ein kurzlich eingelieferter Dwerlaner, eine Kelgianerin und eine sich nur sehr langsam fortbewegende Tralthanerin -, redeten zwar manchmal miteinander, aber niemals mit ihm, und bei den wenigen Gesprachen, die er auf der Station mithoren konnte, wurde er nie mit einbezogen. Mit den Patienten, die im Nachbarbett beziehungsweise im Bett gegenuber gelegen hatten, konnte er sich nicht mehr unterhalten, weil sie woandershin verlegt worden waren.

Allmahlich hatte er es satt, stundenlang der oberlehrerhaft klingendenStimme des Bibliothekscomputers zuzuhoren, denn er kam sich wie fruher vor, wenn er sich als kleiner Junge durch endlos lange Schulstunden qualen mu?te. Damals wie heute empfand er nichts als Langweile und innere Unruhe, aber seinerzeit lockte wenigstens ein offenes Fenster, hinter dem sich eine Landschaft erstreckte, in der man unendlich viele interessante Dinge zum Spielen entdecken konnte. Hier gab es keine offenen Fenster, und waren welche vorhanden gewesen, dann hatte man dahinter nichts anderes als die totale Leere des Weltraums gesehen. Aus lauter Verzweiflung beschlo? Hewlitt, auf der Station auf und ab zu gehen.

Als er bereits zweimal die Station durchquert hatte und gerade die dritte Runde drehte, kam Leethveeschi aus dem Personalraum gewatschelt und versperrte ihm den Weg.

»Bitte gehen Sie nicht so schnell, Patient Hewlitt!« ermahnte sie ihn. »Sie konnten mit einer meiner Schwestern zusammensto?en und sich dabei gegenseitig verletzen. Daruber hinaus ist Ihnen offensichtlich nicht klar, da? eine solch plastische Demonstration ihrer korperlicher Fitness gegenuber den anderen Patienten, die wirklich ernsthaft krank, verletzt oder ans Bett gefesselt sind, nicht gerade von gro?em Einfuhlungsvermogen zeugt. Wenn Sie also unbedingt hier herummarschieren mussen, dann fuhren Sie Ihre Bewegungen bitte etwas langsamer aus.«

»Das tut mir leid, aber daran hatte ich wirklich nicht gedacht, Oberschwester«, entschuldigte sich Hewlitt kleinlaut.

Wahrend er sich mit gedrosselter Geschwindigkeit fortbewegte, fuhlte er sich immer unbehaglicher dabei, weiterhin nur stur geradeaus oder auf den Fu?boden zu starren. Deshalb rang er sich schlie?lich dazu durch, wenigstens kurze Blicke auf die Patienten zu werfen, an deren Betten er vorbeikam. Die meisten beachteten ihn nicht, weil sie wahrscheinlich schliefen, zu krank waren oder ihn – genauso wie er sie – als zu ha?lich empfanden. Die anderen Patienten verfolgten ihn mit den Augen, in einigen Fallen mit viel zu vielen, und es wunderte ihn nicht, da? sich lediglich eine Kelgianerin traute, ihn anzusprechen.

»Meines Erachtens sehen Sie fur einen Terrestrier sehr gesund aus«,meinte die Kelgianerin, wobei sie das Fell krauselte, das auf der sichtbaren Seite von einem gro?en Rechteck aus silbergrauem Stoff bedeckt war. »Was fehlt Ihnen denn?«

»Ich wei? auch nicht, was mir fehlt«, antwortete Hewlitt, der stehengeblieben war, um die Kelgianerin besser ansehen zu konnen. »Genau das versucht man jetzt hier im Orbit Hospital herauszufinden.«

»An dem Tag, an dem Sie eingeliefert worden sind, hat Leethveeschi doch das Reanimationsteam gerufen, nicht wahr? Es mu? sehr ernst um Sie stehen«, meinte die Kelgianerin. »Werden Sie sterben?«

»Das hoffe ich doch nicht. Aber wie ich schon sagte, wei? ich selbst nicht, was mit mir ist«, antwortete Hewlitt.

Die Kelgianerin lag seitlich in einem gro?en, quadratischen Bett auf der Decke und hatte ihren pelzigen Korper zu einem S geformt, das etwas an Konturen verlor, als sie sich ein Stuckchen mit dem Oberkorper hochwand. »Mir wird immer ganz ubel, wenn ich sehe, wie ihr Terrestrier nur auf zwei Beinen das Gleichgewicht halten konnt. Wenn Sie sich mit mir unterhalten mochten, dann setzen Sie sich doch bitte auf die Bettkante. Keine Angst, ich bin nicht zerbrechlich, und ich werde auch nicht bei?en, ich bin namlich Pflanzenfresserin.«

Nachdem die Kelgianerin das erwahnt hatte, wurde Hewlitt schlagartig klar, wie befremdlich es fur ein Wesen sein mu?te, das sich auf vierunddrei?ig Fu?en fortbewegte, wenn jemand nur zwei Beine zum Gehen benotigte. Auf jeden Fall beruhte das Gefuhl auf Gegenseitigkeit. Als er sich auf die Bettkante setzte, achtete er geflissentlich darauf, den pelzigen Korper und die kurzen Raupenbeine der Kelgianerin blo? nicht mit den Oberschenkeln zu beruhren.

Er hatte sich schon immer gern mit anderen Leuten unterhalten, und wenn er die Augen schlo? oder hin und wieder einfach wegsah, konnte er sich vielleicht einbilden, da? die Kreaturen an diesem Ort auch in diese Kategorie fielen. Innerlich bereitete er sich auf ein hoflich gefuhrtes Gesprach vor, falls eine solche Form der Konversation mit einer Kelgianerin uberhaupt moglich war.»Mein Name ist ubrigens Hewlitt«, stellte er sich vor. »Ich habe mitbekommen, da? Sie einige Male an meinem Bett vorbeigegangen sind, und zwar gewohnlich mit einer Tralthanerin oder einem Dwerlaner und einmal auch mit einem Duthaner, soweit ich mich erinnern kann. Um die verschiedenen physiologischen Klassifikationen kennenzulernen und einen besseren Uberblick zu bekommen, habe ich mir einige Programme aus der Bibliothek angesehen. Dadurch wei? ich jetzt, wer mir etwas anhaben kann und wer nicht, wenngleich ich mir bei einigen Wesen immer noch nicht ganz sicher bin.«

»Ich hei?e Morredeth«, stellte sich nun ihrerseits die Kelgianerin vor. »Das mit dem Duthaner und den anderen beiden haben Sie ganz richtig erkannt. Wenn wir an Ihrem Bett vorbeigekommen sind, haben Sie nie etwas gesagt. Deshalb sind wir der Meinung gewesen, da? Sie entweder sehr krank oder einfach nur ungesellig sind.«

»Ich habe Sie nicht angesprochen, weil Sie sich immer mit Ihren Begleitern unterhalten haben«, entgegnete Hewlitt. »Au?erdem hielt ich es nicht fur hoflich, Sie zu unterbrechen.«

»Hoflich! Schon wieder dieses komische Wort!« emporte sich die Kelgianerin, wobei sich ihr Fell stachelig aufrichtete. »In unserer Sprache gibt es dafur keinen entsprechenden Ausdruck. Wenn Sie mit mir reden wollten, dann hatten Sie das ruhig tun sollen. Hatte ich namlich keine Lust gehabt, Ihnen zuzuhoren, dann hatte ich Sie schon aufgefordert, lieber den Mund zu halten. Warum mussen Nichtkelgianer immer alles so furchtbar kompliziert machen?«

Hewlitt empfand das als eine rhetorische Frage, die man nicht beantworten mu?te. »Und was fehlt Ihnen, Morredeth?« erkundigte er sich nach dem Wohlbefinden der Kelgianerin. »Ist es etwas Ernsthaftes?«

Selbst als sich das darauffolgende Schweigen in die Lange zu ziehen begann, machte die Kelgianerin noch immer keine Anstalten, die Frage zu beantworten. Wie sich Hewlitt erinnerte, waren Kelgianer zwar psychisch nicht imstande zu lugen, doch konnte sie nichts und niemand davon abhalten zu schweigen, wenn sie nicht antworten wollten. Gerade als er sich fur dieFrage entschuldigen wollte, begann Morredeth zu sprechen.

»Die ursprungliche Verletzung war eigentlich nicht so schwerwiegend, die Folgeerscheinungen sind allerdings sehr ernst und unheilbar. Leider werde ich nicht daran sterben, trotzdem mochte ich nicht daruber sprechen.«

Hewlitt zogerte, bevor er fragte: »Mochten Sie sich uber etwas anderes unterhalten, oder mochten Sie lieber, da? ich gehe?«

Ohne auf die Frage einzugehen, fuhr Morredeth fort: »Lioren meint, ich solle versuchen, daruber zu sprechen und nachzudenken, anstatt das Problem zu verdrangen. Im Moment mochte ich mich aber lieber uber die anderen Patienten, das Klinikpersonal und solche Dinge unterhalten, damit ich nicht

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