Viel stand mir ja nicht zu Gebote. Ich hatte keine Ahnung, ob ich den Eingang in dreihundert oder dreitausend Yard finden wurde. Erstere Annahme schien mir wahrscheinlicher, da das Madchen mit seinen Helfern sehr rasch wiedergekommen war, aber es war immerhin moglich, da? sie die Manner schon au?erhalb getroffen hatte. Nichts stand mit solcher Sicherheit fest, da? eine daraus entwickelte Vorgangsweise auch nur den Anstrich eines kalkulierten Risikos erhalten hatte. Eine Berechnung war unmoglich.
Aber ich mu?te mehr herausfinden. Meine ursprungliche Reaktion hatte sich ein wenig abgekuhlt — ich konnte nun glauben, was ich gesehen hatte, und mir war klar, da? andere es auch glauben konnten — doch diese Erkenntnis, uber die ich nun verfugte, war fur die Aufsichtsbehorde nicht annahernd so nutzlich, wie sie hatte sein sollen. Eine Polizeieinheit, die hier mehr sollte, als nur blind herumzutappen, mu?te wenigstens wissen, wo sie anfangen sollte. Ein richtiger Eingang ware der logischste Anfangspunkt. Naturlich war es unwahrscheinlich, da? das Zeltdach ein U-Boot ernsthaft abhalten konnte. Doch in Anbetracht der Flache, die das Zelt abdeckte, waren die Chancen sehr gering, an einem strategisch sinnvollen Punkt durchzubrechen.
Wahrscheinlich war es das Beste, alle Vorsicht au?er acht zu lassen und einfach Licht einzuschalten. Der zusatzliche Energieverbrauch wurde durch das zugigere Weiterkommen ausgeglichen, wenn ich endlich sehen konnte, wohin ich rollte. Damit war auch die Chance gro?er, den Einga ng zu erreichen, ehe mir der Saft zur Neige ging und damit automatisch der Ballast abgeworfen wurde. Falls man mich sichtete, wurden die Schwimmer zweifellos naher kommen und mich genauer angucken, und ich hatte die Chance, mir vor dem Auftauchen ihre Hochdruck-Technik naher anzusehen.
Ich bin von Natur aus ein vorsichtiger Mensch und uberdachte dies eine ganze Weile, ehe ich ganz uberzeugt war. Naturlich sprach sehr viel dagegen.
Nur weil ich bis jetzt nur Schwimmer und keine U-Boote gesehen hatte, hie? noch lange nicht, da? es hier keine Boote gab. Und wenn es welche gab, dann wurden sie dafur sorgen, da? ich niemals wieder an die Oberflache kam — aber dieses Risiko hatte ich ja vor Antritt des Ausfluges akzeptiert. So spielte ich minutenlang mit dem Gedanken PingPong. Dann holte ich tief Luft uber der Theorie, da? ich vielleicht nicht mehr viel davon abkriegen wurde, und schaltete einen meiner Scheinwerfer ein.
Ja, das war etwas anderes! Der Grund war felsig, wie ich richtig vermutet hatte, und sehr uneben — kein Wunder, da? ich mich mit meinen Beinen muhsam abstrampelte. Da ich nun aber bessere Sicht hatte, setzte ich mich wieder in Bewegung und kam, wie erhofft, viel schneller weiter, und das mit geringerem Energieaufwand. Ganz einfach war es trotzdem nicht. Ich rollte noch immer und mu?te wahrend des Rollens sowohl Beine als Lichter wechseln, doch der Fortschritt war immerhin ermutigend.
Jetzt sah ich auch um mich herum mehr Bewegung. Es gab jede Menge von Kleinlebewesen — Krabben und Verwandtschaft, die ich zuvor nicht hatte sehen konnen. Sie machten mir Platz und stellten keine gro?e Behinderung dar. Daneben gab es pflanzenahnliche Gewachse, die ich — weil sie von jeder naturlichen Lichtquelle sehr weit entfernt waren — als Schwamme oder ahnliches einstufte.
Soweit ich es beurteilen konnte, konnten sie mein Dahinrollen weder fordern noch behindern.
Fur den Vorteil der besseren Sicht auf kurze Entfernung mu?te ich mit schlechter Sicht auf entfernte Objekte bezahlen. Eine Schwimmergruppe hatte mich jetzt ganz leicht uberraschen konnen. Was dann aber tatsachlich passierte, war weniger voraussehbar. Ich verlor namlich die Orientierung.
Nicht im Sinne der Kompa?-Richtung und nicht vollstandig. Ich konnte links von mir immer noch das beleuchtete Gebiet ausmache n, wenn auch nicht so deutlich wie zuvor. Der Kompa? funktionierte, wenn er zufallig rechts oben zu liegen kam, doch mein Gefuhl fur oben und unten, das mehr auf meinem Ausblick auf ein paar Quadrat-Yards Meeresgrund beruhte als auf meinem Gleichgewichtssinn, wurde genasfuhrt, als Teile des Untergrundes plotzlich nicht mehr horizontal waren.
Die Veranderung mu?te allmahlich gekommen sein, andernfalls ich sie ja innerhalb des kleinen Feldes, das ich uberblicken konnte, hatte bemerken mussen. Eigentlich hatte ich keine schlechte Aussicht. Ganz plotzlich befand ich mich auf einem felsigen Abhang, der steiler war als alle vorherigen.
Noch ehe ich es richtig merkte, begann der Tank links abzurollen. Als ich wu?te, wie mir geschah, lie? ich ein Bein nach dem anderen in diese Richtung vorschnellen — ohne Erfolg.
Es war beileibe nicht so, als wurde man in einem Fa? bergab kollern. Es war eine langsame und anmutige Bewegung. Ich hatte mit Leichtigkeit im Tank aufrecht stehen bleiben konnen, wenn ich mich auf dieses Problem konzentriert und nicht mit der Steuerung herumgekampft hatte. Das nutzte mir aber so wenig, da? ich mich gleich auf meine Bequemlichkeit hatte konzentrieren konnen. Einige der Beinchen verlangsamten das Rollen ein wenig, keines aber konnte die Bergabbewegung bremsen.
Hilflos rollte ich in das beleuchtete Feld und auf das Zeltdachmaterial. Minutenlang war meine berichterstattende Aufmerksamkeit fast gleichma?ig zwischen oben und unten geteilt.
Uber mir konnte ich nun erstmals die Lichter ganz klar ausmachen.
Es handelte sich um ganz gewohnliche Hochdruck-Gas-Lampen, gro?er zwar, als die ansonsten fur Beleuchtungszwecke benutzten, sonst aber keineswegs au?ergewohnlich. Ich konnte jedoch noch immer nicht feststellen, wie die Lampen befestigt waren, denn ich bekam Augenschmerzen, wenn ich langere Zeit hinaufguckte.
Beim Hinuntersehen wiederum wurde meine Vorstellungskraft uberma?ig beansprucht, obwohl sie ja mittlerweile allerhand gewohnt war. Ich wu?te bereits, da? der Stoff bemerkenswert stark und dabei elastisch war. Ich hatte gesehen, wie er auf den Bug der
IV
Als das Rollen aufhorte, konnte ich gewohnlichen Meeresboden unter mir sehen — felsigen Untergrund ahnlich dem, uber den ich gerollt war. Momentan glaubte ich, ich ware kurz vor dem Zeltdach aufgehalten worden, aber mehrere Blicke durch verschiedene Fenster verdrangten diese Annahme. Ich war etwa funfzig Yards tief auf dem Ding gelandet und bis zum halben Durchmesser des Tanks eingesunken. Aus den uber diesem Niveau gelegenen Bullaugen konnte ich die Lichter uber mir und das glatte Material unter mir sehen.
Aus den unteren Fenstern konnte ich Felsboden mit gelegentlichen Schlammlochern und eine grunwei?e, ebenma?ig leuchtende Decke daruber sehen — offenbar das Material von der anderen Seite beleuchtet. Es war also durchscheinend. Doch der um die untere Tankhalfte gespannte Teil stellte fur das Sichtvermogen uberhaupt keine Schranke dar. Ein paar Fu?chen waren eben auf dieser Seite ausgefahren, und das Zeug umspannte sie als unsichtbare dunne Schicht — durchlochert hatten sie das Material also nicht, oder ich hatte nicht hier auf dem Dach gehangen. Da hatte jemand bei der Molekular-Architektur seine Phantasie ordentlich spielen lassen — was beweist, wie man von einer Reihe grundfalscher Pramissen manchmal zu einem richtigen Schlu? gelangen kann.
Aber warum uberhaupt ein Zelt? Der Meeresuntergrund darunter unterschied sich von dem an anderen Stellen nicht. In dem darunterliegenden Bereich konnte ich weder Menschen noch ein kunstliches Bauwerk entdecken. Nicht einmal Lebewesen anderer Art waren zu sehen, und ich gab mir alle Muhe beim Beobachten — einen Augenblick lang blitzte in mir gar der Gedanke auf, jemand konnte bei der Energieverschwendung so weit gegangen sein, naturliche Na hrungsmittel bei kunstlichem Licht wachsen zu lassen. Diese Vorstellung wenigstens pa?te zu der Gleichgultigkeit der allgemeinen Moral, was die Energie betraf. Menschen, die diese vielen Kilowatt in den Ozean hinein verpulverten, wurden auch nicht davor zuruckschrecken, ihren gerechten Anteil zu uberschreiten, indem sie Senf oder dergleichen anpflanzten. Der Meeresboden war der einzige Ort auf der Welt, wo ein solcher Trick abgezogen werden konnte, ohne da? man auf der Stelle von aufgebrachten Nachbarn erwischt wurde, von der Aufsichtsbehorde mal ganz abgesehen.
Das einzig Argerliche an der Theorie — abgesehen von dem naturlichen Widerstreben, an solche Me nschen zu glauben —, war die Tatsache, da? ich nichts wachsen sah. Was dies anlangte, so wu?te ich gar nicht, welche e?bare Pflanze unter dem Meeresspiegel gezogen werden konnte. Zweifellos gab es solche. Und wenn es keine naturlichen gab, dann konnte man immer noch auf die Ma?schneiderei von Genen zuruckgreifen.