werden.«

»Habe ich behauptet, Sie seien ein Verbrecher?« fragte Adam ruhig.

»Sie... sind Sie nicht deswegen hier?«

»Ich habe Ihnen gesagt, weswegen ich hier bin. Ich bin ermachtigt, meine Untersuchungen anzustellen und mich dann fur oder gegen ein Ausschlu?verfahren auszusprechen. Ich mochte gern Ihre Version der Geschichte horen.«

»Ich verstehe. Und was wollen Sie dafur haben?« Adams Gesichtsausdruck gefror. »Entschuldigen Sie, Mi? Parker.« Er stand auf und ging zur Tur. »Einen Augenblick!« Adam drehte sich um. »Bitte verzeihen Sie mir«, sagte Jennifer. »Ich... ich halte schon jeden fur einen Feind. Ich mochte mich entschuldigen.«

»Ich nehme Ihre Entschuldigung an.«

Jennifer wurde sich plotzlich ihres schabigen Kleides bewu?t. »Wenn Sie immer noch bereit sind, mir Ihre Fragen zu stellen, ziehe ich mir etwas anderes an, und dann konnen wir reden.«

»Einverstanden. Haben Sie schon gegessen?«

Sie zogerte. »Ich...«

»Ich kenne ein franzosisches Restaurant, das fur Verhore wie geschaffen ist.«

Es war ein kleines, anheimelndes Bistro auf der East Side. »Dieses Lokal ist ein Geheimtip«, sagte Adam Warner, als sie sa?en. »Es gehort einem jungen franzosischen Ehepaar, das fruher im Les Pyrenees gearbeitet hat. Das Essen ist exzellent.« Jennifer mu?te sich mit Adams Wort zufriedengeben, denn sie war unfahig, die Speisen auch nur zu kosten. Sie hatte den ganzen Tag nichts gegessen, aber sie war so nervos, da? sie nicht einen einzigen Bissen heruntergekriegt hatte. Sie versuchte, sich zu entspannen, aber es war unmoglich. Was auch immer er behaupten mochte, der charmante Mann auf der anderen Seite des Tisches war ihr Feind. Charmant war er wirklich, wie Jennifer zugeben mu?te. Er war amusant, attraktiv, und unter anderen Bedingungen hatte Jennifer den Abend ungeheuer genossen; aber es gab keine anderen Bedingungen. Ihre ganze Zukunft lag in den Handen dieses Fremden. In der nachsten Stunde mu?te sich entscheiden, wie ihr weiteres Leben verlaufen wurde. Adam setzte alles daran, sie zu entspannen. Er erzahlte, da? er erst kurzlich von einer Japanreise zuruckgekehrt sei, wo er sich mit hohen Regierungsbeamten getroffen habe. Zu seinen Ehren sei ein feierliches Bankett veranstaltet worden.

»Haben Sie jemals Ameisen mit Schokoladengu? gegessen?« fragte er. »Nein.«

Er grinste. »Sie schmecken besser als Grashupfer mit Schokoladengu?.«

Er erzahlte von einem Jagdausflug in Alaska, auf dem er von einem Baren angegriffen worden war. Er sprach uber alles, nur nicht uber das, weswegen sie hier waren. Jennifer hatte sich fur den Augenblick gewappnet, wenn Adam anfangen wurde, sie auszufragen, aber als es schlie?lich soweit war, versteifte sich ihr ganzer Korper. Er war mit dem Dessert fertig und sagte ruhig: »Ich stelle Ihnen jetzt ein paar Fragen, und ich mochte nicht, da? Sie sich aufregen. Okay?«

In Jennifers Kehle sa? plotzlich ein Klo?. Sie war nicht sicher, ob sie imstande war, zu sprechen. Sie nickte. »Ich mochte, da? Sie mir genau erzahlen, was an jenem Tag im Gerichtssaal passierte. Alles, woran Sie sich erinnern, alles, was Sie gefuhlt haben. Lassen Sie sich Zeit.« Jennifer hatte vorgehabt, ihn herauszufordern, ihm zu sagen, er konne mit ih r tun, wozu immer er Lust habe. Aber irgendwie war ihr ganzer Widerstand wie weggeblasen. Der Vorfall war noch immer so lebendig fur sie, da? es weh tat, auch nur daran zu denken. Sie hatte mehr als einen Monat lang versucht, alles zu vergessen. Nun verlangte er von ihr, alles noch einmal zu durchleben.

Sie holte tief Luft und sagte: »In Ordnung.« Stockend fing sie an, ihm uber die Ereignisse im Gerichtssaal Bericht zu erstatten, und als alles wieder zum Leben erwachte, sprach sie schneller und immer schne ller. Adam sa? schweigend auf der anderen Seite des Tisches, horte zu und lie? sie dabei nicht aus den Augen.

Als sie geendet hatte, fragte er: »Der Mann, der Ihnen den Umschlag gegeben hat - war er im Buro des Staatsanwalts, als Sie am Morgen vereidigt worden waren?«

»Daruber habe ich auch schon nachgedacht. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern. Es waren so viele Leute im Buro an diesem Morgen, und ich kannte keinen von ihnen.«

»Haben Sie den Mann schon mal irgendwo anders gesehen?« Jennifer schuttelte hilflos den Kopf. »Ich kann mich nicht erinnern. Ich glaube nicht.«

»Sie haben gesagt, er hatte mit dem Staatsanwalt gesprochen, bevor er Ihnen den Umschlag gab. Haben Sie gesehen, wie der Staatsanwalt ihm den Umschlag aushandigte?«

»Ich - nein.«

»Haben Sie tatsachlich gesehen, wie dieser Mann mit dem Staatsanwalt sprach, oder stand er nur in der Gruppe um Di Silva?«

Jennifer schlo? fur eine Sekunde die Augen, versuchte, den Moment zuruckzubringen. »Es tut mir leid. Alles ging so durcheinander. Ich... ich wei? es einfach nicht mehr.«

»Haben Sie eine Ahnung, woher er Ihren Namen kannte?«

»Nein.«

»Oder warum er gerade Sie ausgesucht hat?«

»Das ist nicht schwer zu erraten. Wahrscheinlich erkannte er einen Idioten, wenn er einen zu Gesicht bekam.« Sie schuttelte noch einmal den Kopf. »Nein. Es tut mir leid, Mr. Warner, aber ich habe keine Ahnung.«

Adam sagte: »In dieser Angelegenheit wird eine ganze Menge Druck ausgeubt. Staatsanwalt Di Silva war schon eine Ewigkeit hinter Michael Moretti her. Bis Sie auftauc hten, hatte er einen wasserdichten Fall. Er ist nicht besonders gut auf Sie zu sprechen.«

»Ich bin auf mich selber nicht gut zu sprechen.« Jennifer konnte Adam Warner nicht ubelnehmen, was er vorhatte. Er tat nur seine Arbeit. Sie wollten ihr den Fangschu? versetzen, und sie wurden es tun. Adam Warner war nicht dafur verantwortlich; er war nur das Werkzeug, dessen sie sich bedienten. Jennifer fuhlte einen plotzlichen, uberwaltigenden Drang, allein zu sein. Sie wollte nicht, da? irgend jemand sie in ihrem Elend sah.

»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich. »Ich... ich fuhle mich nicht sehr gut. Ich wurde gern nach Hause gehen.« Adam betrachtete sie einen Moment lang. »Wurde es Ihnen besser gehen, wenn ich Ihnen sagte, da? ich empfehlen werde, Sie nicht auszuschlie?en?«

Es dauerte einige Sekunden, bis sie begriff, was er gesagt hatte. Jennifer starrte Adam an, versuchte, den Ausdruck seines Gesichts zu ergrunden, blickte in diese graublauen Augen hinter den Brillenglasern. »Meinen... meinen Sie das im Ernst?«

»Ihr Beruf ist Ihnen sehr wichtig, nicht wahr?« fragte Adam. Jennifer dachte an ihren Vater und seine gemutliche kleine Praxis, sie dachte an ihre Gesprache, die langen Jahre an der Universitat, an ihre gemeinsamen Hoffnungen und Traume. Wir werden Partner, du und ich, Jennie. Beeil dich, damit du deinen Titel bekommst. »Ja«, flusterte Jennifer.

»Wenn Sie den rauhen Wind am Start uberstehen, dann werden Sie, glaube ich, eine sehr gute Anwaltin sein.« Jennifer lachelte ihn dankbar an. »Danke. Ich werde es zumindest versuchen.«

Sie wiederholte die Worte in ihrem Kopf. Ich werde es zumindest versuchen. Es war unerheblich, da? sie ein kleines, schabiges Buro mit einem heruntergekommenen Privatdetektiv und einem Mann, der unbezahlte Autos zuruckholte, teilen mu? te. Es war das Buro eines Anwalts. Sie war ein Mitglied des Anwaltsstandes, und man lie? sie weiter praktizieren. Jubel stieg in ihr auf. Sie blickte Adam an und wu?te, da? sie diesem Mann ihr Leben lang dankbar sein wurde. Der Kellner raumte das schmutzige Geschirr vom Tisch. Jennifer wollte etwas sagen, aber heraus drang nur ein Gerausch, das halb Lachen und halb Schluchzen war. »Mr. Warner...« Er sagte wurdevoll: »Nach allem, was wir gemeinsam durchgemacht haben, sollte das Adam hei?en.«

»Adam...«

»Ja?«

»Hoffentlich bedeutet es nicht das Ende unserer Bekanntschaft«, stohnte Jennifer, »aber ich komme um vor Hunger.«

5

Die nachsten Wochen vergingen wie im Flug. Jennifer war vom fruhen Morgen bis spat in die Nacht damit

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