seinem Bildschirm, wie das Flo? langsam nach unten sank. Zu seiner Verbluffung stapelten Barlennans Leute jetzt mehrere Flo?e ubereinander, wahrend die Leine wieder nach oben gezogen wurde. Der Kommandant hatte offenbar nicht die Absicht, sich hier langer als unbedingt notig aufzuhalten. Eine Ladung nach der anderen sank nach unten. Kurze Zeit spater wurde die Leine verlangert, damit das Abseilen vom Fu? der Klippe aus geschehen konnte, wo bereits zwei Drittel der Besatzung versammelt waren. Lackland ahnte bereits, was von ihm erwartet wurde, als Barlennan aufs Dach des Schleppers sprang, wo ein Funkgerat montiert war, das nicht wie die anderen nach unten gelassen worden war.
»Wir haben nur noch zwei Ladungen, Charles«, begann der Kommandant, »aber die letzte ist vielleicht etwas schwieriger. Wir mochten die Masten nicht zurucklassen, konnen sie aber auch nicht einfach hinunterwerfen, weil der Boden unten sehr felsig ist. Wurdest du mir den Gefallen tun, diese letzte Ladung hinunterzulassen? Sie besteht aus einem Flo?, den Masten und mir.«
Lackland runzelte verblufft die Stirn. »Willst du dich wirklich darauf verlassen, da? ich alles richtig mache?«
»Selbstverstandlich. Ich sehe keine Schwierigkeiten dabei; im Verhaltnis zu deinem Korpergewicht ist die Last lacherlich gering.«
»Aber was passiert, wenn mir die dunne Leine aus den Greifzangen rutscht?«
Barlennan schien zu uberlegen. »Wie gro? mu? ein Gegenstand mindestens sein, damit du ihn fest genug fassen kannst?« fragte er dann.
»Oh… so gro? wie einer der Masten, nehme ich an.«
»Dann ist alles in Ordnung. Wir wickeln die Leine um den Mast, den du als Winde benutzen kannst. Anschlie?end wirfst du den Mast zu uns hinunter; wenn er zerbricht, ist der Schaden nicht allzu gro?.«
Lackland zuckte mit den Schultern. »Du mu?t wissen, was du tust, Barl. Ich komme gleich hinaus.«
Als Lackland wenige Minuten spater den Schlepper verlie? und muhsam auf den Rand der Klippe zustapfte, war nur noch ein Flo? zu sehen, auf dem Barlennan neben einem Funkgerat hockte. Zehn Meter davor lag der Mast mit der aufgewickelten Leine, den Lackland jetzt aufhob und mit beiden Greifzangen festhielt.
»Achtung, es geht los, Charles!« rief Barlennan, als er sah, da? der Flieger bereit war. Er schob das Flo? uber den Rand hinaus, hielt sich an der Leine fest und trat an die Au?enkante der Plattform, die sofort abkippte und au?er Sicht rutschte.
Die Leine in Lacklands Handen straffte sich, und einen Augenblick spater meldete Barlennan, er habe den kurzen freien Fall gut uberstanden.
»Nachlassen!« sagte er dann.
Lackland atmete auf und spulte langsam die Leine ab.
»Jetzt bin ich gleich unten«, sagte Barlennans Stimme einige Zeit spater in seinen Kopfhorern.
»Halt, das genugt! Bitte noch nicht loslassen.«
Lackland blieb in gleicher Haltung stehen.
»Hier unten ist alles klar, Charles«, berichtete der Kommandant schlie?lich. »Du kannst die Leine loslassen und den Mast hinterherwerfen.« Lackland offnete die Greifer, und die dunne Leine verschwand; dann folgte der funfundzwanzig Zentimeter lange Stock, der als Hauptmast der Bree diente.
Lackland stellte fest, da? seine Nerven in letzter Zeit schlechter geworden sein mu?ten, denn er erschrak formlich uber die Geschwindigkeit, mit der Gegenstande unter der hier herrschenden Schwerkraft fielen. Vielleicht war es an den Polen doch besser – dort sah man sie uberhaupt nicht.
Dort fielen Gegenstande mit dreieinhalb Sekundenkilometer Anfangsgeschwindigkeit zu Boden! Aber vermutlich war dieses plotzliche Verschwinden ebenso nervenaufreibend. Lackland zuckte mit den Schultern und stapfte muhsam zu seinem Fahrzeug zuruck.
In den nachsten Stunden beobachtete er auf dem Bildschirm, wie die Bree am Flu?ufer zusamme ngebaut wurde. Barlennan und Dondragmer verabschiedeten sich schlie?lich von ihm, und die Besatzung schob das Schiff in den Flu? hinaus. Die rasche Stromung trug es mit sich fort; Lackland starrte ihm lange nach, bis die Bree zu einem dunklen Punkt zusammenschrumpfte und am Horizont verschwand.
Lackland blieb noch einige Minuten unbeweglich sitzen; dann schaltete er sein Funkgerat ein und rief die Station auf Toorey.
»Ihr konnt mich jetzt abholen. Ich habe getan, was ich hier unten tun konnte.«
10
Wenige Kilometer unterhalb des Wasserfalls wurde der Flu? zusehends breiter und stromte langsamer meerwarts. Barlennan hatte zunachst Segel setzen lassen, aber der Wind lie? bald nach, so da? die Bree auf die Stromung angewiesen war, die sie jedoch in die gewunschte Richtung brachte, so da? niemand Grund zur Klage hatte.
Der Ru? schlangelte sich in weitem Bogen durch die flache Landschaft; an seinen Ufern standen gelegentlich Baume, die achtzig oder neunzig Kilometer flu?abwarts einen regelrechten Wald bildeten. Barlennan beobachtete diese seltsame Naturerscheinung mit zunehmendem Interesse und befahl schlie?lich dem Ruderganger, er solle das Schiff dichter ans Ufer steuern, weil er sich diesen Wald aus der Nahe ansehen wollte.
Die Dunkelheit unter den Baumen in Ufernahe war jedoch so bedruckend, da? der Kommandant seinem Ruderganger schon bald einen Wink gab, er solle wieder in die Mitte des Flusses hinaussteuern.
Dondragmer sprach fur die ubrigen Besatzungsmi tglieder, als er halblaut vor sich hin murmelte: »Wer dort leben kann, ist bestimmt nicht ganz richtig im Kopf.« Vielleicht hatten die Zuhorer am Ufer verstanden, was er sagte, oder vielleicht furchteten sie auch, die Fremden wollten ihnen ihren Wald wegnehmen – jedenfalls beschlossen sie, kein Risiko einzugehen, und die Schiffsbesatzung hatte wieder einmal Gelegenheit, Erfahrungen mit Wurfgeschossen zu machen.
Diesmal handelte es sich um Speere. Sechs zischten vom Ufer her uber den Flu? und bohrten sich tief ins Deck der Bree; zwei weitere prallten von Schutzpanzern ab und fielen uber Bord. Die beiden Getroffenen machten unwillkurlich einen Satz, landeten im Flu?, schwammen hinter dem Schiff her und wurden an Bord gezogen. Der Ruderganger handelte selbstandig und steuerte noch weiter in den Flu? hinaus.
Der Kommandant wies ihn an, die Bree in der Flu?mitte zu halten, und ging selbst ans Funkgerat, um Lackland, der inzwischen nach Toorey zuruckgekehrt war, van diesem Vorfall zu berichten.
Der Wald erstreckte sich noch uber hundertfunfzig Kilometer weit an beiden Ufern, wahrend der Flu? allmahlich breiter wurde. Nach dem ersten Zusammentreffen mit den Waldbewohnern hielt sich die Bree in der Flu?mitte, aber selbst diese Vorsichtsma?nahme genugte nicht, ihr eine unbehelligte Weiterfahrt zu sichern. Wenige Tage nach dem Uberfall wurde am Unken Ufer eine kleine Lichtung sichtbar. Barlennan befand sich nur wenige Zentimeter uber der Oberflache und sah deshalb nicht besonders gut, aber er erkannte trotzdem, da? auf der Lichtung eigenartige Dinge standen, die naher untersucht werden mu?ten. Er zogerte zunachst noch, gab aber dann den Befehl, das Ufer anzusteuern. Die seltsamen Dinge erinnerten an Baumstamme, waren jedoch niedriger und dicker. Hatte Barlennan einen der Schiffsmasten erklettert, hatte er dicht uber dem Boden kleine Offnungen erkannt, die den Zweck dieser Dinge ahnen lie?en. Lackland, der das gleiche Bild vor sich auf seinem Schirm sah, dachte sofort an afrikanische Negerhutten, au?erte sich aber nicht dazu. Er interessierte sich vor allem fur einige andere Dinge, die in der Nahe des ›Dorfes‹ am Flu?ufer lagen. Dabei hatte es sich um Baumstamme oder Krokodile handeln konnen – das war aus dieser Entfernung nicht zu unterscheiden –, aber Lackland vermutete, da? es Kanus waren. Er wartete gespannt darauf, wie Barlennan und seine Leute auf diese ihnen unbekannte Bootsform reagieren wurden.
Es dauerte jedoch ziemlich lange, bevor jemand an Bord der Bree erkannte, da? die ›Baumstamme‹ in Wirklichkeit Boote und die anderen Dinge Hutten waren. Lackland furchtete schon, das Schiff werde in der Mitte des Flusses bleiben, ohne sich der Siedlung zu nahern, denn Barlennan war in letzter Zeit sehr vorsichtig geworden. Es gab jedoch auch andere, die verhindern wollten, da? die Bree einfach vorbeifuhr, und als das Schiff auf Hohe des Dorfes angelangt war, stromten dessen Bewohner aus ihren Hutten zum Flu? und bewiesen, da? Lackland richtig vermutet hatte. Jeweils zehn oder zwolf dieser Wesen, die offenbar zu Barlennans Rasse gehorten, fanden in einem Kanu Platz, stie?en sich vom Ufer ab und paddelten auf die Bree zu.
Die Schiffsbesatzung machte bei ihrem Auftauchen die Flammenwerfer klar, obwohl der Kommandant selbst bezweifelte, da? sie unter diesen Umstanden wirkungsvoll eingesetzt werden konnten. Krendoranic, der Waffenoffizier, arbeitete wie ein Verruckter an seinen Tanks, aber niemand wu?te, was er vorhatte; fur ihn und seine Leute gab es bei der gegenwartigen Windstille nichts zu tun.
Allein dieser Umstand, der auf See nie zu berucksichtigen war, brachte die Verteidigungsma?nahmen der Bree vollig durcheinander.
Wenig spater stellte sich jedoch heraus, da? die Flammenwerfer ohnehin nutzlos gewesen waren, denn die Kanus beschrieben einen weiten Bogen und kreisten die Bree von allen Seiten ein. Als sie nur noch zwei oder drei Meter von den au?eren Flo?en entfernt waren, horte die Besatzung auf zu paddeln; Barlennans Leute und die Eingeborenen starrten sich einige Minuten lang schweigend an.
Lackland fluchte leise vor sich hin, denn die Sonne ging ausgerechnet in diesem Augenblick unter, so da? sein Bildschirm dunkel wurde. In den nachsten acht Minuten horte er zwar Stimmen, konnte aber nicht einmal unterscheiden, ob Besatzungsmitglieder der Bree oder Eingeborene sprachen; allerdings schien es sich nicht um eine gewalttatige Auseinandersetzung, sondern noch um den Versuch einer Gesprachsanknupfung zu handeln.
Bei Sonnenaufgang stellte Lackland fest, da? die Nacht eine uberraschende Veranderung mit sich gebracht hatte. Die Bree hatte inzwischen weiter flu?abwarts getrieben sein sollen; statt dessen b efand sie sich jetzt nicht weit vom Dorf entfernt in Ufernahe. Lackland wollte sich schon bei Barlennan erkundigen, weshalb er dieses betrachtliche Risiko auf sich genommen und wie er die Bree in Ufernahe manovriert habe, als er merkte, da? der Kommandant ebenso verblufft war.
Lackland runzelte irritiert die Stirn. »Barl sitzt bereits in der Tinte«, erklarte er seinem Nachbarn.
»Ich wei?, da? er ein kluger Kopf ist, aber wer funfzigtausend Kilometer vor sich hat,