»Aber«, fuhr Hewlitt entgegenkommenderweise fort, »die Ereignisse, die mir seit meiner Ankunft im Orbit Hospital widerfahren sind, stellen sich fur mich sehr viel klarer dar, und einige meiner Gefuhle uberraschen mich. Um das genauer zu erklaren, mu? ich bis in meine Kindheit zuruckgehen.«
O'Mara starrte ihn noch immer unentwegt an; der Chefpsychologe schien vollig vergessen zu haben, da? man hin und wieder die Augenlider auf und ab bewegen sollte.
Hewlitt holte tief Atem und erzahlte weiter. »Ich bin damals viel zu jung gewesen, um zu verstehen, weshalb von allen Fremdweltlern, die auf dem etlanischen Stutzpunkt stationiert waren, ein solch vorbildliches Verhalten verlangt wurde. Aufgrund der noch im Aufbau befindlichen Kulturkontakte mu?ten sie vor der einheimischen Bevolkerung demonstrieren, wie gut sich Tralthaner, Orligianer, Kelgianer und Terrestrier verstehen und wie schon deren Kinder miteinander spielen konnen – naturlich nur unter entsprechender Aufsicht. Als ich aber eines Tages von einer melfanischen Amphibie, die anscheinend glaubte, ich konne auch Wasser atmen, auf den Grund gezogen wurde, mu? das aufsichtsfuhrende erwachsene Wesen einen anderen Bereich des Schwimmbeckens im Augenmerk gehabt haben. Sicher war das keine Absicht, und ich war auch eher zu Tode erschrocken,als da? ich einen korperlichen Schaden davongetragen hatte, trotzdem habe ich danach nie wieder den Spielplatz einer fremden Spezies aufgesucht. Meine Eltern erzahlten mir damals, da? ich diese Angst mit zunehmendem Alter uberwinden wurde, doch ansonsten fanden sie sich damit ab und unternahmen nichts weiter dagegen. Deshalb habe ich oft allein zu Hause gesessen und mich gelangweilt, bis ich darauf kam, die Gegend zu erforschen, wo dann auch der Unfall mit dem Baum passierte.
Da Sie meine Gesprache auf der Station abgehort haben, wissen Sie ja, da? meine Arbeit auf der Erde zwar interessant, aber bestimmt nicht aufregend ist, und da? irgendwelche Treffen mit Fremdweltlern nicht dazugehoren. Naturlich habe ich immer wieder Aliens in den verschiedenen Nachrichtensendungen gesehen, aber entgegen den Beteuerungen meiner Eltern habe ich trotz zunehmenden Alters nie die Angst vor ihnen verloren. In den Krankenhausern, in denen ich behandelt wurde, waren naturlich auch einige Extraterrestrier beschaftigt, aber ich habe sie nie in meine Nahe kommen lassen, und da mich die Arzte fur psychisch krank hielten, willigten sie sogar ein, mich von Aliens nicht versorgen zu lassen.«
O'Mara runzelte ungeduldig die Stirn, einen Augenblick lang waren seine Augen sogar hinter den Brauen verborgen, und dann grummelte er: »Ich nehme an, da? uns das, was Sie da von sich geben, irgendwo hinfuhrt, nicht wahr?«
»Wahrscheinlich nirgendwohin«, entgegnete Hewlitt, ohne auf die sarkastische Bemerkung genauer einzugehen. »Auf dem Weg hierher bin ich von einem gro?en und stark behaarten orligianischen Arzt betreut worden, der sich in seiner ma?losen Selbstuberschatzung eingebildet hat, er konne mich allein dadurch heilen, indem er mich davon uberzeugt, da? meine Probleme lediglich einer ubersteigerten Phantasie entsprangen. Mir war durchaus klar, und sei es nur unterbewu?t, da? er mir trotz seiner au?eren Erscheinung nichts antun wurde. Andererseits ist er der erste Alien gewesen, den ich seit meiner Kindheit personlich kennengelernt habe. In seiner Gegenwart habe ich sowohl Neugierde als auch Angst empfunden, doch ist mir sein arrogantes Auftreten derart auf die Nerven gegangen, da?ich auch keine Lust hatte, ihm irgendwelche Fragen zu stellen.
Bei meiner Ankunft hier im Orbit Hospital bin ich dann von einer hudlarischen Schwester empfangen worden, und auf dem Weg zur Station sind wir an Wesen vorbeigekommen, die ich mir in meinen schlimmsten Alptraumen nicht hatte vorstellen konnen. Obwohl ich wu?te, da? es sich um Mitarbeiter und Patienten des Hospitals handelte, habe ich mich trotzdem derart vor ihnen gefurchtet, da? ich eine ganze Weile vor Angst nicht einschlafen konnte. Gleichzeitig bin ich aber auch neugierig gewesen und wollte mehr uber sie erfahren. Vor Oberschwester Leethveeschi hatte ich zum Beispiel eine Heidenangst, und zugleich faszinierte sie mich.«
Naydrad gab ein gurgelndes Gerausch von sich, was aber Hewlitt und die anderen im Raum nicht zu irritieren vermochte.
»Innerhalb weniger Stunden erkundigte ich mich uber Hudlarer und uber Wesen wie Leethveeschi und Medalont. Am nachsten Tag unterhielt ich mich bereits mit anderen Patienten und spielte sogar Karten mit ihnen. Was ich damit sagen will, ist, da? ich ein solches Verhalten von mir selbst niemals erwartet hatte. Die Xenophobie, die ich empfunden habe, entsprang sicherlich meinen ureigensten Angsten, aber die brennende und anhaltende Neugier auf die anderen Lebensformen um mich herum, mu? von jemand anderem ausgegangen sein.«
Kurz erweckte das Buro den Eindruck eines Standbilds, auf dem ihn alle anblickten, weil er die Kamera in der Hand hielt. Erst als O'Mara das Wort ergriff, kehrten Ton und Bewegung zuruck.
»Im Grunde trifft es wohl zu, was Sie gesagt haben, aber eben nicht ganz. Anscheinend haben Ihre Eltern namlich doch recht behalten, da? Sie Ehre Angst vor Fremdweltlern mit der Zeit ablegen wurden, denn nach Ihrer Ankunft hier im Hospital haben Sie das innerhalb weniger Stunden geschafft. Selbst Prilicla war von Ihnen tief beeindruckt. Er hat mir erzahlt, da? er bei Ihnen, als Sie das medizinische Team der
»Ich nehme an, das sollte ein Kompliment sein«, warf Hewlitt lachelnd ein.
»Nein, lediglich eine Feststellung«, entgegnete O'Mara mit grimmiger Miene. »Meine Aufgabe hier ist es, die Leute auf den Boden der Tatsachen zuruckzuholen, und nicht, sie abheben zu lassen. Trotzdem hilft uns das, was Sie eben gesagt haben, vielleicht etwas weiter. Konnen Sie den Intensitatsgrad dieser geteilten Neugierde genauer beschreiben? Ich meine, wenn man einmal unterstellt, da? diese Virenkreatur ein gesteigertes Interesse an anderen Lebensformen als potentielle Wirtskorper hat, haben Sie dann – neben Ihren eigenen Gefuhlen der Neugier – auch etwas von diesen doch eher egoistischen Absichten bemerkt? Hatten Sie zum Beispiel den Eindruck, da? Ihr Leibarzt aus eigenem Willen einen anderen Wirtskorper aufsuchen konnte? Und sind Sie sich wirklich sicher, da? seine Ubertragung auf einen anderen Korper von Ihrem emotionalen Zustand abhing, wie es ja bei Ihrer Katze und Morredeth der Fall gewesen ist? Versuchen Sie, sich an all Ihre Gefuhle genau zu erinnern, und nehmen Sie sich bitte Zeit zum Nachdenken, bevor Sie antworten.«
»Da brauche ich nicht lange nachzudenken«, widersprach Hewlitt. »Beide Male, als die Virenkreatur meinen Korper verlassen hat, habe ich tiefes Mitleid empfunden, so da? ich mir nicht absolut sicher sein kann, ob diese Gefuhle fur die Ubertragung unbedingt notwendig waren. Was die Katze angeht, so habe ich sie die ganze Nacht dicht am Korper gehalten, aber der Kontakt mit Morredeth dauerte nur etwa eine Minute, allenfalls zwei. Ich kann mich noch gut daran erinnern, da? ich meine Hande wegziehen wollte, weil das Zeug, das auf die Wunde und Verbande geschmiert war, sich eklig anfuhlte, da? ich sie aber zuerst kaum bewegen konnte. Als es mir schlie?lich gelang, mich loszurei?en, hatte ich in den Handflachen und Fingern ein ziemlich merkwurdiges Gefuhl, ein hei?es Kribbeln, das aber nach wenigen Sekunden wieder verschwand. Damalshabe ich nichts davon erwahnt, weil mir sowieso niemand meine Geschichten abnahm und ich es ohnehin nicht fur so wichtig hielt.«
»Und erinnern Sie sich noch an mehr Dinge, die Sie selbst nicht fur so wichtig halten?« zischte O'Mara.
Hewlitt atmete tief durch, wobei er Prilicla zuliebe versuchte, die sarkastische Bemerkung des Majors zu uberhoren. Dann fuhr er fort: »Wenn wir unterstellen, da? die Virenkreatur fur das Aufsuchen eines neuen Wirts korperlichen Kontakt benotigt und es schon immer daran interessiert war, eine solche Moglichkeit wahrzunehmen,