langen, gelben Strangen geflochten und mit seinem winzigen Mund aufgesogen hatte. Genausowenig war ihm entgangen, da? Naydrad beim Essen nicht die Hande zu benutzen pflegte, sondern die Halfte ihres schmalen, kegelformigen Kopfs solange in dem von ihr bevorzugten geraspelten, oligen Grunzeug vergrub, bis die Schussel leer war. Hewlitt hatte sogar mitbekommen, wie sich der Gestaltwandler Danalta entweder auf etwas gesetzt oder sich gegen etwas gelehnt hatte, das er zu verdauen gedachte, bis nur noch die ungenie?baren Reste ubriggeblieben waren. Da er schon zuvor auf Station sieben den E?tisch mit Bowab, Horrantor und Morredeth geteilt hatte, uberraschte es ihn kaum, da? er dem Padre ohne die leiseste Spur des Unbehagens bei der Nahrungsaufnahme zusehen konnte.

Lioren benutze beim Essen die Finger von zweien seiner oberen beweglichen Gliedma?en, wobei die kleinen Hande in silberfarbenen Einweghandschuhen steckten, die – wie Hewlitts Messer und Gabel – in einem Zubehorpackchen auf dem Tablett des Essensspenders mitgeliefert worden waren. Wenn der Padre das Essen zur Mundoffnung fuhrte, fielen seine Bewegungen prazise und beinahe anmutig aus. Die schwammigen braunen und gelben Klumpen, die er verzehrte, waren Hewlitt viel zu fremd, als da? er sich hatte vorstellen konnen, aus welchem Material sie bestanden, oder um von ihnen angewidert zu sein.

Er hoffte, da? dies fur Lioren umgekehrt genauso zutraf, zumal ihm das synthetische Steak sehr gut schmeckte. Doch wie der Padre wirklich empfand, konnte Hewlitt nicht einmal erahnen, da Lioren seit Betreten des Speisesaals noch kein Wort von sich gegeben hatte.

»Nun haben wir zwar gegessen, aber bis jetzt noch kein bi?chen gearbeitet«, stellte Hewlitt fest und warf einen Blick in Richtung des nahen Eingangs. Dort teilte sich eine hereinkommende Gruppe Kelgianer in zweiHalften, um der massiven Gestalt eines Tralthaners Platz zu machen, der gerade die Kantine verlassen wollte. »Oder haben Sie bei jemandem etwas gespurt, was ich verpa?t haben konnte?«

»Nein«, antwortete Lioren und a? weiter. Der Padre wirkte verargert und ungeduldig. Seit sie zu essen angefangen hatten, waren mehr als zweihundert Mitarbeiter an ihrem Tisch vorbeigegangen, -geschlittert, - geschlangelt oder -getrampelt. Naturlich bestand die Moglichkeit, da? sich der Padre genauso wie er allmahlich fragte, ob es sich bei der vermeintlichen Fahigkeit, ehemalige Viruswirte erkennen zu konnen, um nicht viel mehr als um reine Einbildung oder gar Selbsttauschung handelte.

Als sich das Schweigen in die Lange zog, sagte Hewlitt: »Vielleicht funktioniert dieses Gefuhl der geistigen Verbindung, oder worum es sich dabei auch immer handelt, nur zwischen Tarlanern, Terrestriern und Katzen, die sich bereits gut kennen. Vielleicht sind uns all diese Wesen einfach nicht vertraut genug, um den Unterschied zwischen vorher und nachher zu bemerken. Furchten Sie nicht, da? wir hier nur unsere Zeit vergeuden?«

»Nein«, antwortete Lioren genauso knapp wie kurz zuvor. Es dauerte noch eine Weile, bis er seinen Teller leer gegessen hatte, dann erst fuhr er fort: »Die Dienstplane des Personals sind so aufgestellt, da? der Speisesaal niemals uberfullt ist, auch wenn Ihnen Augen und Ohren etwas anderes sagen. Dennoch sind nie mehr als funf Prozent der warmblutigen Sauerstoffatmer gleichzeitig anwesend. Die illensanischen Chloratmer, die Hudlarer sowie die bei extrem niedrigen Temperaturen lebenden Methanarten und all die anderen exotischen Lebensformen verfugen ebenso wie die Patienten uber eigene Versorgungseinrichtungen. Sie verwechseln das Ausbleiben von positiven Ergebnissen mit Mi?erfolg, Hewlitt.«

»Ich verstehe. Sie wollen mir also mit anderen Worten sagen, da? ich geduldiger sein mu? und wir so weitermachen sollten wie bisher, richtig?« »Nein«, antwortete Lioren abermals. »Wir sind nicht…«

Plotzlich wurde er unterbrochen, weil der Bildschirm des Eingabegerats fur die Speisenauswahl rot blinkte und aus dem Lautsprecher eine forschklingende Stimme ertonte, die eine ubersetzte Mitteilung wiederholte:

»Gaste, die fertig gegessen haben, werden gebeten, den Tisch umgehend zu raumen, damit er von nachfolgenden Kantinenbesuchern benutzt werden kann. Ihre Zeit ist um. Sie werden gebeten, berufliche oder private Gesprache, die nicht beendet werden konnten, umgehend einzustellen oder woanders weiterzufuhren. Gaste, die fertig gegessen haben, werden gebeten…«

»Wenn wir nichts essen, durfen wir hier nicht langer bleiben!« rief Lioren uber den Larm hinweg. »Je langer wir hier bleiben, desto mehr nimmt die Lautstarke zu, und den Wartungsdienst darum zu bitten, den Lautsprecher abzuklemmen, wurde zu viel Zeit beanspruchen. Naturlich konnten wir standig die Tische wechseln und jedesmal wieder Mahlzeiten bestellen, aber ehrlich gesagt, bin ich nicht mehr hungrig genug, um so etwas allzu lange durchzustehen.«

»Ich auch nicht«, pflichtete ihm Hewlitt bei.

»Dann schlage ich vor, da? wir den von mir verdachtigten Patienten Besuche abstatten«, fuhr der Padre fort. »Der erste liegt ubrigens auf Station sieben und wurde gleich nach Ihrer Entlassung eingeliefert. Oberschwester Leethveeschi erwartet mich bereits. Es sei denn, sie gehoren zu diesen Wesen, die nach einer gro?en Mahlzeit erst einmal ins Koma fallen mussen oder dringend Schlaf brauchen.«

Dieses Mal war Hewlitt an der Reihe, ›nein‹ zu sagen.

Die automatische Durchsage endete im selben Augenblick, als Sie vom Tisch aufstanden, der daraufhin sofort von zwei haarigen Orligianern, die Rangabzeichen von Chefarzten trugen, in Beschlag genommen wurde, aber keiner der beiden strahlte dieses undefinierbare Gefuhl aus, das besagte, ein ehemaliger Wirt der Virenkreatur gewesen zu sein.

Als Hewlitt und Lioren gerade gehen wollten, kam Prilicla durch den Eingang hereingeflogen und blieb direkt uber ihnen schweben. Zwar unterhielt er sich kurz mit beiden, erkundigte sich aber lieber erst gar nicht danach, wie es ihnen ergangen war, weil er ihre leichte Enttauschung langstwahrgenommen hatte. Sie verharrten noch eine Weile vor dem Eingang und beobachteten, wie er sofort zu einer Gruppe Aliens hinuberflog, die sich um einen in der Nahe befindlichen Tisch versammelt hatten. Dort unterhielt er sich unter irgendeinem Vorwand mit den Anwesenden auf augenscheinlich freundschaftlicher Ebene, auch wenn er in Wirklichkeit nur versuchte, einen oder auch mehrere Geister ausfindig zu machen, die nicht nur eine, sondern zwei Quellen emotionaler Ausstrahlung besa?en. Hochstwahrscheinlich besa? dieser zerbrechliche und kleine Empath tatsachlich an jedem Tisch dieses riesigen Raums Freunde. In Anbetracht des mangelnden Durchhaltevermogens des Cinrusskers wunschte ihm Hewlitt in Gedanken viel Gluck bei seinem Vorhaben und hoffte nur, da? Prilicla das finden wurde, wonach er suchte, bevor er vor Uberanstrengung womoglich eine Bruchlandung hinlegen wurde.

Plotzlich unterbrach Prilicla seine Unterhaltung, um ihm zuzurufen: »Danke, Freund Hewlitt!«

Ein paar Minuten spater befand sich Hewlitt zusammen mit Lioren in einem der uberfullten Hauptgange, dennoch konzentrierten sich seine Gedanken nur teilweise darauf, Zusammensto?e mit anderen Wesen zu vermeiden.

»Ich habe eben uber etwas nachgedacht, was mir ein wenig zu schaffen macht«, sagte er.

Liorens Antwort wurde nicht ubersetzt.

»Und zwar wundere ich mich uber diese merkwurdige Fahigkeit, durch die wir uns gegenseitig als ehemalige Wirtskorper erkennen«, fuhr er fort. »Als ich mir vor ein paar Minuten Sorgen um Prilicla gemacht habe und ihm in

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