dauernd daran denken mu?. Naturlich kann ich nicht die ganze Zeit uber etwas anderes reden und nachdenken, vor allem dann nicht, wenn alle Patienten schlafen oder wenn die Nachtschwester sich nicht mehr mit mir unterhalten kann, weil sie andere Dinge zu erledigen hat. Selbst im Schlaf werde ich noch von meinen Problemen eingeholt. Ich wei? nicht, wie es bei Ihrer Spezies ist, aber Kelgianer haben keine Kontrolle uber den Ablauf ihrer Traume.«

»Da geht es uns Terrestriern auch nicht besser«, antwortete Hewlitt, der die ganze Zeit das silberne Stoffrechteck auf dem Korper der Kelgianerin musterte und sich fragte, welch schreckliche Verletzung sich darunter verbergen konnte.

Morredeth entging das naturlich nicht. »Ich habe wirklich keine Lust, daruber reden«, bekraftigte sie mit gekrauseltem Fell.

Seitdem ich mich aufs Bett gesetzt habe, spricht dieses bedauernswerte Wesen fast uber nichts anderes als daruber, da? es nicht daruber sprechen will. Ein Psychologe konnte dieser Kelgianerin bestimmt weiterhelfen, dachte Hewlitt und sagte dann laut: »Sie haben eben eine Person namens Lioren erwahnt. Mir wurde gesagt, da? mich demnachst ein Tarlaner mit diesem Namen aufsuchen wurde.«

»Hoffentlich nicht zu bald«, meinte Morredeth.

»Warum sagen Sie das?« erkundigte sich Hewlitt mit einem etwasmulmigen Gefuhl im Magen. »Ist Lioren eine besonders unangenehme Kreatur?«

»Nein, nein«, beruhigte ihn Morredeth. »Ich finde, da? er eigentlich ein ganz nettes Wesen ist, zumindest fur einen Nichtkelgianer. Au?erdem bin ich noch nicht lange genug hier, um zu wissen, was er genau macht. Horrantor hat mir allerdings erzahlt, Lioren werde normalerweise nur zu den Patienten geschickt, bei denen die Arzte mit ihrem Latein am Ende seien. Ich nehme an, damit sind wohl die hoffnungslosen Falle gemeint, oder?«

Hewlitt gefiel dieser Ausdruck uberhaupt nicht, und er fragte sich, ob Braithwaites fruhere Bezugnahme auf Lioren auch wirklich vollig sachgema? gewesen war. Nicht jeder oder, besser gesagt, niemand war so direkt wie ein kelgianisches Wesen.

»Und wer ist dieser Horrantor?« wollte Hewlitt wissen. »Ist das einer der Arzte?«

»Nein, eine Patientin«, stellte Morredeth klar und deutete den Gang hinunter. »Und zwar die da. Sie kommt gerade zu uns heruber, um zu erfahren, woruber wir reden. Das spurt man schon am bebenden Boden.«

»Und was ist mit ihr?« erkundigte sich Hewlitt mit leiser Stimme, falls die tralthanische Patientin ebenfalls Probleme haben sollte, uber ihre Krankheit zu sprechen.

»Das ist ja wohl offensichtlich, wenn sie nur noch auf funf Beinen geht!« fauchte ihn die Kelgianerin an. »Das hochgebundene Bein hat sie sich bei einem Betriebsunfall eingequetscht. Mit Hilfe der Mikrochirurgie ist es wiederhergestellt worden und wird schon bald so gut wie neu sein. Bei dem Unfall sind aber auch die Fortpflanzungsorgane und insbesondere der Gebarmutterhals in Mitleidenschaft gezogen worden, so da? noch weitere Behandlungen notwendig sind, aber fragen Sie Horrantor lieber nicht nach den blutigen Einzelheiten. Ich habe mehr von den chirurgischen Installationsarbeiten an ihrem Fortpflanzungssystem gehort, als mir lieb ist, und au?erdem erinnert mich das nur an meine eigenen Probleme. Ach, sehen Sie nur! Bowab steuert gerade in unsere Richtung. Normalerweisespielen wir Karten – Bellas oder Scremman -, um uns die Zeit zu vertreiben. Spielen Sie auch gern Karten?«

»Ja und nein. Ich meine, ich kenne zwar die Regeln einiger terrestrischer Kartenspiele, bin aber kein besonders guter Spieler. Ist Bowab der Duthaner, der hinter Horrantor hergeht? Was hat er denn fur eine Krankheit?«

»Sie sind sehr unentschlossen, Hewlitt«, tadelte ihn Morredeth. »Entweder konnen Sie spielen, oder Sie konnen es nicht. Bellas ist ein tralthanisches Geschicklichkeitsspiel, ahnlich dem terrestrischen Whist. Scremman kommt ursprunglich von Nidia, und ist, da stimme ich mit Bowab uberein, der sich diesbezuglich als Experte betrachtet, ein Spiel fur ausgesprochen geschickte Lugner und Betruger. Ach so, ich wei? ubrigens nicht genau, was der Duthaner hat, nur, da? sein Problem ungewohnlich und eher ein Fall fur die innere Medizin als fur die Chirurgie ist. Das hier ist die Hauptbeobachtungs-, Ubergangs- und manchmal auch Erholungsstation fur Patienten, die das Gluck haben zu uberleben, was ubrigens laut Oberschwester Leethveeschi auch wirklich die meisten tun. Manchmal werden hier schon ziemlich verruckte Patienten eingeliefert.«

»Das kann man wohl laut sagen«, pflichtete ihr Hewlitt bei, und wahrend er beobachtete, wie Horrantor und Bowab naher kamen, uberlegte er, ob Morredeths letzte Bemerkung einem der arideren Patienten oder ihm galt.

Horrantor blieb am Fu?ende des Bettes stehen, wobei ihr verletztes Bein nur leicht den Boden beruhrte. Jeweils eins ihrer vier ausstreckbaren Augen, die rundherum aus dem unbeweglichen, kuppelformigen Kopf herausragten, war auf Morredeth, Bowab und Hewlitt gerichtet und aus irgendeinem Grund auch auf den weiter entfernt gelegenen Personalraum. Der Duthaner begab sich auf die gegenuber von Hewlitt gelegene Bettseite. Hewlitt selbst uberlegte, ob das unregelma?ig braungefleckte Fell auf dem ansonsten dunkelgrunen, zentaurartigen Korper ein Anzeichen fur seinen Gesundheitszustand oder ein naturliches Merkmal war. Dasselbe galt fur den breiten, wei?en Streifen, der von der Mitte der Stirn ausging und sowohl oben als auch unten an der Wirbelsaule entlang breiter wurde, umdann in einen langen buschigen Schwanz uberzugehen. Doch erkundigte er sich lieber nicht danach. Der Duthaner knickte die Hinterbeine ein und verlagerte das Gewicht auf die Vorderbeine, wahrend er sich mit den Ellbogen und Unterarmen auf dem Bett abstutzte und mit beiden Augen, mit denen er nur in eine Richtung gleichzeitig sehen konnte, Hewlitt anstarrte.

Nach kurzem Zogern stellte sich Hewlitt vor und beschrieb kurz sein Problem. Ihm fiel nichts anderes ein, woruber er hatte reden konnen, denn die einzige Gemeinsamkeit, die sie nach seiner Auffassung alle vier besa?en, war eine Reihe verschiedener Krankheitssymptome.

Horrantor gab einen tiefen, stohnenden Laut von sich, der so etwas wie Mitgefuhl bedeuten mochte, und sagte: »Wenigstens wissen wir drei, was uns fehlt. Wenn die Arzte nicht wissen, was Ihnen fehlt und Sie sich korperlich fit fuhlen, dann konnte es sehr lange dauern, bis man die richtige Therapie fur Sie gefunden hat.«

»Das ist wohl wahr«, pflichtete ihr Bowab bei. »Zumindest kann es lange genug dauern, da? es einem unendlich langweilig wird. Es sei denn, Sie finden einen angenehmen Zeitvertreib. Spielen Sie eigentlich gern Karten, Hewlitt?«

Bevor Hewlitt antworten konnte, mischte sich Morredeth ein: »Selbst eine Kelgianerin wie ich konnte das Thema behutsamer wechseln. Hewlitt kann zwar Karten spielen, kennt aber weder Bellas noch Scremman. Wir konnten ihm die Regeln erklaren, oder vielleicht mochte er uns ja lieber ein terrestrisches Spiel beibringen.«

»Das wurde Ihnen anfangliche Vorteile verschaffen, Hewlitt«, warf Horrantor ein, wobei sie ein weiteres Auge auf ihn richtete. »Mit uns dreien als Gegner konnte Ihnen das nicht schaden.«

Offensichtlich hielten sich diese Wesen fur sehr gute Kartenspieler, und Hewlitt reizte der Versuch, sie mit den Regeln eines komplizierten Spiels zu verwirren, bei dem man sich wie bei Whist oder noch besser Bridge mit

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