ist…«

»Einfuhlsam und fursorglich? Da? ich nicht lache!« unterbrach ihn Hewlitt emport. »Ist etwa mein Translator kaputt?«»Fur private Meinungen haben wir nicht genugend Zeit«, wies ihn der Padre zurecht. »Wollen Sie nun etwas uber O'Mara erfahren oder lieber nur dummes Zeug uber ihn reden?«

»Entschuldigung, ich halte mich von nun an zuruck«, murmelte Hewlitt verlegen.

Wie Lioren erklarte, war O'Mara fur die reibungslose und rationelle Arbeitsweise der mehr als zehntausend Mitarbeiter des medizinischen Stabs und des Wartungspersonals verantwortlich. Aus administrativen Grunden bekleidete er innerhalb des Monitorkorps nur den Rang eines Majors, wodurch er sich rein theoretisch auf niederster Kommadoebene befand. Aber die harmonische Zusammenarbeit bei so vielen verschiedenen und moglicherweise feindlichen Lebensformen aufrechtzuerhalten war eine gro?e Aufgabe, deren Grenzen, wie auch bei O'Maras tatsachlicher Autoritat, schwer zu definieren waren.

Wie Lioren weiterhin ausfuhrte, gab es selbst bei der au?erst gro?en Toleranz zwischen den verschiedenen Spezies und dem gegenseitigen Respekt unter den Beschaftigten und trotz der eingehenden psychologischen Durchleuchtung, der sich jeder neue Mitarbeiter vor der Zulassung zum Dienst an einem Multispezies-Krankenhaus unterziehen mu?te, immer noch Augenblicke, in denen Reibereien zwischen Angehorigen verschiedener Spezies oder innerhalb des Personals moglich waren. Zu potentiell gefahrlichen Situationen konnte es durch schlichte Unwissenheit oder durch Mi?verstandnisse kommen, aber auch, was noch schlimmer war, wenn ein Mitarbeiter eine neurotische Xenophobie gegenuber einem Patienten oder Kollegen entwickelte, die seine geistige Stabilitat oder fachliche Leistungsfahigkeit beeintrachtigte.

O'Mara und seine Abteilung hatten die Aufgabe, derartige Probleme rechtzeitig zu entdecken und im Keim zu ersticken oder, wenn alle Stricke rissen, den betreffenden Storenfried aus dem Hospital zu entfernen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sich der Major und seine Mitarbeiter durch dieses standige Ausschauhalten nach Anzeichen von falscher, schadlicher oder intoleranter Denkweise, dem sie sich mit gro?er Hingabe widmeten,zu den unbeliebtesten Lebewesen im Hospital entwickelt hatten, insbesondere O'Mara selbst. Doch der Chefpsychologe schien sich in seiner Rolle doppelt wohl zu fuhlen, denn er hatte es nie darauf angelegt, von anderen bewundert zu werden, und allem Anschein nach geno? er seine Arbeit.

»O'Mara tragt auch die besondere und personliche Verantwortung fur die geistige Gesundheit der Diagnostiker«, fuhr Lioren fort. »Diese sind oft gleichzeitig im Besitz von mehreren Schulungsbandern. Bei dem Melfaner, der sich uns gerade nahert, handelt es sich ubrigens um den Diagnostiker Ergandhir. Als ich mich das letzte Mal mit ihm unterhalten habe, hatte er gleichzeitig drei dieser Bander im Kopf gespeichert. Nehmen Sie bei ihm irgendwelche Wiedererkennungsmerkmale wahr?«

Hewlitt wartete, bis der Melfaner auf seinen vier Ektoskelettbeinen an ihnen vorbeigeklappert und zu den anderen hineingegangen war, bevor er antwortete: »Nein. Und dieses komische Wesen hat unsere Gegenwart ebenfalls vollig ignoriert, obwohl ich dem, was Sie mir eben erzahlt haben, entnehmen konnte, da? Sie sich beide einigerma?en kennen.«

»Wir kennen uns sogar sehr gut«, bestatigte Lioren. »Aus seinem Verhalten la?t sich nur schlie?en, da? Ergandhirs Verstand zur Zeit von einem anderen Wesen dominiert wird, das mich nicht kennt, und daran wird sich auch nichts andern, da der Uhrheber dieses Schulungsbandes nicht mehr lebt.«

»Ich stelle Ihnen ungern noch eine Frage, aber wurden Sie mir das bitte genauer erklaren?« hakte Hewlitt nach.

»Im Grunde gehort es zu derselben Frage wie zuvor, und ich werde versuchen, sie zu beantworten«, sagte der Padre.

Wie Lioren ausfuhrte, waren diese Physiologiebander fur ihren Benutzer sicherlich ein zweifelhaftes Vergnugen, aber ihre Anwendung war unverzichtbar, da sich niemand einbilden konnte, das gesamte physiologische und pathologische Wissen im Kopf zu behalten, das fur die Behandlung derart vieler Patienten verschiedener Spezies benotigt wurde. Die fast unvorstellbare Datenmenge, die fur eine angemessene Behandlungerforderlich war, wurde mittels dieser Schulungsbander weitergegeben, bei denen es sich um nichts anderes als um die Aufzeichnung der Gehirnstrome von medizinischen Kapazitaten der jeweils betreffenden Spezies handelte. Wenn beispielsweise ein terrestrischer Arzt einen kelgianischen Patienten medizinisch zu versorgen hatte, speicherte er bis zum Abschlu? der Behandlung eins der DBLF-Schulungsbander im Gehirn und lie? es anschlie?end wieder loschen. Chefarzte, zu deren Aufgabe auch die Weiterbildung des medizinischen Personals gehorte, mu?ten haufig zwei, drei dieser Bander uber einen langeren Zeitraum im Kopf behalten, was alles andere als ein Vergnugen fur sie war. Sie konnten sich allenfalls damit trosten, da? es Diagnostikern noch schlechter erging als ihnen.

Diagnostiker bildeten die geistige Elite des Orbit Hospitals. Ein Diagnostiker war eines jener seltenen Wesen, deren Psyche und Verstand als ausreichend stabil erachtet wurden, bis zu zehn Bander permanent und gleichzeitig im Kopf gespeichert zu haben. Ihren mit Daten vollgestopften Hirnen oblag in erster Linie die Aufgabe, medizinische Grundlagenforschung zu leisten und neue Krankheiten bislang unbekannter Lebensformen zu diagnostizieren und zu behandeln.

Im Hospital gab es das geflugelte Wort – das angeblich vom Chefpsychologen selbst stammte -, da? jeder geistig Zurechnungsfahige, der freiwillig Diagnostiker werden wollte, schon von vornherein verruckt sein mu?te.

»Dabei mu? man wissen, da? einem mit einem Schulungsband nicht nur die physiologischen Fakten einer Spezies ins Gehirn eingetrichtert werden, sondern auch die Personlichkeit und das Gedachtnis des Wesens, das dieses Wissen einst besessen hatte«, fuhr Lioren fort. »Praktisch setzen sich Diagnostiker freiwillig einer hochst drastischen Form multipler Schizophrenie aus, und da sich samtliche Aliens, die in Ihren Hirnen herumgeistern, charakterlich vollig voneinander unterscheiden und haufig nicht einmal dasselbe logische System anwenden… Nun ja, Genies, egal auf welchem Gebiet, sind nur selten leicht umgangliche Wesen. Zwar uben diese Bandurheber auf die Denkprozesse und Korperfunktionen desBandinhabers keine Kontrolle aus, aber ein Diagnostiker, der nicht uber eine vollig stabile oder ausgeglichene Personlichkeit verfugt, kann sich hin und wieder ziemlich lacherlich machen, wenn er das Gegenteil fur wahr halt und nicht mehr Herr der eigenen Sinne ist. Wenn man daran gewohnt ist, auf zwei Fu?en zu gehen, der Verstand aber darauf besteht, da? man sechs Beine hat, dann ist das schon schlimm, aber die verschiedenartigen Essensvorlieben und vor allem die Traume, die einem im Schlaf uberraschen, wenn der Verstand keine Kontrolle uber das Unterbewu?tsein hat, sind noch sehr viel schlimmer. Am allerschlimmsten jedoch sind die sexuellen Phantasien fremder Speziesangehoriger… die konnen einem wirklich arg zu schaffen machen.

Kein Wunder also, da? O'Mara mit einigen Diagnostikern alle Hande voll zu tun hat«, beendete der Padre seine Ausfuhrungen.

Hewlitt uberlegte einen Moment, dann sagte er: »Jetzt verstehe ich auch den Grund fur die Bemerkung von Pathologin Murchison, da? ihr Mann gleich mehrfach geistesabwesend sei, und auch Priliclas Unsicherheit, die emotionale Ausstrahlung der Virenkreatur entdecken zu konnen, wenn sein Wirt ein Diagnostiker ist. Dennoch kann ich kaum glauben, da? … «

Er hielt inne, als ein weiterer Diagnostiker watschelnd und quatschend ins Blickfeld ruckte. Das Wesen trug

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