sein Gastgeber die Notwendigkeit erkannt hatte, mehr Helfer hinzuziehen zu mussen, obwohl seit ihrer Diskussion am spaten Vormittag nicht mehr uber dieses Thema gesprochen worden war. Der Jager hatte sich inzwischen davon uberzeugt, da? Jenny als Helfer sehr geeignet war. An sich hatte er sich vorgenommen, seinen Partner nicht zu drangen, doch jetzt sah er sich gezwungen, seinen Vorsatz zu brechen.

„Du wirst es ihr sagen mussen“, vibrierte er in Bobs Ohr.

„Sie wird glauben, da? ich genauso verruckt bin wie Shorty. Wir werden es noch ein bi?chen aufschieben.“ Bobs Stimmbander vibrierten kaum, doch der Jager war auf die Antwort vorbereitet und verstand sie.

Laut sagte Bob zu Jenny: „Ich denke, da? ich dir spater mehr erzahlen kann. Das Geheimnis gehort mir nicht allein.“ Das entsprach zwar im Prinzip der Wahrheit, war jedoch so zweideutig, da? es den Jager ein wenig storte. „Ich werde dir jetzt nur etwas davon erzahlen — meinen Anteil daran. Ich habe ein Problem, das mich toten wird, wenn es nicht bald gelost wird. Dein Vater wei? davon, da es teilweise medizinisch ist, doch ich will dir Genaueres erst sagen, wenn ich mit ihm und mit einem anderen gesprochen habe. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht ubel.“

„Ein wenig schon, aber das braucht dich, nicht zu storen. Wei? deine Familie davon?“

„Nur meine Eltern, Silly nicht.“

„Okay. Ich bin so neugierig, da? ich dir brennende Streichholzer zwischen die Zehen stecken konnte, aber ich werde warten. Ich warne dich: ich werde alles aus Dad herausquetschen, was ich kann.

Naturlich spricht er sonst nicht uber Patienten, aber ich habe da meine besonderen Methoden.“

„Gib dir Muhe.“ Bob war fast glucklich uber ihre Antwort. Ihm ware es lieber, wenn sie die ganze Geschichte von jemand anderem horte und nicht von ihm; in. dem Fall, ob sie daran glaubte oder nicht, wurde sie wenigstens nicht an seinem Verstand zweifeln. Der Jager hatte an diese Facette des Problems nicht gedacht, war jedoch mit dem bisherigen Verlauf des Gesprachs recht zufrieden.

Bob uberlegte, ob er sich mit dem Arzt in Verbindung setzen sollte, bevor seine Tochter mit ihm sprechen konnte, sah jedoch ein, da? er dadurch nichts gewinnen konnte. Die arztliche Schweigepflicht wurde Seever naturlich am Reden hindern; aber wenn seine Tochter clever genug war, diese Barriere zu durchbrechen, war sie sicher auch clever genug, um ihm und dem Jager nutzlich zu sein.

Das Boot sah recht gut aus. Es war jedoch so anders als die auf der Insel sonst ublichen Boote, da? der Jager und sein Gastgeber begriffen, warum Malmstrom, der nicht die Angewohnheit hatte, uber seine Umwelt nachzudenken und sie zu analysieren, es fur komisch hielt. Es war klein, sein Heck lief genauso spitz zu wie sein Bug und bestand aus einem mit Leinwand bespannten Holzskelett. Folglich war es sehr leicht.

„Man nennt es ein Kajak, falls du so etwas noch nicht gesehen haben solltest“, sagte Jenny ein wenig nervos, als Bob es eingehend betrachtete. Sie befurchtete offensichtlich, da? er genauso reagieren wurde wie Malmstrom. „Ic h habe es aus einer Art Baukasten zusammengesetzt, den ich mir per Post aus den Staaten schicken lie?. Es ist sicher und liegt gut auf dem Wasser, und ich bin mit ihm mehrmals au?erhalb des Riffs gewesen, ohne irgendwelche Probleme zu haben.“

„Sieht sehr gut aus“, stimmte Bob zu. „Vor allem — es ist leicht und mu? wie ein Kork auf dem Wasser liegen, wenn es nur mit einer Person besetzt ist.

Aber kann ein Taucher auch wieder an Bord klettern, ohne es umzuwerfen?“

„Klar. Ich bin oft vom Boot aus ins Wasser gesprungen und hatte niemals Schwierigkeiten. Es ist schon ein kleiner Trick dabei, aber den werde ich dir beibringen.“

„Okay. Wenn du mir das Boot leihst, sehe ich mich morgen in Apu um. Ich wurde am liebsten gleich losfahren, aber wir haben nur noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang.“

„Darf ich mitkommen? Oder willst du nicht, da? ich sehe, was du suchst?“

„Was wetten wir, da? sie es bis dahin ohnehin wei?“, murmelte der Jager. Bob zogerte und blickte das Madchen nachdenklich an. Sie gab seinen Blick ruhig zuruck; ihre defensive Nervositat war verschwunden.

„Ist das eine Bedingung fur das Ausleihen des Bootes?“ fragte Bob schlie?lich. Sie schuttelte den Kopf und bewies damit, da? sie so intelligent war, wie der Jager es vermutete. Als Bob wieder ins Schweigen verfiel, nahm sie den breitkrempigen Hut ab, mit dem sie ihre etwas blasse Haut vor der Sonne schutzte, und lie? ihr mahagonifarbenes Haar im Wind wehen. Um gerecht zu sein, sie setzte ihr gutes Aussehen, dessen sie sich naturlich bewu?t war, nicht ein, um die Entscheidung des jungen Mannes zu beeinflussen. Und das war gut so, da weder Bob noch der Jager auch nur den geringsten Sinn dafur hatten. Ihr Korper von funf Fu?, acht Zoll Gro?e und hundertzwanzig Pfund Gewicht hatten wahrscheinlich noch niemals so wenig Wirkung auf einen mannlichen Betrachter ausgeubt.

„Okay“, sagte Bob schlie?lich. „Sonnenaufgang ist gegen Viertel vor Sieben. Kannst du dann hier sein?“

„Sicher. Willst du das Boot jetzt ausprobieren?“

„Warum nicht? Das Doppelpaddel sieht aus, als ob es einige Ubung erfordert.“

„Kann ich auch mitkommen?“ sagte eine andere Stimme. Bob wandte sich um und sah den kleinen Jungen, der ihn kurz nach Mittag angesprochen hatte. Jenny zeigte keinerlei Uberraschung, da sie ihn hatte kommen sehen. Sie beantwortete seine Frage, ohne Bob durch ein Wort oder einen Blick um seine Meinung zu fragen.

„Okay, Andre. Du sitzt vorn.“

„Darf ich auch paddeln?“

„Eine Weile. Bob mu? uben.“

Jenny warf ihren Hut auf den Sand, schwang das Kajak uber ihren Kopf und wies Bobs Angebot, ihr zu helfen, mit einer Handbewegung ab. Der Junge machte so ein Angebot nicht, er hob nicht einmal den Hut auf.

Bob schlenkerte seine Mokassins von den Fu?en, rollte die Hosenbeine bis zu den Knien, hob den Hut auf und reichte ihn Jenny, als sie das Kajak in das flache Uferwasser gesetzt hatte. Sie hatte sich nicht die Muhe gemacht, ihre Jeans und Sandalen trocken zu halten; sie setzte sich in die Mitte des Bootes, forderte Bob mit einer Kopfbewegung auf, sich hinter sie zu setzen, wartete, bis Andre auf den vorderen Platz geklettert war und begann zu paddeln.

Ohne sich umzuwenden, sagte sie: „Morgen solltest du etwas mehr anziehen, Bob. Deine Haut ist wahrscheinlich nicht so empfindlich wie die meine, aber ohne Hut und nur mit einem T-Shirt wurde es dir ziemlich schlecht gehen, bevor der Tag vorbei ist. Du bist lange nicht in der Sonne gewesen.“

„Du hast recht“, gab Bob zu. Sie schwiegen me hrere Minuten lang, wahrend das Madchen das kleine Boot vorwarts und ruckwarts manovrierte und Wenden nach beiden Seiten fuhr. Schlie?lich reichte sie das Paddel uber ihren Kopf.

„Nichts dabei“, sagte sie zu Bob. Er hatte keine Schwierigkeiten, das kleine Boot zu beherrschen, wobei ihm seine lange Erfahrung mit Ruderbooten naturlich eine Hilfe war — das dritte Newtonsche Gesetz ist eben uberall gultig. Hin und wieder gab ihm das Madchen einen Tipp, aber er hatte keinerlei Schwierigkeiten mit dem Kajak.

„Ich wei? nicht, was Shorty gegen dein Boot hat“, sagte er schlie?lich. Der Junge, der vor Jenny sa?, beantwortete die Frage, ohne sich umzuwenden.

„Ich habe dir doch gesagt, da? er dumm ist.“ Bob gelang es nur mit Muhe, das Lachen zu unterdrucken.

„Du und Jenny mu?t gute Freunde sein“, sagte er.

„Ich kenne Andre fast seit seiner Geburt“, sagte das Madchen. „Ich habe bei ihm und seinen Schwestern oft Babysitter gespielt. Meistens sind wir recht gute Freunde.“

„Jedenfalls mag er dein Boot.“

„Du nicht?“

„Doch. Es reicht auch zum Tauchen, wenn es nur mit zwei Menschen besetzt ist.“

„Wenn zwei tauchen, brauchen wir einen dritten, der im Boot bleibt“, erklarte Jenny. Bob nickte nachdenklich und schwieg ein paar Sekunden lang.

„Wir werden irgendeine Losung finden“, sagte er schlie?lich. „Es wird ohnehin eine Weile dauern, bis die Tauchausrustungen eintreffen, furchte ich.“

„Ihr wollt tauchen?“ fragte Andre aufgeregt. „Ich werde mit dem Kajak fertig. La?t mich mitko mmen!“

„Vielleicht“, sagte Jenny. „Das mu? Bob entscheiden. Du mu?t ihn davon uberzeugen, da? er dich dabei haben will. Ich werde ihm gerne bestatigen, da? du recht gut mit dem Kajak zurechtkommst, aber du mu?t dir Muhe geben, deine Chancen nicht zu verderben.“ Sowohl Bob wie auch der Jager hatten das Gefuhl, da? sich ein bestimmter Sinn hinter dieser sehr umstandlichen Bemerkung verbarg. Beide waren der Meinung, da? er in irgendeiner Verbindung zu den kindischen Streichen stand, deren Malmstrom den Jungen beschuldigt ha tte. Es

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