die Magenschmerzen waren inzwischen so schlimm, da? er laut aufschrie und weinen mu?te, und wegen der vielen Tranen konnte er kaum sehen, was er tat. Dann spurte er einen solch stechenden Schmerz, da? er sich instinktiv mit beiden Handen an den Bauch fa?te und seitlich abrutschte. Fur einen Augenblick hing er kopfuber am Ast, denn mit den Beinen klammerten er sich noch immer fest darum. Als er jedoch versuchte, sich wieder nach oben zu ziehen, wurden die Schmerzen so stark, da? er an nichts anderes mehr denken konnte. Er lie? los und fiel hinunter.

Er sah, wie sonnige und schattige Blatter an ihm vorbeipeitschten, und fuhlte, wie ihm Zweige gegen Rucken, Arme und Beine schlugen. Dann war es fur einen kurzen Moment vollig still und dunkel. Er wu?te erst wieder, wo er war, als er auf den steilen Hang der Schlucht aufschlug und weiter nach unten rollte. Auf einmal taten ihm Arme, Beine und Rucken genauso weh wie sein Magen. Dann schlug er mit der rechten Schlafe und Korperseite gegen etwas, das unter seinem Gewicht zerbrach, und auf einmal waren seine Bauchschmerzen und alles andere um ihn herum verschwunden.

Beim Klang vieler Stimmen, von denen zwei zu seinen Eltern gehorten, und beim Scheinwerferlicht, das ringsherum die Schlucht bis auf den Grund beleuchtete, erwachte er wieder. In dem Lichtstrahl konnte er einen Erwachsenen erkennen, der eine Monitorkorpsuniform trug und mit einem Antischwerkraftgurtel zu ihm herabschwebte. Seine Eltern und einige Leute anderer Spezies kletterten auf Handen und Fu?en oder was auch immer den Hang herunter.

Der Monitoroffizier landete direkt neben ihm, kniete sich hin und sagte: »Na prima, junger Mann, du bist also bei Bewu?tsein, wie? Was hast du blo? angestellt? Aber erst mal sag mir, wo's weh tut.«

»Im Moment tut nichts weh«, antwortete Hewlitt, wobei er mit einen Hand gegen die Magengrube druckte und dann die Schlafe abtastete. »Es tut nirgendwo weh.«»Sehr schon«, sagte der Mann und holte aus einem Beutel, den er an der Schulter trug, ein flaches Gerat hervor, das auf einer Seite einen kleinen leuchtenden Bildschirm hatte, und bewegte es langsam uber Hewlitts Kopf, Gliedma?en und Korper.

»Ich habe ein paar Fruchte von dem Baum dort oben gegessen«, berichtete Hewlitt. »Davon habe ich schreckliche Bauchschmerzen bekommen und bin dann vom Ast gefallen.«

»Das ist aber ein sehr gro?er Baum«, sagte der Mann in demselben Ton, den sein Vater immer anschlug, wenn er glaubte, Hewlitt wurde ihm ein Lugenmarchen auftischen. »Nimm deine Hande wieder runter, und beweg dich nicht, bis ich mit der Untersuchung fertig bin. Bist du nach dem Sturz irgendwann einmal eingeschlafen?«

»Ja, aber ich wei? nicht, wie lange ich geschlafen habe. Als ich runterfiel, ging die Sonne gerade unter. Sie haben mich aufgeweckt.«

»Bewu?tlos fur vier, vielleicht funf Stunden«, murmelte der Mann mit besorgter Stimme. »Wenn ich dir jetzt beim Hinsetzen helfe, sag mir, ob irgend etwas weh tut, in Ordnung? Ich mochte deinen Kopf scannen.«

Dieses Mal bewegte der Monitoroffizier den Scanner sehr langsam uber das ganz Gesicht, an den Schlafen entlang bis zum Hinterkopf und uber den Nacken. Dann packte er das Gerat wieder in den Beutel und stand auf. Bevor Hewlitt noch etwas sagen konnte, waren bereits seine Eltern eingetroffen. Seine Mutter kniete neben ihm nieder und nahm ihn so fest in beide Arme, da? er kaum noch Luft bekam, und sie schluchzte vor Erleichterung, wahrend sein Vater dem Mann mit der Uniform Fragen stellte.

»Der junge Mann hat sehr viel Gluck gehabt«, horte Hewlitt den Monitorarzt leise antworten. »Wie Sie sehen konnen, ist seine Kleidung zwar vollig zerfetzt, wahrscheinlich vom Spielen inmitten des Kriegsschrotts und von der langen Strecke, die er hier in die Schlucht hinuntergerutscht ist, aber ansonsten hat er keinen Kratzer abbekommen. Er hat mir erzahlt, da? er etwas Obst von dem Pessinithbaum dort oben gegessen und davonMagenkrampfe bekommen habe. Dann sei er vom Baum runtergefallen und seit Sonnenuntergang bewu?tlos gewesen. Nun, es ist zwar nicht meine Art, mich mit einem Kind zu streiten, das uberma?ig viel Phantasie besitzt, aber die Tatsachen stellen sich wohl doch anders dar. Die Magenverstimmung ist verschwunden, und ein Sturz aus der Baumkrone hatte Schnittwunden, Prellungen, Bruche und eine Gehirnerschutterung zur Folge haben mussen, aber seine Haut ist nicht einmal abgeschurft. Eine vier- bis funfstundige Bewu?tlosigkeit mu?te irgendwelche traumatischen Folgen haben, die ich aber nicht feststellen konnte.

Vom Zustand der Kleidung her«, fuhr der Monitor fort, »wurde ich sagen, da? er zwischen den Wracks so lange gespielt hat, bis er vollig ubermudet war und einfach eingeschlafen ist, als er hier hinunterklettern wollte. Durch die Magenschmerzen und den angeblichen Sturz mochte er wahrscheinlich nur an ihr Mitleid appellieren, um so vom elterlichen Zorn abzulenken.«

Seine Mutter horte auf zu weinen und fragte Hewlitt, ob ihm wirklich nichts fehle, dennoch horte er dazwischen seinen Vater sagen, da? sie viel zu froh seien, ihn heil und gesund wiedergefunden zu haben, als da? sie ihm Vorwurfe machen konnten.

»Manchmal machen sich Kinder nun mal selbstandig und verirren sich dabei, doch haufig endet solch ein Abenteuer nicht so glucklich«, meinte der Monitor. »Wir werden Ihren Sohn lieber mit unserem G-Schlitten nach Hause transportieren, weil er noch immer etwas ubermudet sein konnte. Ich werde morgen bei Ihnen vorbeischauen und ihn noch einmal untersuchen, obwohl das eigentlich nicht notwendig ist, denn Ihr Kind ist in guter Verfassung. Sie haben einen sehr gesunden Jungen, und es fehlt ihm absolut nichts …«

Das warme Gefuhl durch die Umarmung seiner Mutter, der Anblick der lichtdurchfluteten Schlucht und der enorm gesprachige Monitorarzt verschwanden und wurden durch die vertraute Umgebung von Station sieben und einen anderen Monitoroffizier ersetzt, der ihn schweigend anschaute.

8. Kapitel

»Also hielt mich der Monitorarzt fur einen Lugner«, fuhr Hewlitt fort, wobei er versuchte, seinen Zorn zu verbergen. »Selbst meine Eltern haben mir damals nicht geglaubt, obwohl ich mehrere Male versucht hatte, ihnen alles so zu erzahlen, wie es sich wirklich abgespielt hatte … und Sie glauben mir ebensowenig.«

Braithwaite sah ihn einen Augenblick lang schweigend an und sagte dann: »So, wie Sie es mir eben gerade erzahlt haben, kann ich auch verstehen, warum Ihnen niemand geglaubt hat. Der Monitoroffizier hatte sowohl in medizinischer als auch in anatomischer Hinsicht einleuchtende Grunde, um Sie fur einen Lugner zu halten, und da die meisten Leute Arzten vertrauen, haben auch Ihre Eltern eher ihm geglaubt als ihrem phantasievollen vierjahrigen Sohn. Ich wei? nicht, wem oder was ich glauben soll, weil ich nicht dabeigewesen bin. Wahrheit kann auch eine sehr subjektive Angelegenheit sein. Ich gehe davon aus, da? Sie glauben, Sie wurden die Wahrheit sagen, das ist aber nicht dasselbe, als wenn ich denken wurde, da? Sie ein Lugner sind.«

»Sie bringen mich ganz schon durcheinander«, meinte Hewlitt. »Halten Sie mich etwa fur einen Lugner und wollen es mir aber nicht direkt ins Gesicht sagen?«

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