines Wissens, wozu sie, zum Gluck fur den Jager, Bobs Vater verleitet hatte.
Der Leichtsinn ihres Vorhabens, Bob allein unter Wasser arbeiten zu lassen, war ihnen nie zu Bewu?tsein gekommen; und auch nicht die Tatsache, da? der Jager nichts tun konnte, wenn Bob ertrank.
Er konnte zwar ein recht effektives Kiemensystem aus seiner Substanz formen, doch hatte er davon nur vier Pfund, und ein Mensch braucht eine Menge Sauerstoff. Wahrscheinlich wurde es ihm gelingen, Bob fur eine Weile unter Wasser am Leben zu erhalten, aber sicher nicht bei Bewu?tsein und ganz gewi? nicht aktiv, besonders in warmem Wasser.
Die Loslichkeit von Gasen, also auch von Sauerstoff, nimmt bei steigenden Temperaturen ab.
„Du hast recht!“ sagte Bob entgeistert. „Das haben wir vollig vergessen… zumindest“ — er versuchte, eine Erklarung fur den Versprecher zu finden und brauchte eine Weile dazu — „zumindest
„Dann mu? sie fur dich wichtig sein.“
„Ja. Eine Frage von Leben und Tod, um ein Schlagwort zu gebrauchen.“ Der Jager war jetzt fast sicher, da?