genug herab, um sich daran hinaufzuschwingen. Eine der Ketten war gerissen und lag wie ein schmaler Rostteppich auf dem Boden, durch den sich Gras und Blumen ans Sonnenlicht gekampft hatten. Die kleinen Tiere, die sich in einigen der Fahrzeuge versteckt hielten, sausten jedesmal davon, wenn er hineinkletterte. Aus einem anderen Panzer drang der Klang von Insekten hervor, und er wu?te ganz genau, da? er beim Erkunden dieses Wracks gestochen werden konnte. Dann entdeckte er ein Fahrzeug, das weder von Insekten noch von Tieren bewohnt war. Durch die offenen Luken fiel genug Sonnenlicht herein, um einen Schalensitz, ein gegenuber befindliches Schaltpult und einige Bildschirme erkennen zu konnen. Der Fahrersitz war weich und schmutzig und viel zu gro? fur ihn, so da? er sich auf die Kante setzen mu?te, um an die Schalthebel zu gelangen. Mit Ausnahme der von klebrigem Staub bedeckten Plastikschalter war alles rostig. Um erkennen zu konnen, welche Farbe sie hatten, mu?te er die Schalter mit den Fingern abreiben. Weder Staub und Rost, die sich mittlerweile uber Hemd und Hose verteilt hatten, noch der vor ihm befindliche defekte Hauptbildschirm konnten ihn daran hindern, mit diesem Panzer Schlachten zu fuhren.

Einst war dieses Gefahrt eine echte Kampfmaschine mit einem richtigen Soldaten darin gewesen, und in Hewlitts Phantasie fullte sich der Bildschirm mit grellen Bildern von feindlichen Panzern und Flugzeugen, die noch greller explodierten, sobald sie ihn angriffen, denn sein Gefahrt war ein ganz besonderer Geheimpanzer, mit dem er unbesiegbar war. Zwar horte er seine Eltern des ofteren uber die Zeiten reden, als solche Schlachten tatsachlich stattgefunden hatten, doch fanden sie diese weder aufregend noch interessant und verhielten sich stets so, als ob samtliche Beteiligtennicht ganz bei Verstand gewesen waren.

Dennoch lie? er sich davon nicht beirren und scho? im Moment auf alles, was er sich in seiner Phantasie vorstellen konnte – Sturzkampfbomber, angreifende Raumschiffe oder auch furchterregende au?erirdische Soldaten, die zwischen den Baumen auftauchten und ihn bedrohten. Von lautem Gebrull begleitet, scho? er sie vom Himmel ab oder machte samtliche Feinde im allerletzten Augenblick zunichte. Seine Eltern waren nicht da, um ihm das Kampfgeschrei zu verbieten und ihn wie sonst ublich zu ermahnen, da? man nicht einmal in der Phantasie auf andere Wesen schie?en durfe, da es sich selbst bei den furchterregendsten Monstern stets um Lebewesen handle.

Zwar zeigten seine Eltern durchaus Verstandnis dafur, da? er einige extraterrestrische Nachbarn tatsachlich als solche furchterregenden Monster empfand, doch hatten sie ihm auch erklart, da? Aliens schnell beleidigt reagieren und eventuell sogar nie wiederkommen konnten, falls sie ihn zu Hause am Computer beim Abschie?en von Wesen beobachten sollten, die womoglich wie sie selbst aussahen. Erwachsene schienen uberhaupt keinen Spa? zu verstehen.

Allmahlich gingen ihm die imaginaren Feinde aus, die er hatte zerstoren konnen. Die Sonne schien nicht mehr in das Fahrzeug hinein, und das rostige Metall sah schon fast schwarz anstatt rot aus. Es war zwar albern, aber als er sich daruber Gedanken zu machen begann, was das Wesen, das den Panzer einst gefahren hatte, mit ihm anstellen konnte, wenn es zuruckkommen und ihn hier drinnen beim Spielen ertappen wurde, kletterte er so schnell hinaus, da? er sich nun auch noch die Hose zerri?.

Die Sonne war hinter den Baumen bereits untergegangen, doch der Himmel war blau und klar, und es war immer noch hell genug. Allerdings konnte er in der Nahe nichts entdecken, was er hatte erforschen wollen, und au?erdem bekam er allmahlich Hunger. Es war Zeit fur ihn, wieder nach Hause zu gehen, sich in sein Zimmer zuruckzuschleichen und etwas zu essen, doch konnte er nichts als Baume und hohes Gras um sich herum sehen.Als er auf das Dach des gro?ten Fahrzeugs stieg, das er entdecken konnte, hatte er eine bessere Sicht. Nicht weit entfernt stand am Rand einer tiefen Schlucht ein gro?er Baum mit vielen dicken, blattrigen Asten, die knapp uber dem Boden wuchsen, und mit einem Haufen dunnerer Zweige, die fast bis zur Baumkrone reichten und an denen Fruchte hingen. Von dort oben mu?te er das Haus sehen konnen.

Das Hinaufklettern war wieder einmal ein Abenteuer nach seinem Geschmack; dieses Mal war es jedoch ein echtes und kein ausgedachtes. Er war nicht angstlich, nur hungrig und mutterseelenallein, und er wollte sehen, wo sein Zuhause war, damit er dieses Spiel beenden, zurucklaufen und endlich etwas essen konnte. Wahrend er hoher kletterte, konnte er durch die Zweige hindurch auf den Boden der Schlucht sehen, wo noch mehr rostrote Wracks zu .erkennen waren, zu denen auch ein riesiges, rundes Gefahrt gehorte, das sich direkt unter ihm befand. Dann stieg er ins Sonnenlicht hinauf, so da? er geblendet wurde und die Schlucht nur noch dunkel und verschwommen wahrnahm.

Immer noch konnte er keine Hauser erkennen, weil ihm nun anstelle des hohen Grases kleinere Baume die Sicht versperrten, also kletterte er noch hoher. Als er an das Ende eines Zweiges griff, an dem Fruchte hingen, sah er plotzlich sein Zuhause. Zu seinem Erstaunen war das Haus ein ganzes Stuck naher, als er es erwartet hatte, und auf halbem Weg befand sich ein Wegweiser in der Form eines kleinen Baums mit sonderbar gewundenen Zweigen. Seine Arme und Beine wurden jedoch immer muder, ihm war hei?, und er hatte Hunger und Durst, und diese Fruchte hingen direkt uber ihm und wippten sanft im Wind, der gerade eingesetzt hatte und durch die oberen Zweige blies.

Nach seinem Dafurhalten stand ihm am Ende eines gro?en Abenteuers eine Belohnung zu, und diese Fruchte sollten es sein.

Der Ast, auf dem er sa?, war dick und stark, und einer der Ausleger befand sich in Reichweite einer Fruchttraube. Plotzlich war Hewlitt nicht mehr mude. Er krabbelte auf dem Ast entlang und griff dabei vorsichtig nach den daran wachsenden Zweigen, um einen besseren Halt zu haben.Die Sonne ging immer weiter hinter den Baumen unter, so da? die niedrigeren Aste und Zweige unter ihm nur noch schwer zu erkennen waren und sich die Schlucht als ein dunkelgruner, verschwommener Fleck darstellte. Als die Fruchttraube beinahe seinen Kopf beruhrte, blickte er nicht mehr nach unten, und wahrend er versuchte, eine der Fruchte abzurei?en, zerquetschte er sie versehentlich. Mit der zweiten war er vorsichtiger, und sie loste sich in einem Stuck.

Die Frucht sah wie eine gro?e Birne aus, doch keine der Birnen, die er auf Videobandern uber die Erdvegetation gesehen hatte, hatte dunkelgrune und gelbe Streifen, die senkrecht vom Stengel bis zum breiten Ende verliefen. Durch das Zerquetschen der einen Frucht wu?te er bereits, da? sie mit Saft gefullt war, und diese war so schwer und matschig, da? sie sich wie ein mit Wasser gefullter Luftballon anfuhlte. Der Saft, der ihm uber die Hand gelaufen war, begann zu trocknen, und Hewlitt beobachtete, wie der letzte feuchte Fleck auf dem Handgelenk verdunstete.

Er hatte immer noch Hunger, und er wollte etwas Festes essen, andererseits hatte er nach all der Kletterei auch viel Durst, so da? ein kaltes Fruchtsaftgetrank auch nicht zu verachten gewesen ware. Also klammerte er sich nur mit den Beinen am Ast fest und nahm die Frucht in beide Hande.

Der Saft hatte einen komischen Geschmack, weder gut noch widerlich. Da sich Hewlitt nicht schmutzig machen wollte, bi? er ein kleines Loch in die Haut und saugte die Frucht leer. Als er mit den Fingern das Loch erweitern wollte, brach die Schale entlang einer der grun-gelben Linien auf, und er entdeckte, da? sie innen noch gar nicht leer war. Neben dem Saft befand sich darin eine gelbe, schwammige Masse, die in der Mitte schwarze Kerne enthielt. Wahrend er den Inhalt a?, spuckte er die Kerne aus, weil sie auf der Zunge brannten. Das Fruchtfleisch schmeckte zwar genauso wie der Saft, fullte aber seinen Magen besser aus.

Noch wahrend er daruber nachdachte, ob er die Frucht mochte oder nicht und ob er noch eine weitere essen sollte, bekam er in regelma?igen Abstanden Magenschmerzen, die von Mal zu Mal schlimmer wurden.

Zum ersten Mal, seit er das Haus verlassen hatte, bekam er es mit derAngst und wollte heim. Er begann ruckwarts auf dem Zweig in Richtung des Baumstamms zu rutschen, um von dort aus nach unten zu klettern, aber

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