Wenn sie etwas zu fressen haben wollte, rieb sie ihren Kopf an meinen Waden, und wenn sie sich vernachlassigt fuhlte, streckte sie die Krallen aus und versuchte, an meinen Beinen hochzuklettern. Sobald sie sich auf dem Rucken von einer Seite auf die andere rollte und mit den Pfoten in die Luft boxte, bedeutete das, da? sie spielen wollte, und wenn sie sich mit geschlossenen Augen auf meinem Scho? zusammenrollte, die Beine unter dem Korper anzog und das Kinn auf den Schwanz legte, wollte sie schlafen. Manchmal schien sie sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie auf meinem Scho? schlafen oder lieber spielen wollte.
Alles in allem war sie ein sehr aktives und liebevolles Wesen«, fuhr Hewlitt fort, und fur einen Moment konnte er fast sehen, wie die Katze steifbeinig und mit hocherhobenem Schwanz mitten uber den Tisch lief und die Karten mit einer Vorderpfote hin und her schob. »Deshalb wehrte sie sich auch nicht, wenn ich sie sehr sanft am Bauch, unter dem Kinn und um die Ohren herum kraulte oder streichelte. Sie mochte das sogar sehr gern, tat aber so, als ob es ihr nicht gefiele, indem sie vorsichtig mit den Pfoten und mit eingezogenen Krallen nach mir schlug. Am liebsten hatte sie es,wenn ich ihren Rucken streichelte, besonders dann, wenn ich an der Stelle zwischen den Augen anfing und mit den Fingerspitzen unter sanftem Druck langsam uber die Wirbelsaule bis hin zum Schwanz strich, der sich dann gerade aufrichtete. Sobald ich das tat, schnurrte sie – das ist ein Gerausch, das Katzen machen, wenn sie sich sehr wohl fuhlen und… «
»Diese Unterhaltung beginnt sehr erotisch und fur mich peinlich zu werden«, unterbrach ihn Morredeth, deren Fell sich zu unregelma?igen Wellen krauselte. »Horen Sie sofort auf damit!«
»Ehrlich gesagt, irritiert es mich auch ein wenig«, stimmte ihr Bowab zu, »wenngleich aufrecht angenehme Weise. Warum erzahlen Sie so viel uber ihr pelziges Haustier? Hatte es vom Charakter oder Benehmen her etwa Ahnlichkeit mit Morredeth oder mir? Ist das Tier ein besonderer Freund von Ihnen gewesen? Was ist mit der Katze passiert, und worauf lauft die Geschichte hinaus?«
»Es tut mir leid, ich wollte wirklich niemandem zu nahe treten«, entschuldigte sich Hewlitt. »Weshalb ich gerade uber meine Katze geredet habe, wei? ich selbst nicht so genau, zumal ich schon seit Jahren nicht mehr an sie gedacht habe. Vielleicht deshalb, weil sie mein erster Freund gewesen ist, der kein Mensch war. Sie war sehr lieb und ahnelte niemandem hier am Tisch, erst recht nicht, wahrend Sie mit mir Scremman gespielt haben. Leider war sie etwas zu abenteuerlustig und erlitt einen Unfall. Sie lief zu dicht an ein gro?es Antischwerkraftfahrzeug heran und wurde von der Au?enkante des Repulsionsfelds erfa?t. Zuerst schien es, als ware sie nicht sonderlich schwer verletzt, weil sie immer noch atmete und nur etwas um den Mund und die Ohren herum blutete. Trotzdem sagten meine Eltern, da? es keine Hoffnung mehr fur sie gebe und man sie zum Tierarzt zum Einschlafern bringen solle, um das arme Ding von seinen Qualen zu befreien. Bevor mich meine Eltern aufhalten konnten, nahm ich sie in die Arme, brachte sie in mein Zimmer und verriegelte hinter mir die Tur, damit sie mir niemand mehr wegnehmen konnte. Danach habe ich sie die ganze Nacht uber in meinem Bett gepflegt, bis sie … «
»Bis sie starb«, unterbrach ihn Horrantor mit einer Stimme, die viel zusanft und leise zu klingen schien, als da? sie von einer solch wuchtigen Kreatur hatte stammen konnen. »Das ist wirklich eine furchtbar traurige Geschichte.«
»Nein, uberhaupt nicht«, widersprach Hewlitt. »Ich habe sie namlich so lange gepflegt, bis es ihr allmahlich etwas besser ging. Am nachsten Morgen war sie sogar schon fast wieder gesund und stie? mit dem Kopf gegen meine Beine, weil sie gefuttert werden wollte. Meine Eltern wollten es zunachst gar nicht glauben. Mein Vater sagte jedoch, da? eine Katze neun Leben habe – das ist eine alte terrestrische Redensart, die darauf beruht, da? Katzen sehr beweglich sind, ein ausgepragtes Gleichgewichtsgefuhl haben und nur selten sturzen, und diese Fahigkeiten schien sie alle auf einmal angewandt zu haben. Ich nehme an, da? sie irgendwann an Altersschwache gestorben ist.«
»Eine traurige Geschichte also, wenngleich mit einem glucklichen Ende«, meinte Bowab. »Das sind genau die Erzahlungen, die ich am liebsten mag.«
»Wollen wir uns weiter uber pelzige Haustiere unterhalten, oder wollen wir Scremman spielen?« fragte Morredeth ungeduldig, deren Fell sich stachelig aufrichtete und merkwurdige, unregelma?ige Wellen schlug, was vielleicht auf Ungeduld oder Verargerung hindeuten sollte, aber naturlich auch etwas vollig anderes bedeuten konnte.
Die Frage beantwortete sich von selbst, weil Horrantor umgehend mit dem Austeilen der Karten begann um die Kelgianerin zu besanftigen, der es offenbar nicht gefiel, wenn er uber Katzen sprach, sagte Hewlitt: »Ich habe nur deshalb von meinem Haustier erzahlt und besonders uber dessen Fell geredet, weil ich daruber nachgedacht habe, ob die Spielregeln mir gegenuber ungerecht sind, da ich die Gesten und die Gesichtsausdrucke fremder Spezies nicht zu deuten wei?. Horrantor und Bowab zeigen keinerlei Regungen, die ich wahrnehmen konnte, und Morredeth zeigt wiederum viel zu viele, als da? ich sie deuten konnte. Vielleicht lerne ich das ja noch mit der Zeit. Zum Beispiel ist es sehr unfair, da? Sie beide weit mehr Zeit als ich gehabt haben, um Morredeths Fellbewegungen zu beobachten, und Sie…«»Sie werden es ganz bestimmt nicht lernen, meine Gefuhle zu deuten, Hewlitt. Ganz egal, wie lange wir hier zusammen sind«, unterbrach ihn Morredeth, wahrend sich ihr Fell krauselte und aufstellte, als wurde ein heftiger Windsto? durch die Station fegen. »Selbst ein anderer Kelgianer hatte damit seine Schwierigkeiten.«
Das Spiel wurde unter mi?billigendem Schweigen fortgesetzt, und Hewlitt wu?te, da? er wieder einmal etwas Falsches gesagt haben mu?te.
12. Kapitel
Nachdem das Spiel von der hudlarischen Schwester mit dem Hinweis beendet worden war, sie mochten bitte in ihre Betten zuruckkehren und die Medizin fur die Nacht einnehmen, um endlich zu schlafen, beschaftigte Hewlitt noch lange der Gedanke, was er Falsches gesagt haben konnte, weil er einen solchen Fehler zukunftig vermeiden wollte. Die drei anderen kamen auf dem Weg zum und vom Waschraum an seinem Bett vorbei, wobei Morredeth keinen Ton sagte, doch traute sich Hewlitt auch nicht, sie anzusprechen, weil er furchtete, dadurch alles nur noch schlimmer zu machen.
Da er als einziger keine Medikamente bekam, wurde er auch als letzter Patient konsultiert. Die hudlarische Schwester mu?te lediglich die Sensorenverbindungen zu seinem Uberwachungsmonitor uberprufen und hatte bis zu ihrer nachsten Runde in zwei Stunden nichts weiter zu tun, als den Zustand der schlafenden Patienten zu kontrollieren, es sei denn, es wurde ein Notfall eintreten. Vor ihr lag eine lange Nachtschicht, und Hewlitt hoffte, ihre Langeweile unterbrechen und seine Neugier durch einige Fragen befriedigen zu konnen.
»Versuchen Sie heute abend einmal, nicht den Bildschirm einzuschalten«, riet ihm die Hudlarerin. »Oberschwester Leethveeschi hat mir namlich erzahlt, Sie hatten heute schon genug Aufregung gehabt. Beim Kartenspielen vergeht die Zeit wie im Flug, und es freut mich sehr, da? Sie sich mit Patienten fremder Spezies angefreundet haben. Aber jetzt mussen Sie schlafen.«
»Ich werde es versuchen, Schwester, aber etwas macht mir Sorgen.«