»Wenn Sie sehen, da? die Patientin ununterbrochen wach ist, und das wird sie demnachst sein, dann wurde es nicht schaden, sich bei ihr zu entschuldigen und sich mit ihr zu unterhalten.«

Hewlitt beobachtete, wie die Schwester trotz ihres ungeheuren Korpergewichts vollkommen lautlos durch die Station ging, und dachte, da? diese riesige, klotzige Kreatur mit einer Haut wie biegsames Metall offenbar ein sehr weiches Herz hatte. Er mu?te kein Empath sein, um zu wissen, was die Hudlarerin von ihm erwartete.

Aus psychologischen Grunden, die sie als falsch empfand, war es der Schwester von ihrem Vorgesetzten verboten worden, Morredeth in ausgedehnte Gesprache zu verwickeln. Ohne diese Anweisungentatsachlich zu mi?achten, hatte sie nun dafur gesorgt, da? diese Aufgabe von jemand anderem erledigt wurde.

13. Kapitel

Hewlitt lag, auf einen Ellbogen gestutzt, im Bett, so da? er uber die anderen Patienten hinweg auf Morredeths Bett sehen konnte. Er lauschte den verschiedenen Schlafgerauschen, die die Extraterrestrier in der vollbelegten Station von sich gaben und uberlegte, wie lange er noch damit warten sollte, die Kelgianerin anzusprechen. Morredeths Bett war durch die Sichtblenden abgeschirmt, aber an der Decke konnte man einen schwachen Lichtkegel erkennen, der sich nicht bewegte, so da? er wahrscheinlich von der Nachttischlampe und nicht vom Bildschirm herruhrte. Wenn Morredeth sich keins der Unterhaltungsprogramme ansah, las sie vielleicht oder war bereits bei brennendem Licht eingeschlafen; zumal sich eins der merkwurdigen Gerausche, die Hewlitt vernahm, wie ein kelgianisches Schnarchen anhorte. Falls letzteres der Fall war, wurde sie diesem dummen Terrestrier, der sie mitten im Schlaf weckte, bestimmt wutende Worte an den Kopf werfen. Vorsichtshalber beschlo? er zu warten, bis Morredeth ihren nachtlichen Gang zur Toilette machte, um sie erst dann auf dem Ruckweg zum Bett anzusprechen. Heute abend schien allerdings uberhaupt niemand zur Toilette gehen zu wollen, und er war au?erst gelangweilt, da er nichts anderes zu sehen bekam, als die Reihen schattenhafter Alienbetten und den Lichtfleck an der Decke uber dem Bett der Kelgianerin. Selbst das stumpfsinnigste Unterhaltungsprogramm ware aufregender als das hier, und deshalb beschlo? er, mit seiner Entschuldigung bei Morredeth nicht langer zu warten, um danach wenigstens noch etwas Schlaf zu finden. Er setzte sich aufrecht hin, schwang die Beine uber die Bettkante und tastete mit den Fu?en in der Dunkelheit umher, bis er die Pantoffeln fand. Sie waren ihm vom Krankenhaus ausgehandigt worden und viel zu gro?, so da? das leise Schlurfen, die sie beim Gehen verursachten, jetzt viel lauter zu sein schien als wahrend des regen Betriebes, der tagsuber auf der Station herrschte. Wenn Morredeth wider Erwarten wach sein sollte, wurde sie ihn bestimmt kommen horen, und falls sie schlafen sollte und er sie aufwecken wurde,hatte er bereits zwei Grunde, fur die er sich bei ihr entschuldigen mu?te.

Die Kelgianerin lag wie ein dickes, pelziges Fragezeichen auf der unverletzten Seite und war lediglich mit dem gro?en, rechteckigen Verband bedeckt, unter dem sich die Mullauflagen befanden. Wie Hewlitt vermutete, benotigte sie bei all dem naturlichen Warmeschutz wahrscheinlich sowieso keine Decke. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Beine wurden von dem dicken, unruhigen Fell fast vollig verdeckt, dessen unregelma?ige Bewegung nicht unbedingt bedeutete, da? sie schlief.

»Sind Sie wach, Morredeth?« flusterte Hewlitt mit einer solch leisen Stimme, da? er sich selbst kaum verstehen konnte.

»Ja«, antwortete die Kelgianerin, ohne die Augen zu offnen.

»Mochten Sie sich vielleicht mit mir unterhalten?« erkundigte sich Hewlitt schuchtern. »Ich meine, falls Sie nicht schlafen konnen?«

»Nein«, entgegnete Morredeth und einen Moment spater: »Ja.« »Woruber wurden Sie denn gern sprechen?«

»Reden Sie einfach, woruber Sie wollen«, schlug die Kelgianerin vor, wobei sie die Augen offnete. »Nur nicht uber mich.«

Hewlitt befurchtete, da? es ziemlich schwierig fur ihn werden konnte, sich mit einem Wesen zu unterhalten, das niemals log und immer genau das sagte, was es dachte. Da zudem au?er ihnen beiden niemand anwesend war, der ihn an die allgemein ubliche Gepflogenheit hoflich gemeinter Lugen hatte erinnern konnen, wurde er sogar gehorig aufpassen mussen, am Ende nicht so ehrlich wie ein Kelgianer zu reden. Zwar hatte er keine Erklarung dafur, aber das Bedurfnis, genau das zu tun, war sehr stark.

Warum denke ich blo? so? fragte sich Hewlitt nicht zum ersten Mal. Das sieht mir uberhaupt nicht ahnlich.

Laut sagte er: »Ich bin in erster Linie deshalb zu Ihnen gekommen, weil ich mich bei Ihnen entschuldigen mochte. Ich hatte in Ihrer Gegenwart nicht so ausfuhrlich uber mein pelziges Haustier reden sollen. Ich wollte Ihnen wirklich keinen Kummer bereiten, und nachdem ich von den langfristigen Auswirkungen Ihrer Verletzung erfahren habe, wurde mir klar, wiegedankenlos, unsensibel und dumm mein Verhalten gewesen ist. Es tut mir sehr leid, Morredeth.«

Fur eine Weile zeigte die Kelgianerin keinerlei Reaktion, lediglich ihr Fell krauselte sich so aufgeregt und deutlich, da? selbst die Rander des Wundverbands mitzuckten. Dann sagte sie: »Es war nicht Ihre Absicht, mich zu verletzen, also zeugte Ihr Verhalten nicht von Dummheit, sondern von Unwissenheit. Setzen Sie sich aufs Bett. Und welchen weiteren Grund gibt es fur Ihren Besuch?«

Als Hewlitt nicht sofort antwortete, sagte Morredeth: »Warum verschwenden Nichtkelgianer blo? so viel Zeit, um uber viele Worte fur eine Antwort nachzudenken, wenn es auch wenige tun wurden? Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt.«

Und Sie werden eine einfache kelgianische Antwort erhalten, beschlo? Hewlitt und entgegnete dann laut: »Ich war einfach neugierig und wollte mehr uber Sie und Ihre Verletzung wissen, aber Sie haben mir ja verboten, uber Sie zu sprechen. Soll ich zuruck in mein Bett gehen?«

»Nein«, antwortete Morredeth.

»Gibt es irgend etwas oder irgend jemand anderen, woruber Sie gerne reden mochten?«

»Ja, uber Sie«, schlug die Kelgianerin vor.

Als Hewlitt zogerte, fuhr Morredeth fort: »Ich habe sehr empfindliche Ohren und beinahe jedes Wort mitgehort, das zwischen Ihnen und den Arzten gewechselt wurde. Sie sind gesund und erhalten keinerlei medizinische Behandlung, abgesehen von dem einen Mal, als Sie das Bewu?tsein verloren haben und das Reanimationsteam mit Verzogerung eintraf, um Sie wiederzubeleben. Auf jeden Fall wei? niemand, was Ihnen genau fehlt. Ich habe auch mitbekommen, wie Sie dem terrestrischen Psychologen erzahlt haben, Sie hatten eine Vergiftung und einen Sturz uberlebt, obwohl Sie dabei hatten umkommen mussen. Das Orbit Hospital ist aber fur

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