ubersteigerten Phantasie zugeschrieben wurden. Vollig zu Recht wollte keiner der Arzte auf der Erde das Risiko auf sich nehmen – und spater auch nicht hier auf Station sieben -, Ihnen ein Medikament ein zweites Mal zu verabreichen, das zuvor eine allergische Reaktion bei Ihnen hervorgerufen hatte. Wenn Ihr Symbiont aber mittlerweile genugend uber Ihren Metabolismus erfahren hat, um solche Fremdstoffe als harmlos einzustufen, dann mu?te Ihre Reaktion auf eine zweite Dosis normal ausfallen.

Das Verhalten der Virenkreatur wahrend Ihres Aufenthalts im Orbit Hospital weist daruber hinaus auf eine deutliche Veranderung hin. ImGegensatz zu dem Wesen, an das ich mich erinnern kann und dessen emotionale Ausstrahlung in erster Linie von der Angst gepragt war, nicht umgehend in Lonvellins Korper zuruckkehren zu konnen, scheint es jetzt viel eher bereit zu sein, andere Korper aufzusuchen. Vielleicht war es mit Ihnen als Wirt nicht langer zufrieden.«

»Unter diesen Umstanden ware ich allerdings eher froh als beleidigt, wenn sich mein Leibarzt ein neues Betatigungsfeld gesucht hat«, bemerkte Hewlitt trocken.

Prilicla ignorierte die Bemerkung und fuhr fort: »Deshalb kann es durchaus sein, da? sich die Virenkreatur nach einem Vierteljahrhundert der Inbesitznahme eines terrestrischen DBDGs zusehends langweilte und sich nach einer interessanteren Lebensform umschauen wollte, wofur das Orbit Hospital bekannterma?en der idealste Ort im ganzen Universum ist. Meiner Meinung nach sucht sich das Wesen allerdings instinktiv, oder auch ganz bewu?t, einen Wirt mit einer extrem langen Lebenserwartung wie Lonvellin, um die eigene Existenz moglichst lange sicherzustellen. Deshalb hat es auch eine so kurzlebige und nicht intelligente Lebensform wie Ihre Katze damals verlassen und ist gleich nach Verrichtung seiner Arbeit sofort in Ihren Korper zuruckgekehrt. Nicht zuruckgekehrt ist es aber in Ihren Korper, nachdem es in Morredeth eingedrungen war und das Fell der Kelgianerin wieder zum Wachsen gebracht hatte. Vielleicht hatte es wegen des darauffolgenden Durcheinanders einfach keine Chance dazu. In Morredeths Korper ist es aber auch nicht geblieben. Das wei? ich, weil ich die Kelgianerin vor unserem Abflug genau untersucht habe. Die letzten vier Testtage und meine standige Uberwachung Ihrer emotionalen Ausstrahlung seit Sie an Bord der Rhabwar sind, haben bewiesen, da? es auch nicht mehr in Ihnen oder gar in Ihrem in die Jahre gekommenen ehemaligen Haustier steckt.

Die ernsthafteste und dringendste Frage, die sich uns jetzt stellt, lautet also, wen das Wesen gerade in Besitz genommen hat und was es als nachstes vorhat«, beendete Prilicla seine Ausfuhrungen.

Zwar fuhlte sich Hewlitt noch immer uber alle Ma?en erleichtert, da? erdiese Kreatur endlich losgeworden war, doch machten sich in ihm ebenso nagende Zweifel uber sein zukunftiges Schicksal breit. Alle blickten ihn an. Danalta hatte eine vollig ausdruckslose Form angenommen, Murchisons Lacheln begrenzte sich auf die Augenpartien, Naydrads Fell legte sich in krause Wellen, und Prilicla hatte seit Beginn seiner Rede am ganzen Korper gezittert.

Nach seinem Dafurhalten war ihm der Empath zumindest eine Antwort schuldig geblieben, und deshalb fragte er: »Ware es denn moglich, da? diese Virenkreatur gelernt hat, wie sie ihre Gefuhle vor Ihnen verbergen kann?«

»Nein, Freund Hewlitt«, antwortete der Empath, ohne zu zogern. »Ob nun ein organisches Wesen intelligent ist oder nicht: Es hat immer Gefuhle. Haufig strahlen die kleinsten und weniger intelligenten Wesen die starksten und aufwuhlendsten Empfindungen aus. Wie ich mich erinnern kann, lie? die emotionale Ausstrahlung von Lonvellins Leibarzt jedoch auf ein sehr intelligentes Wesen schlie?en. Kein denkendes Wesen kann seine Gefuhle vor mir verbergen. So etwas wurde allenfalls einem anorganischen Computer gelingen, weil er schlichtweg keine besitzt.

Ansonsten brauchen Sie sich ubrigens keine Sorgen zu machen, Freund Hewlitt. Auch wenn unser Leibarzt in der Vergangenheit versehentliche Fehler begangen hat, so hat er Sie, Ihre Katze und auch Lonvellin bis zu dessen gewaltsamen Tod mit einer perfekten Gesundheit ausgestattet. Die Katze, die fur ihre ansonsten doch relativ kurzlebige Spezies ein extrem hohes Alter erreicht hat, ist nur ein Beweis dafur. Deshalb wurde ich sagen, da? Sie ebenfalls ein uberdurchschnittlich langes und gesundes Leben fuhren werden, es sei denn, Sie erleiden einen Unfall.«

»Danke, Doktor«, seufzte Hewlitt erleichtert und lachte. »Trotzdem habe ich das Gefuhl, irgendwas verpa?t zu haben. Warum stellt diese Kreatur ein solch ernsthaftes und dringendes Problem dar, wenn Sie selbst sagen, da? sie praktisch keinen Schaden anrichtet, sondern eher gute Arbeit leistet? In dem Fall hatten Sie im Orbit Hospital doch nur einen Arzt mehr, der zwar vielleicht etwas verruckt sein mag, aber das gehort dort ja fast zum gutenTon. Was ware daran also so furchtbar neu?«

Von Murchisons Lacheln war nun endgultig nichts mehr zu sehen, Danaltas gallertartiger Korper wabbelte unruhig hin und her, und Naydrads Fell nahm unter krampfartigen Zuckungen immer merkwurdigere Formen an. Au?erdem war offensichtlich, da? auch Prilicla die letzte Bemerkung nicht sonderlich humorvoll fand.

»Absichtlich richtet die Virenkreatur wohl keinen Schaden an«, antwortete der Empath. »Andererseits wollte sie das auch bei Ihnen nicht tun, und dennoch haben ihre im Grunde guten Absichten bei Ihnen zwanzig Jahre seelischen und gesundheitlichen Stress ausgelost. Gegenwartig scheint sie Freude am Experimentieren gefunden zu haben, indem sie so haufig wie moglich die Wirte wechselt. Den Schaden und das Chaos, das diese Kreatur in einem Krankenhaus anrichten konnte, in dem sie uber eine Auswahl von mehr als sechzig verschiedenen Spezies verfugt, sprengt bei weitem jede Vorstellungskraft.«

Mit einem Mal nahm Hewlitt das schwindelerregende Gefuhl des Auftauchens aus dem Hyperraum wahr. Hinter dem Sichtfenster waren nur noch die sternenubersate Dunkelheit des Weltraums und die unzahligen bunten Lichter des Orbit Hospital zu sehen, das selbst aus dieser Entfernung ein imposantes Bild bot. Doch dieser umwerfende Anblick schien au?er ihm niemanden zu interessieren.

»Unsere vorrangige Aufgabe mu? also sein, dieses Wesen ausfindig zu machen, um es dann zu isolieren und aus dem Korper seines gegenwartigen Wirts zu entfernen«, erklarte Prilicla gerade den anderen. »Danach mussen wir herausfinden, wie man sich mit einem Wesen verstandigen kann, das eventuell keine anderen Kommunikationsformen kennt, als Gefuhle zu empfangen und auszustrahlen. Irgendwie mussen wir Mittel und Wege finden, mit Lonvellins ehemaligem Leibarzt in beide Richtungen zu kommunizieren, um ihm Gewi?heit uber unsere guten Absichten zu geben und seine Erlaubnis fur eine grundliche medizinische Untersuchung einzuholen. Danach sollten wir uns nach seiner Herkunft, seinen korperlichen und seelischen Bedurfnissen und vor allem nach der Methodeund Haufigkeit seiner Fortpflanzung erkundigen. Wenn alles glatt verlauft, und das konnen wir nur hoffen, mussen wir entscheiden, ob wir es zulassen konnen, da? er oder seine Nachkommen sich weiterer Wirtskorper bemachtigen.«

An Hewlitt gewandt fuhr Prilicla fort: »Dazu sollte ich erklaren, da? der Leibarzt von Lonvellin, Morredeth und Ihnen alle anderen Arzte uberflussig machen konnte. Zwar handelt es sich bei ihm um das einzige uns bekannte Exemplar einer wahrhaftig einzigartigen Lebensform, doch falls sich diese Spezies in ausreichender Menge vermehren und ohne schadliche Nebenwirkungen bei anderen Spezies aktiv werden kann, dann ware die medizinische Heilkunst in der gesamten galaktischen Foderation uberflussig oder allenfalls noch auf Notfalloperationen und dergleichen beschrankt.«

Alle blickten den Empathen derart eindringlich an, da? ihn die damit einhergehenden emotionalen Ausstrahlungen zur Landung auf dem Decksboden zwangen. Hewlitt wu?te nicht recht, wie er die Lage einschatzen sollte. Sicherlich hatte der Empath gerade fur jeden aufrechten Angehorigen der medizinischen Zunft sehr gute und

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