tot, als wir ihn ins Boot legten. Wir wollten seine Leiche flussaufwarts ins Wasser werfen. Ich habe meinen Augen nicht getraut, als er sich plotzlich uber Bord gehievt hat. Wir glaubten, er sei untergegangen, weil wir ihn nicht finden konnten. Dabei hat er’s bis ans Ufer geschafft. Tapferer Kerl!«
Noch immer lag Hawkwood hilflos am Boden. Er wartete darauf, dass Scully zustach.
In diesem Moment flog die Tur krachend gegen die Wand.
»AAAHLEEE!«
Voller Entsetzen sah Hawkwood, dass Wiesel neben ihm auf die Planken prallte. Blut stromte aus einer klaffenden Wunde an seinem Hals. Der Gnom starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ein Knebel hinderte ihn am Schreien. Dann legte sich ein Schleier uber seine Augen.
Jago rammte seine Schulter Scully mit derartiger Wucht in den Leib, dass der Halunke rucklings uber den Tisch fiel. Dabei stie? die Spitze seines Entermessers an die Laterne, die vom Deckbalken hing. Sie prallte gegen das Schott, und das Glas zerbrach. Sofort ergoss sich brennendes Petroleum uber die Koje und setzte Decken und Matratze in Brand.
Schon war Jago wieder auf den Beinen. Mit der rechten Hand umklammerte er seinen schweren Holzknuppel.
»Cap’n!«, rief er, beugte sich uber Hawkwood und bemerkte die Fesseln. »O verdammt!«
»Pass auf, Nathaniel!«, schrie Hawkwood, als Scully hinter dem Tisch auftauchte.
Jago richtete sich sofort auf und drehte sich um. »Ich habe dich gewarnt, Scully! Wenn du ihm was antust, kriegst du es mit mir zu tun.«
Das Entermesser in der rechten, die Ahle in der linken Hand, schnellte Scully hinter dem Tisch hervor. »Jago, ich rei? dir das Herz raus!«, schrie der Morder und sprang nach vorn. Jago machte einen Satz zuruck. Die Klinge des Entermessers schrammte um Haaresbreite an seinem Brustkorb vorbei. Scully fluchte und stach wieder zu. Da schwang Jago seinen Knuppel, Scully duckte sich jedoch, sodass er ihn nur an der Schulter traf. Doch er brullte vor Wut und taumelte ruckwarts.
Das Feuer breitete sich aus. Die Koje brannte bereits lichterloh. Zungelnde Flammen krochen uber die Planken, leckten am Schott und an der Unterseite der Tur. Der Saum von Wiesels Rock fing an zu schwelen.
Hawkwood stemmte seine Fu?e gegen Wiesels Leiche und versuchte, sich aufzurichten. Noch immer umkreisten sich Scully und Jago in der engen Kajute. Die Klinge des Entermessers funkelte im Schein der Flammen, als er damit hektisch nach Jago stie?. Der parierte den Schlag mit seinem Knuppel und prugelte dann mit aller Wucht auf Scullys Handgelenk. Der Knochen brach, und das Messer fiel ihm aus den gefuhllos gewordenen Fingern. Jetzt stie? er mit der Ahle nach Jago. Er versuchte, den Hals seines Gegners zu durchbohren, doch Jago schlug das morderische Werkzeug beiseite und rammte Scully seinen Knuppel derart heftig in den Magen, dass der Glatzkopf keuchend nach Luft schnappte.
Jetzt schlug Jago ihm die Ahle aus der Hand und verpasste ihm einen harten Schlag auf den kahlen Schadel. Scully sturzte seitwarts. Sein Stiefelabsatz verfing sich am Tischbein und noch im Fallen griff er wieder nach seiner Ahle. Blut stromte ihm ubers Gesicht. Jago stand mit gespreizten Beinen uber ihm, hob seinen Knuppel und schlug ihm noch einmal auf den Kopf. Es war ein Gerausch, als wurde eine Melone mit einer Axt gespalten. Dann prallte Scullys Korper auf den Boden und blieb dort reglos liegen.
Jago warf einen letzten angeekelten Blick auf den Toten und knurrte: »Bastard! Feiges Stuck Schei?e!«
Wiesels Haare und Kleider brannten jetzt lichterloh. Hawkwood roch verbranntes Fleisch. Die Blutlache unter Wiesels Kopf brutzelte wie Fett in einer Pfanne. Rauch breitete sich in der Kajute aus. Von drau?en waren nun Schreie zu horen.
Hawkwood deutete mit dem Kopf auf Wiesel und rief krachzend: »Der Schlussel. Jago, hol den verdammten Schlussel!«
Jago durchsuchte hastig die bereits schwelenden Kleidungsstucke des Toten und hielt dann zufrieden den Schlussel in die Hohe. Schnell kniete er sich neben Hawkwood, schloss die Fesseln auf und zerrte den Runner auf die Beine.
Hawkwood rieb sich die Handgelenke und suchte nach einem Fluchtweg aus dieser Holle aus Rauch und Feuer. »Das Bullauge!«, schrie er.
Einen Fu? hatte er bereits durch die runde Offnung gesteckt, als Jago brullte: »Nie im Leben!«
»Was?«, keuchte Hawkwood, als er sah, dass Jago zuruckwich.
»Da spring ich nicht runter«, krachzte Jago.
»Herrgott noch mal, Nathaniel! Das verdammte Schiff brennt!«
Jago schuttelte den Kopf. »Schauen Sie doch mal runter. Da unten ist es so schwarz wie in einem Hollenschlund. Wie soll ich wissen, wo ich reinspringe?«
Das Knistern der Flammen wurde immer lauter. Wegen der Rauchschwaden konnte Hawkwood die Tur kaum noch sehen. Er starrte Jago fassungslos an. »Um Himmels willen, du bist doch schon mal von Bord eines Schiffs gesprungen, um der Militarpolizei zu entgehen. Was ist jetzt anders?«
»Damals konnte ich sehen, wo ich hingesprungen bin. Jetzt ist es stockfinster drau?en.«
»Ich kann’s nicht fassen!«, fluchte Hawkwood und zog sein Bein wieder durch das Bullauge herein. »Also gut. Wir gehen durch die verdammte Tur!«
Mitten in der Kajute blieb er jedoch abrupt stehen. Jago fluchte, als Hawkwood uber Wiesels Leiche stieg und sich mit ausgestreckten Armen zum Tisch vortastete. Es sah aus, als wurde er in die lodernden Flammen greifen. Doch dann hatte Hawkwood seinen Schlagstock in den Handen und taumelte hinter Jago zur Tur hinaus.
Auch im Gang hatte sich das Feuer bereits ausgebreitet und Rauchschwaden quollen durch den Schiffsbauch zu den Schlafhohlen. Die Hangematten und Kojen wurden fluchtartig verlassen. Entsetzt stellte Hawkwood fest, dass manche Opiumraucher, sich der Gefahr nicht bewusst, vollig reglos liegen blieben und ihre Pfeifen umklammerten. Unter den Fliehenden brach blinde Panik aus, aber niemand machte sich die Muhe, die Flammen zu ersticken. Jeder war nur darauf bedacht, seine eigene Haut zu retten.
Hawkwood tappte blindlings durch den Qualm. Seine Kehle und seine Lungen brannten, und seine Augen tranten. Er konnte nur ahnen, dass Jago sich vor ihm den Weg freiboxte. Ein Mann schrie vor Schmerz und sturzte. Andere trampelten einfach uber ihn hinweg.
Das Feuer loderte nicht nur nach oben, sondern breitete sich durch die offenen Luken auch nach unten aus. Brennende Hangematten setzten die unteren Decks in Brand. Eine Flutwelle aus Menschen schwappte nach oben. Sie trampelte alles nieder, was ihr im Weg lag. Das
Der Qualm wurde zur gro?ten Bedrohung. In der pechschwarzen Finsternis unter Deck kroch er todbringend in jede Ecke und Nische. Ein alles erstickender Gestank aus brennendem Hanf, Teer und Opium hing in der Luft.
Hawkwood verfluchte sich, weil er Jago nicht einfach durch das Bullauge im Heck gesto?en hatte. Vielleicht hatten sie sich ein paar Knochen gebrochen, sie waren aber wenigstens nicht in dieser Feuerholle umgekommen.
Da packte ihn Jago plotzlich am Kragen und zog ihn die Leiter hoch und durch die Luke an Deck. Rauchschwaden quollen hinter ihm durch die Offnung. Die Nachtluft, vorher widerlich stinkend, roch jetzt kostlich frisch.
Spater konnte sich Hawkwood nicht an den Namen der Absteige erinnern. Es war wohl eine dieser schabigen Bruchbuden am Kai gewesen, in denen sich Matrosen, mit ihrer Heuer in der Tasche, eine Matratze, eine Flasche und eine Hure fur die Nacht kaufen konnten.
Eine Frau mit harten Gesichtszugen hatte die Tur geoffnet und Jago nicht verargert oder uberrascht, sondern mit Warme und Zuneigung begru?t. Nachdem sich die beiden kurz leise unterhalten hatten, folgte Jago, Hawkwood im Schlepptau, der Frau in die ruckwartig gelegene Kuche. Die Frau wunschte den beiden eine gute Nacht und tappte mit einer brennenden Kerze in der Hand die Treppe hoch.
Jago deutete auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.«
Hawkwood sah zu, wie Jago aus der Speisekammer einen Krug und zwei Blechbecher holte und einschenkte. »Da, schlucken Sie das runter.«
»Stammt der auch aus des Kaisers Kellereien?«, fragte Hawkwood und musste husten, als der Schnaps brennend durch seine wunde Kehle rann.