Der Padre gab erneut ein unubersetzbares Gerausch von sich und fuhr dann fort: »Besonders vorsichtig bin ich bei Unglaubigen. Es ware zum Beispiel furchtbar, falls Sie allein aufgrund meiner Aussagen irgendwanneinmal religios werden wurden.«

»Also, dazu bedurfte es allerdings eines echten Wunders«, bemerkte Hewlitt lachend.

Liorens Antwort wurde durch das unverhoffte Auftauchen Leethveeschis ubertont, die in Richtung des Stationseingangs deutete und ohne gro?e Umschweife zur Sache kam. »Bitte stellen Sie sich darauf ein, gleich von einigen Leuten Besuch zu bekommen, Patient Hewlitt. Die Diagnostiker Thornnastor und Conway, die Chefarzte Medalont und Prilicla sowie die Pathologin Murchison wollen Sie namlich sehen. Wenn sich eine solch hochkaratige Ansammlung medizinischer Kapazitaten fur Ihren Fall interessiert, dann ist abzusehen, da? Sie als Patient nicht mehr lange hierbleiben werden. Prilicla entschuldigt sich ubrigens fur die Unterbrechung Ihrer Unterhaltung. Er bittet Sie, Padre Lioren, zu den anderen hinuberzugehen und dort kurz zu warten, damit seine Untersuchung nicht durch Ihre Gegenwart beeintrachtigt wird.«

»Selbstverstandlich, Schwester«, willigte Lioren sofort ein.

Hewlitt beobachtete, wie der Padre die Station hinaufging und sich zu der Gruppe gesellte, die etwa drei?ig Meter entfernt stand und in einem Fall sogar schwebte. Den Tralthaner, Medalont, die terrestrischen Diagnostiker Thornnastor und Conway nahm er kaum wahr und noch nicht einmal die schon etwas in die Jahre gekommene, nichtsdestoweniger aber auffallend hubsche Terrestrierin, bei der es sich um die Pathologin Murchison handeln mu?te, weil seine ganze Aufmerksamkeit dem enorm gro?en, doch zugleich unglaublich zerbrechlichen Insekt galt, das mit drei langsam schlagenden, schillernden Flugelpaaren in seine Richtung flog. Als es schlie?lich uber seinem Bett auf der Stelle schwebte und er den schwachen Luftzug des Flugelschlags im Gesicht spurte, erinnerte er sich daran, da? er schon immer eine Abneigung gegen Insekten gehabt hatte; und je gro?er diese waren, desto mehr verspurte er das Verlangen, sie totzuschlagen. Dieses Insekt hier war allerdings die zarteste und schonste Kreatur, die er je im Leben gesehen hatte, so da? er vor lauter Staunen keinen Ton herausbrachte.»Vielen Dank, Freund Hewlitt«, begru?te ihn das Insekt, dessen ruhige trallernde und klickende Sprechweise eine fast musikalische Untermalung der ubersetzten Worter bildete. »Ihre emotionale Ausstrahlung ist sehr angenehm und hochst schmeichelhaft fur mich. Mein Name ist ubrigens Prilicla.«

»Was… was genau haben Sie mit mir vor?« stammelte Hewlitt, den mit wiedererlangter Stimme auch die Angst erneut gepackt zu haben schien.

»Ich habe bereits alles Notwendige erledigt, Freund Hewlitt. Also gibt es keinen Grund fur Sie, Angst zu haben.«

Die anderen, die gewartet hatten, mu?ten alles mitgehort haben, denn sie kamen plotzlich naher.

Nachdem sie sich um Hewlitts Bett herum aufgestellt hatten, verkundete Prilicla mit erhobener Stimme: »Zum gegenwartigen Zeitpunkt sind bei Patient Hewlitt keine Anomalien des Geisteszustands festzustellen, genausowenig wie bei Patientin Morredeth, die ich zuvor untersucht habe und die deshalb umgehend nach Hause entlassen werden sollte. Ich fuhle, wie enttauscht Sie alle verstandlicherweise sind, und es tut mir wirklich leid. Was mich anbelangt, so kann ich absolut nichts Ungewohnliches an dem Patienten feststellen.«

Wahrend Prilicla federleicht auf dem Bettende landete, fuhr er fort: »Was wurden Sie eigentlich von einer Fahrt in einem Ambulanzschiff halten, Freund Hewlitt?«

Hewlitt sah, wie Priliclas Korper zu zittern begann, und ihm war klar, da? der Empath die von ihm ausgestrahlten Gefuhle von Wut und bitterer Enttauschung mit ihm teilen mu?te – Gefuhle, unter denen er schon so oft in der Vergangenheit gelitten hatte.

»Versuchen Sie blo? nicht, mich auf den Arm zu nehmen, verdammt noch mal!« protestierte er. »Sie glauben also auch, da? mir nichts fehlt, und wollen mich nach Hause schicken, wie?«

»Nein, das ist nicht ganz richtig«, besanftigte ihn Prilicla. »Dieses Mal werden Sie mit dem Ambulanzschiff des Orbit Hospitals zumursprunglichen Unfallort fliegen.«

16. Kapitel

Auch wenn Hewlitt wahrend des Aufenthalts auf Station sieben seine Xenophobie so gut wie uberwunden hatte, so stellte er doch mit Erleichterung fest, da? die terrestrischen DBDGs auf diesem Ambulanzschiff eine Mehrheit von funf zu drei besa?en.

Wie er erfuhr, wurde die Rhabwar bei nichtmedizinischen Einsatzen von einem sehr dienstbeflissenen jungen Offizier namens Major Fletcher kommandiert, wahrend die drei anderen Monitorkorpsoffiziere Haslam, Chen und Dodds fur die Kommunikation, Technik und Astronavigation verantwortlich waren. Da es Hewlitt nicht gestattet war, das Unfalldeck zu verlassen, wurde er mit diesen Schiffsoffizieren wohl nur selten Kontakt haben, es sei denn, ein Notfalleinsatz wurde ihre Gegenwart auf dem Unfalldeck dringend erforderlich machen. In einem solchen Fall wurde das Kommando bis zum Abschlu? des Notfalleinsatzes automatisch an den Chefarzt des medizinischen Teams ubertragen werden, und das war, wie sich herausstellte, der cinrusskische GLNO-Empath Prilicla.

Zunachst war Hewlitt einigerma?en uberrascht und spater, nachdem er Pathologin Murchison besser kennengelernt hatte, auch sehr erfreut daruber zu erfahren, da? sie als Stellvertreterin des Empathen fungierte. Bei den anderen beiden Angehorigen des medizinischen Stabs handelte es sich um Oberschwester Naydrad - eine DBLF-Kelgianerin und ihres Zeichens Spezialistin fur besonders schwierige Rettungsaktionen, und Doktor Danalta, der der physiologischen Klassifikation TOBS angehorte und der die fremdeste und zuweilen auch vertrauteste Personlichkeit war, die Hewlitt je im Leben zu Gesicht bekommen hatte.

Danalta war namlich ein polymorphes Wesen; ein Gestaltwandler also, der sich optisch in irgend jemand oder irgend etwas verwandeln konnte, was er anderen auch nur allzu gern vorfuhrte. Sobald dieser Verwandlungskunstler mit der Krankenwache an der Reihe war und insbesondere dann, wenn Hewlitt schlafen und sich nicht unterhalten sollte, sa? Danalta allerdings immer nur schwerfallig wie eine unformige, gruneBirne neben seinem Bett und pflegte lediglich ein gro?es Auge und ein gro?es Ohr hervorzustulpen.

Mit Ausnahme wahrend der naturlichen Schlafperioden, an die sich terrestrische DBDG-Patienten strikt halten mu?ten, konnte Hewlitt naturlich jederzeit das Bett verlassen.

Gleich am ersten Tag an Bord wurde an ihm eine sehr grundliche arztliche Untersuchung vorgenommen, die auch die Entnahme von Gewebe- und Blutproben umfa?te. Wahrend dieser Prozedur stand oder schwebte das gesamte medizinische Team um sein Bett herum und legte dabei eine Betriebsamkeit mit fast haarstraubenden Folgen an den Tag. Fast alle Beteiligten strahlten namlich eine ungeheure Besorgnis aus, die selbst Hewlitt spurte, weil sie befurchteten, da? er auf irgendeine dramatische Weise reagieren konnte. Bei dieser einen Untersuchung

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