Wenn es uns nicht gelingen sollte, die Ursache fur das alles zu entdecken, und sie so simpel ist, da? man sie beseitigen kann… nun ja, er gibt zu, da? der Jongleur fruher oder spater einen der Teller fallen lassen wird.“
„Ich nehme an, er kann sich nicht einfach zuruckziehen und deine Heilung der Natur uberlassen“, sagte Mrs. Kinnaird.
„Die Natur ist nicht so stark an mir interessiert“, antwortete ihr Sohn. „Der Jongleur-Akt ist nicht mehr als das, was jeder Mensch durchmacht, und bei jedem fallt irgendwann ein Teller zu Boden — fruher oder spater. Wenn man den Dingen ihren Lauf la?t und Augen und Ohren verschlie?t, mag das „naturliche“ Resultate bringen, doch es ist alles andere als sicher, da? das eigene Uberleben unter die Rubrik ›naturlich‹ fallt. Man braucht Wissen, wenn man erreichen will, da? sich die Dinge nach seinen Wunschen entwickeln.“
„Aber der Jager verfugt doch uber Wissen! Du hast uns selbst gesagt, da? er in der Lage ist, Tausende, vielleicht Millionen von Chemikalien zu identifizieren — selbst so unglaublich komplexe Molekule wie Protein — und sie sogar produzieren kann. Du hast gesagt, falls du jemals Diabetes bekommen solltest, wurde er das deinem Korper fehlende Insulin selbst herstellen.“
„Das habe ich gesagt, das sage ich auch noch heute, und er tut es. Er kann eine Menge tun. Er tut eine Menge. Aber auch ihm sind Grenzen gesetzt, und diese Grenzen liegen leider ein ganzes Stuck vor der Moglichkeit, samtliche chemische Funktionen eines menschlichen Korpers zu ubernehmen.
Was du anscheinend nicht verstehst, ist die Tatsache, da? seine Fahigkeiten, so unglaublich sie sind, von der noch unglaublicheren Komplexitat dieses Problems ubertroffen werden. Du bist bestimmt realistischer als diese Spinner, die glauben, man konnte eine Brandwunde heilen, indem man Licht von einer bestimmten Farbung darauf fallen la?t, aber du verstehst trotzdem das Problem nicht.“
„Dann ist deine korperliche Schwache also eine chronische Angelegenheit?“ fragte Bobs Vater.
„Eigentlich nicht — ich will damit sagen, da? ich nicht standig abgeschlagen und mude bin. Einer der Teller, den er nicht richtig in der Balance halten kann, hat irgend etwas mit meinen Muskeln zu tun.
Der Jager kann nichts Spezielles an ihnen feststellen, auch nicht an ihren einzelnen Zellen oder in der Interaktion dieser Zellen oder an den Nerven, durch die sie miteinander verbunden sind; doch nachdem ich diese Erschopfungszustande bekam — nach Tatigkeiten, die mich hochstens ein wenig ermuden sollten — verlieren sie einfach jede Kraft.
Der Jager kann nicht nur keine Ursache dafur finden, er kann nicht einmal kurzfristig etwas dagegen tun, indem er etwas Zucker oder andere notwendige Substanzen direkt in die Zellen bringt. Es geht nicht darum, die Zellen besser mit Brennstoff zu versorgen oder starkere Impulse durch die Nervenbahnen zu schicken oder um andere Dinge — er konnte uns Tausende davon nennen, an denen es nicht liegt.“
Ein paar Minuten lang herrschte Stille.
Bobs Eltern konnten einfach nicht glauben, da? es fur das Problem keine Losung geben sollte. Es ging um ihr Kind. Eigentlich kein Kind mehr, und auch nicht ihr einziges, doch immerhin das ihre. Sie hatten es immer als selbstverstandlich angenommen, da? Bob noch leben wurde, wenn ihre Jongleure den letzten Teller fallen lie?en. Sie wagten nicht, laut zu sagen, da? es eine Losung geben musse, doch keiner von ihnen konnte an etwas anderes denken.
Keiner der beiden dachte bewu?t daran, dem Jager irgendwelche Vorwurfe zu machen, doch die Frau uberlegte sekundenlang, wie viel besser es gewesen ware, wenn der Jager sich in dem Arzt niedergelassen hatte, als seine Polizeiaktion abgeschlossen war — Seever ware vielleicht in der Lage gewesen, wirksame Gegenma?nahmen zu treffen, als das Problem noch in den Anfangen steckte.
Doch sie lie? diesen Gedanken nicht laut werden.
„Was hast du — und der Jager — jetzt vor?“ fragte sie statt dessen. „Ihr mu?t doch einen Plan haben.
Wenn nicht, wurdest du noch schlechter aussehen.“
„Glaubst du, da? Ben Seever etwas tun kann?“
fragte Arthur Kinnaird. „Er kann auf keinen Fall soviel wissen wie der Jager, auch wenn er Arzt ist, und nicht Detektiv.“
Bob nickte zustimmend; es war ein Punkt, den er und der Jager langst in Betracht gezogen hatten.
„Ich wei? nicht, was er tun kann, Dad, aber auf jeden Fall sind wir mit seiner Hilfe besser dran als ohne sie. Wir werden ihm morgen die ganze Geschichte erzahlen. Ich mu? ohnehin zu ihm, da ich mich arztlich untersuchen lassen mu?, bevor ich mit der Arbeit beginne. Morgen ist Freitag, und ich bin sicher, da? PFI ab Montag meine Muskelkraft zu beanspruchen gedenkt. Wenn Doc nichts anderes erreichen kann, ist es ihm zumindest moglich, mir schwere korperliche Arbeit zu ersparen. Wenn er mich fur arbeitsunfahig erklart, schicken sie mich vielleicht zu einer grundlichen Untersuchung nach Japan oder in die Staaten, und wir mussen auf jeden Fall hier bleiben.“
„Warum?“ fragten beide Eltern gleichzeitig.
Bob lachelte. „Haltet mich nicht fur verruckt, wenn ich es euch sage. Die Ausgangsbasis mag falsch sein, aber sie ist nicht verruckt. Unser erster Job besteht darin, eins der beiden Schiffe zu finden, die vor der Kuste von Ell vor fast acht Jahren abgesturzt sind. Was wei?t du uber luftunabhangige Tauchausrustungen, Dad?“
Arthur Kinnaird ignorierte die Frage und konterte mit einer eigenen.
„Was konnte euch das Schiff nutzen? Befinden sich Medikamente an Bord? Konnte irgend etwas diese lange Zeit im Seewasser uberdauert haben?“
„Wahrscheinlich nicht“, gab Bob zu. „Wir suchen auch weder nach Medikamenten noch nach irgendwelchen Geraten. Das Raumschiff des Jagers ist total vernichtet worden, und das andere wahrscheinlich auch. Wir brauchen etwas anderes von ihnen.“
Bobs Eltern blickten ihn abwartend an.
„Wir — der Jager und ich — haben mehr als zwei Jahre lang uber diese Sache nachgedacht und sind zu der Schlu?folgerung gekommen, da? dieses Problem, wenn uberhaupt, nur von Spezialisten der Rasse des Jagers gelost werden kann. So etwas ist ihnen bereits mehrmals passiert, wenn sie mit einer neuen Spezies in Verbindung kamen, und zumi ndest einige unter ihnen haben die Ursachen solcher Komplikationen feststellen konnen und wirksame Losungen gefunden.“
Arthur Kinnaird runzelte nachdenklich die Stirn; seine Frau wirkte hoffnungsvoller. Der Mann sprach als erster.
„Wie, um alles in der Welt, konnt ihr durch das Auffinden der Schiffe Kontakt mit Spezialisten vom Planeten des Jagers bekommen? Glaubt ihr, da? Funkgerate an Bord sind, die so weit reichen?
Und habt ihr uberhaupt feststellen ko nnen, woher er kommt? Ich glaube, er hat einmal gesagt, da? er sich zwischen all den Sternen hoffnungslos verirrt hatte?“
„Also, Dad, der Reihe nach, wenn es geht. Nein, keiner von uns beiden hofft darauf, da? wir an Bord der Schiffe irgend etwas Brauchbares finden werden. Funkgerate waren nutzlos, selbst wenn sie funktionierten; elektromagnetische Wellen wurden funfzig Jahre brauchen, um den Planeten des Jagers zu erreichen. Unsere Idee ist etwas weniger direkt und vielleicht auch weniger erfolgversprechend, aber doch mehr als nur Wunschdenken, glauben wir.
Es stimmt, da? der Jager fruher — bei unserer ersten Begegnung und auch eine ganze Weile danach — glaubte, sich hoffnungslos verirrt zu haben. Erst als ich auf dem College einen Kurs in Astronomie belegte — an dem er naturlich ebenfalls teilnahm —, bekam er eine Vorstellung davon, wie dunn die Sterne im Raum verteilt sind, und wie wenige von ihnen von den Leuten, die wahrscheinlich nach ihm suchen, uberhaupt in Betracht gezogen werden mussen. Er wei?, wie lange er unterwegs gewesen ist, auch wenn er die dabei zuruckgelegte Strecke in uns gelaufigen Ma?en nicht nennen kann. Seine Abflugrichtung war bekannt, obwohl naturlich niemand wissen konnte, wie weit er geflogen ist. Er ist sicher, da? ein Suchkommando nach ihm ausgeschickt wurde, als er einige Monate in unserer Zeitrechnung nach seiner Abreise nicht zuruckgekehrt war. Und er ist sogar noch sicherer, da? er keinem Sternensystem so nahe gekommen ist, um die Sucher von der Spur zu bringen; unser System war das erste, dem er und der Verfolgte sich genahert haben. Seine Freunde durften also keinerlei Schwierigkeiten haben, das Sonnensystem zu finden.“
„Aber es gibt neun Planeten im Sonnensystem“, wandte Mrs. Kinnaird ein, „und selbst, wenn sie ihre Suche auf diesen Planeten beschranken sollten, hatten sie eine Menge Quadratmeilen abzusuchen.“
„Das ist der Grund — oder einer der Grunde — warum wir eins der Schiffe finden mussen. Mit seiner Hilfe konnten wir die Chancen, von einer Suchgruppe gefunden zu werden, wesentlich erhohen.
Der Jager sagt, da? die Uberlichtgeschwindigkeitsmaschinen selbst in abgeschaltetem Zustand Kraftfelder entwickeln, die noch in einer Entfernung von vielen Millionen Meilenme?bar sind — nur dadurch war es ihm moglich, auf der Spur des anderen Schiffes zu bleiben. Er wei? zwar nicht genau, wie lange diese Kraftfelder