oder drei Minuten hier.«

»Wenn du schnell zu Boden springst und den Schlitten abhangst, kann ich seitlich ausweichen und das Tier eine Weile ablenken. Falls ihr euch entschlie?t, es mit ihm aufzunehmen, warne ich euch rechtzeitig, bevor ich die Kanone benutze.«

Barlennan war sofort damit einverstanden, sprang vom Dach des Schleppers und klinkte das Zugseil aus. Dann gab er Lackland das vereinbarte Zeichen, erreichte mit einem Satz das Deck der Bree und erlauterte der Besatzung die neue Lage. Diese Erklarung war im Grunde genommen uberflussig, denn der Flieger lenkte den Schlepper bereits nach rechts von dem Schlitten fort. Die Besatzung verfolgte interessiert, gespannt, neugierig, aber ohne Angst zu zeigen, wie Tier und Maschine sich einander langsam naherten.

Das Tier blieb zunachst stehen, als der Schlepper nach vorn rollte. Sein Kopf sank tiefer, bis er nur noch einen Meter weit vom Boden entfernt war, und der lange Hals bewegte sich von einer Seite zur anderen, wahrend die sechs Augen das seltsame Ding aufmerksam betrachteten. Das Ungetum achtete nicht mehr auf die Bree; entweder erkannte es die kleinen Lebewesen auf Deck gar nicht oder hielt den Schlepper fur wichtiger. Als Lackland einen weiten Bogen beschrieb, veranderte es seine Stellung ebenfalls und wandte ihm wieder die Vorderseite zu. Lackland uberlegte bereits, ob er es noch weiter in die entgegengesetzte Richtung locken sollte, so da? die Bree genau hinter ihm lag; dann fiel ihm jedoch ein, da? das Schiff sich nicht in der Schu?linie befinden durfte, falls er die Kanone einsetzen mu?te. Deshalb bremste er, als der Schlitten sich rechts des Ungetums befand, denn von dieser Stelle aus konnte er beobachten, ob die Besatzung sich dem Tier naherte.

Er bewegte sich auf das Tier zu. Es hatte sich zu Boden gekauert, als er bremste, aber nun richtete es sich wieder auf und zog den Kopf schutzend ein, bis er fast im Rumpf verschwand. Lackland hielt nochmals an, griff nach seiner Kamera und machte mehrere Aufnahmen; da das Tier offenbar nicht die Absicht hatte, ihn anzugreifen, blieb er stehen und betrachtete es eingehend.

Sein Korper war etwas gro?er als der eines Elefanten; auf der Erde hatte das Tier zwischen acht und zehn Tonnen gewogen. Dieses Gewicht war gleichma?ig auf zehn Beinpaare verteilt, die nicht sehr beweglich zu sein schienen. Lackland bezweifelte, da? das Tier sich schneller als bisher fortbewegen konnte.

Zwei oder drei Minuten spater wurde das Ungeheuer unruhig; der Kopf ragte wieder etwas uber den massiven Rumpf hinaus und schwankte von einer Seite zur anderen. Lackland wollte vermeiden, da? es auf die hilflos gestrandete Bree und ihre Besatzung aufmerksam wurde und fuhr deshalb einen Meter weiter; sein Gegenuber nahm prompt wieder die Schutzhaltung ein. Dieses Spiel wiederholte sich noch einige Male in immer kurzeren Zeitabstanden. Dann ging die Sonne im Westen unter, und da Lackland nicht beurteilen konnte, ob das Tier bereit und imstande war, auch nachts anzugreifen, schaltete er alle Scheinwerfer des Fahrzeugs ein. Dadurch wollte er zumindest erreichen, da? das Ungeheuer geblendet und unsicher wurde.

Das Scheinwerferlicht war ihm offenbar unangenehm, denn es kniff die Augen zusammen, und Lackland sah, da? die gro?en Pupillen sich verengten. Dann stie? es ein lautes Zischen aus, wuchtete seinen schweren Korper vorwarts und schlug zu.

Lackland war vollig uberrascht, denn er hatte nicht damit gerechnet, da? sein Gegner so nahe war – oder da? der Hals des Ungetums so weit reichte.

Der aufgerissene Rachen mit den langen Fangzahnen wurde plotzlich neben Lackland sichtbar; dann knallte etwas aufs Kabinendach, und der dort mo ntierte Suchscheinwerfer erlosch. Lackland fuhr hastig ruckwarts und rief dabei in sein Mikrophon: »Barl! Was ist mit euren Netzen? Wenn ihr nicht kommt, mu? ich schie?en!«

»Die Netze sind noch nicht klar, aber wenn du das Tier ein paar Meter weiter ruckwarts lockst, werden wir auf andere Weise mit ihm fertig«, antwortete Barlennan.

»Einverstanden.« Lackland konnte sich nicht vorstellen, woraus diese andere Methode bestehen sollte und glaubte nicht recht an ihren Erfolg; aber solange der Kommandant nur verlangte, er solle nach ruckwarts ausweichen, wollte er nicht ungefallig sein. Er dachte nicht im Traum daran, da? Barlennans Waffe dem Schlepper gefahrlich werden konnte, und der Kommandant sah ebenfalls keine Gefahr, als er jetzt den Befehl gab, die Flammentanks zu entleeren.

Der Wind stand gunstig, und die gluhende Wolke hullte die beiden Gegner ein, bevor sie ausweichen konnten. Lackland gebrauchte einige Ausdrucke, die er Barlennan bisher noch nicht gelehrt hatte, wahrend er den Ruckwartsgang einlegte und darauf hoffte, da? die Quarzfenster des Schleppers diese Temperatur aushaken wurden. Im Scheinwerferlicht sah er, da? das Tier langsam zu Boden sank, nachdem die Flamme erloschen war; da er sich nicht vorstellen konnte, da? die Hitze allein todlich gewesen war, vermutete er, da? bei der Verbrennung giftige Dampfe entstanden, denen das Tier erlegen war. Die Besatzung der Bree sprang jetzt uber Bord und machte sich sofort daran, das tote Ungetum zu zerlegen.

»Barl, womit erzeugt ihr diese Flammenwolken?

Und ist dir nicht eingefallen, da? die Fenster des Schleppers in der Hitze springen konnten?« wollte Lackland wissen.

»Tut mir leid, Charles, aber ich hatte nie gedacht, da? deine Maschine dadurch beschadigt werden konnte«, antwortete der Kommandant. »In Zukunft sind wir vorsichtiger. Unsere Flammentanks werden mit Staub aus dem Mark bestimmter Pflanzen gefullt; die Masse besteht aus gro?en Kristallen, die wir vorsichtig bei volliger Dunkelheit pulverisieren.«

Lackland nickte langsam und kombinierte, was er gehort und gesehen hatte: lichtempfindlich… in Wasserstoff als wei?er Staub auftretend… schwarze Flecke im Schnee… alles wies in die gleiche Richtung. Chlor war bei den hier herrschenden Au?entemperaturen ein fester Stoff, der sich mit Wasserstoff zu Wasserstoffchlorid verbinden mu?te, und Wasserstoffchlorid trat als feiner Staub auf; Methanschnee gab ebenfalls Wasserstoff ab, so da? Kohlenstoff auf dem Boden zuruckblieb. Eine interessante Reaktion! Lackland uberlegte bereits, ob er Rosten davon erzahlen sollte – aber vielleicht hob er sich diese Mitteilung fur spater auf, wenn Rosten wieder einmal in schlechter Laune war.

»Tut mir wirklich leid, da? ich deinen Schlepper gefahrdet habe.« Barlennan schien selbst erschrocken zu sein. »Vielleicht schie?t du in Zukunft doch lieber gleich mit deiner Kanone. Oder konnten wir lernen, wie sie bedient wird? Ist sie wie die Funkgerate fur unsere Verhaltnisse umgebaut worden?« Der Kommandant fragte sich, ob er diesmal zu weit gegangen sei, aber Lacklands Reaktion bestand nur aus einem leisen Lachern, das Barlennan weder sehen noch deuten konnte.

»Nein, die Kanone ist nicht umgebaut worden, Barl. Sie funktioniert hier ganz gut, aber ich furchte, da? du zu Hause nicht viel mit ihr anfangen konntest.« Lackland benutzte seinen Rechenschieber und fugte hinzu: »Dort wurde die gro?te Reichweite etwa funfzig Meter betragen.«

Barlennan schwieg enttauscht. Die Besatzung verbrachte die nachsten Tage damit, das tote Ungeheuer zu zerlegen. Lackland behielt den machtigen Schadel, um Rosten damit notfalls beruhigen zu konnen, und der Schleppzug setzte seine Fahrt fort.

Das Land wurde hugeliger, je weiter sie nach Osten vordrangen, und der Flu?, dessen Oberlauf sie jetzt folgten, spaltete sich in zahlreiche Bache auf.

Zwei dieser kleineren Nebenflusse waren so breit, da? der Schlitten sie nicht uberbrucken konnte; die Bree mu?te am Ufer zuruckbleiben, wahrend Lackland mit Schlepper und Schlitten das Flu?bett unter der Oberflache durchquerte, und wurde erst dann nachgezogen. In den letzten Tagen waren die Bache jedoch so schmal geworden, da? der Schleppzug nicht mehr aufgehalten wurde.

Als sie sich bereits neunzehnhundert Kilometer vom Liegeplatz der Bree und etwa funfhundert Kilometer sudlich des Aquators befanden, wo Lackland unter der erhohten Schwerkraft litt, begannen die Bache und Flusse entschieden in die Richtung zu flie?en, in der ihr Ziel lag. Lackland und Barlennan warteten noch einige Tage, bevor sie davon sprachen, weil sie der Besatzung eine Enttauschung ersparen wollten, aber dann war endlich kein Zweifel mehr moglich – sie hatten den hochsten Punkt des Gebirges uberschritten und mu?ten fruher oder spater auf das Meer im Osten sto?en. Die Stimmung der Besatzung, die nie ausgesprochen schlecht gewesen war, besserte sich sichtlich, und einige Meskliniten richteten sich auf dem Dach des Schleppers hauslich ein, um nur ja die ersten zu sein, die das Meer entdeckten, wenn das Fahrzeug uber den nachsten Hugel rollte. Selbst Lackland, der in den letzten Tagen wortkarg und murrisch gewesen war, weil ihm die hohere Schwerkraft ernstlich zu schaffen machte, war wieder bester Laune; da seine Erleichterung jedoch am gro?ten gewesen war, bedeutete es logischerweise eine ebenso gro?e Enttauschung fur ihn, als sie am nachsten Tag plotzlich einen Felsabsturz erreichten: eine zwanzig Meter hohe Felswand, die fast senkrecht abfallend im rechten Winkel zu ihrer Fahrtrichtung verlief, so weit das Auge reichte.

9

Bei diesem Anblick herrschte zunachst langes Schweigen. Lackland und Barlennan, die aus Tausenden von Einzelbildern eine Karte zusammengestellt hatten, waren zu verblufft, um reden zu konnen. Die Besatzung lie? sich zwar durch dieses neue Hindernis keineswegs aus der Ruhe bringen, schien sich aber stillschweigend darauf geeinigt zu haben, dieses Problem dem Kommandanten und seinem Freund zu uberlassen.

»Wie kann diese Felswand uberhaupt hier sein?«

fragte Barlennan, als er sich von seiner Uberraschung erholt hatte. »Ich sehe ein, da? sie nicht besonders hoch ist, wenn man sie mit der Hohe vergleicht, aus der die Aufnahmen gemacht wurden – aber in den Minuten vor Sonnenuntergang hatte sie doch einen langen Schatten werfen mussen, nicht wahr?«

»Du hast recht, Barl«, stimmte Lackland zu, »der Schatten mu?te gut zu sehen sein. Aber wir haben anscheinend Pech gehabt, denn die Aufnahme, die das Gebiet hier zeigt, mu? zwischen Sonnenaufgang und Mittag gemacht worden sein.«

»Soll das hei?en, da? der Felsabsturz nicht uber die Grenzen dieser einen Aufnahme hinausreicht?«

»Kann sein, Barl«, antwortete Lackland, »aber wenn die Fotorakete von Osten nach Westen geflogen ist, besteht durchaus die Moglichkeit, da? sie den Absturz mehrmals kurz nach

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