Wahrscheinlich hatte er diese Frage ohnehin als unwichtig und unlosbar beiseite geschoben, selbst wenn seine Aufmerksamkeit nicht abgelenkt worden ware.
Bob war mit seinem Rad zur Bibliothek gefahren.
Maeta begleitete ihn bis zur Haustur, als er sich verabschieden wollte, obwohl sie sofort zuruckgehen und beim Sortieren der Bucher weitermachen wollte, und Bob wandte den Kopf, um die ublichen Abschiedsworte zu murmeln, als er sich auf sein Rad schwang. Eine Sekunde spater lag er auf dem Beton der Stra?e.
Der Jager kategorisierte sofort die Schaden: schwere Abschurfungen am linken Knie, an der linken Schulter und am linken Ellbogen. Nicht ganz so schnell ging es zu entscheiden, welche Schutz- und Heilma?nahmen zu treffen waren. Wenn Bob allein gewesen ware, hatte er nicht einen einzigen Tropfen Blut verloren; doch Maeta und ein paar andere Menschen, die sofort herbeigelaufen waren, wurden sich vielleicht Gedanken daruber machen, da? jemand einen solchen Sturz ohne Verletzungen uberstehen konnte. Vielleicht sollte ich ihn ein wenig bluten lassen, uberlegte der Jager; nicht so stark, da? irgendwelche Schaden auftreten konnten, sondern nur so viel, da? es naturlich wirkt.
Andererseits, uberlegte er, war das Konzept von ›Gluck‹ bei den Menschen sehr verbreitet, und er hatte beobachtet, da? viele Mitglieder dieser Spzies die unglaublichsten Vorkommnisse mit einem Schulterzucken abtun konnten, indem sie dieses Wort gebrauchten. Der Jager beschlo?, es darauf ankommen zu lassen. Er folgte seiner naturlichen Neigung, versiegelte alle offenen Blutgefa?e und nahm sich dann die Mikroorganismen vor, die in die Wunden eingedrungen waren.
Sein Partner war trotz der Uberraschung sofort wieder auf den Beinen, bevor einer der anderen in seine unmittelbare Nahe gekommen war. Er fuhlte sich vor allem beschamt und verlegen, und diese Gefuhle wurden durch die Bemerkung eines der jugendlichen Zuschauer nicht gerade gemildert.
„Man sollte annehmen, da? einer sieht, wohin er fahrt, auch wenn ein Madchen in der Nahe steht, meint ihr nicht auch?“
„Ich habe nur…“ Bob brach den Satz sofort ab, weil er erkannte, da? alles, was er sagen mochte, fur einen zehnjahrigen Jungen nur neue Munition war.
„Was ist passiert, Bob?“ Maeta war zuruckgekehrt. „Bist du verletzt?“
„Nicht physisch. Mein Ego wird allerdings einige Pflaster brauchen. Ich kann mir uberhaupt nicht erklaren, was passiert ist. Das Rad ist einfach unter mir weggerutscht.“ Alle Kinder drangten sich jetzt um ihn und betrachteten prufend sein Fahrrad. Es schien vollig in Ordnung zu sein, doch als Bob vorsichtig wieder aufstieg, sah er, was los war: Vorderrad und Lenkstange standen nicht im rechten Winkel zueinander; wenn er die Lenkstange geradeaus richtete, wich das Vorderrad ein ganzes Stuck nach rechts ab. Normalerweise hatte das nichts ausgemacht; die Reflexe eines Radfahrers werden vom Input der Intertialsinne und dem allgemeinen visuellen Eindruck des Gelandes geste uert. Er starrt nicht standig auf das Vorderrad, um zu sehen, in welche Richtung es rollt. In diesem Fall aber hatte Bob das Fahrrad noch nicht richtig in Bewegung gesetzt, als er sein Korpergewicht auf das linke Pedal verlagerte und das rechte Bein uber den Sattel schwang. Naturlich hatte er das Vorderrad sofort scharf nach links gerissen, als er zu fallen begann, doch das Rad rollte noch viel zu langsam, um darauf zu reagieren, und so war es einfach unter ihm weggerutscht, wie er es gesagt hatte.
„Wenn einer Grips im Kopf hat, richtet er seine Lenkstange aus“, sagte der Junge, der schon fruher eine Bemerkung gemacht hatte.
„Du hast vollig recht“, stimmte Bob zu. „Alles in Ordnung, Maeta. Auf bald.“ Er schwang sich wieder auf sein Rad und fuhr die Stra?e hinab, diesmal ohne sich umzublicken.
„Solltest du die Lenkstange nicht lieber festziehen?“ fragte der Jager. „Du hast doch Werkzeug, nicht wahr?“
„Ja, in der Satteltasche. Sie ist aber nicht locker.“
„Aber…“ Der Jager schwieg, weil seine Gedanken den Worten weit vorauseilten.
„Richtig. Aber. Wir werden spater daruber nachdenken.“ Es war keine Zeit fur weitere Konversation, auch wenn sie Gesprachsstoff gehabt hatten.
Das Haus der Seevers war nur ein kurzes Stuck von der Bibliothek entfernt, und sie hatten es schon erreicht.
Jenny kam ihnen entgegen. Falls sie uber irgend etwas unglucklich gewesen sein sollte, als sie sich von ihnen getrennt hatte, so war davon jetzt nichts zu merken.
„Komm herein“, sagte sie zu Bob und lachelte ihn an. „Dad ist im Sprechzimmer, und wir mussen dir etwas zeigen.“ Sie fuhrte Bob in die Praxis ihres Vaters.
Seever sa? hinter seinem Schreibtisch und blickte interessiert in eine offene Kiste, etwa einen Quadratfu? gro? und einen halben Fu? hoch. Sie war aus dunnem Sperrholz, mit verpichten Sto?kanten und einer Gummidichtung auf der oberen Kante, damit der Deckel gut schlo?. Offensichtlich sollte er wasserdicht sein. Er enthielt eine Anzahl elektrischer Elemente — Spulen, Rohren und Batterien —, die Bob und den Jager vermuten lie?en, um was fur ein Gerat es sich handelte, obwohl ihnen die Details unbekannt waren. Bob hatte naturlich im Lauf seines Studiums eine ganze Reihe von Physikkursen belegt, und der Jager hatte die Vorlesungen und die Lekture zum gro?en Teil mitverfolgt, doch keiner der beiden hatte auch nur den leisesten Schimmer von der Funktion eines Metalldetektors.
„Das war wirklich schnelle Arbeit!“ rief Bob.
„Ganz und gar nicht“, antwortete Seever. „Es war schon fertig, lange bevor dein Vater danach gefragt hat. Tavakes Jungen benutzen es seit Monaten. Der einzige Grund, warum er es deinem Vater nicht sofort gegeben hat, als der ihn danach fragte, war, da? seine Kinder es gerade benutzten. Taro war ziemlich uberrascht, als Jenny heute vorbeikam und ihn ebenfalls darum bat. Er hat es ihr erst ausgehandigt, nachdem er sich versichert hatte, da? es sich um dasselbe Projekt handelte und sie es dir geben wurde.“
„In ein paar Tagen wei? sicher die ganze Insel Bescheid“, knurrte Bob.
„Nein, nein“, widersprach Jenny. „Mr. Tavake wei? nicht, um was es geht. Ich jedenfalls habe ihm nichts gesagt, und dein Vater sicher auch nicht.“
„Er wei? zumindest, da? mehrere Menschen etwas vorhaben, wozu man einen Metalldetektor braucht. Auch wenn niemand wei?, worum es sich handelt, wird sehr bald jeder auf der Insel zumi ndest soviel wissen — und die Namen der Leute ke nnen, die daran beteiligt sind. Aber das la?t sich wohl nicht vermeiden, furchte ich. Falls wir jedoch in Zukunft wieder etwas brauchen sollten, wird sich nur einer von uns darum kummern.“
„Hast du Maeta etwas gesagt?“ fragte Jenny.
„Nein, naturlich nicht. Aber sie ahnt bestimmt, da? irgend etwas im Busch ist…“
„Ja, vor allem durch deine unvorsichtige Bemerkung, „sie mussen hier sein“. Wahrscheinlich wird sie mich nicht fragen, was ich wei?, aber bestimmt wird sie wissen wollen, ob ich etwas wei?. Was soll ich ihr dann sagen? Du hast dich gestern so aufgeblasen, als es um eine kleine Luge ging, nicht wahr?“
„Du wirst ihr naturlich die Wahrheit sagen“, knurrte Bob. „Soviel solltest du wissen. Aber denke daran, da? das Geheimnis nicht dir gehort.“ Bob blickte Jenny an, als er das sagte, und der Jager bedauerte, da? er die Reaktion des Arztes nicht beobachten konnte. Es ware interessant gewesen, sein Gesicht zu sehen, als Bob andeutete, da? seine Tochter es mit der Wahrheit nicht immer sehr genau nahm. Jetzt beteiligte er sich an dem Gesprach, doch als Bob den Kopf wandte und ihn anblickte, war er bereits bei einem anderen Thema, und sein Gesichtsausdruck hatte wahrscheinlich nichts mit Bobs fruherer Beme rkung zu tun.
„Bitte lasse mich wissen, was du ihr sagst, Jenny.
Maeta arbeitet von Zeit zu Zeit hier, wie du wei?t, und ich mochte keine Fehler machen, weil ich nicht wei?, was du ihr gesagt hast und was nicht. Ich bin der Meinung, da? sie ein sehr kluges Madchen ist und uns erheblich helfen konnte; doch verstehe ich sehr gut, da? Bob nicht noch mehr Menschen einweihen will.“
„Ich habe es gewu?t“, seufzte Bob. „Wen wollen Sie sonst noch dabei haben, da wir gerade beim Thema sind?“
„Ich wollte dir Maeta nicht aufdrangen, Bob, aber ich habe schon fruher von Jennys Mutter gesprochen.“
„Ich dachte, das sei klar.“
„Okay, sagen Sie es ihr. Aber wir wollen es wenigstens innerhalb unserer Familien lassen — vorlaufig jedenfalls. Naturlich, wenn ich irgendwann zu stark geschwacht sein sollte, um Entscheidungen zu treffen, sind Sie der Bo? und konnen tun, was Sie fur richtig halten. Und jetzt zu dem Metalldetektor? Wie funktioniert er?“