Parker: Ich habe Ihnen schon gesagt, ich wei? es nicht.

Di Silva: Seit wann stecken Sie und Moretti unter einer Decke?

Parker: Mr. Di Silva, das haben wir doch alles schon einmal durchgekaut. Sie verhoren mich jetzt seit funf Stunden. Ich bin mude. Ich habe nichts mehr zu sagen. Lassen Sie mich gehen.

Di Silva: Wenn Sie den Stuhl da verlassen, lasse ich Sie verhaften. Sie stecken im Dreck, Mi? Parker, und es gibt nur eine Moglichkeit fur Sie, da herauszukommen. Horen Sie auf zu lugen und sagen Sie endlich die Wahrheit.

Parker: Ich sage nichts als die Wahrheit, die ganze Zeit schon. Ich habe Ihnen alles erzahlt, was ich wei?.

Di Silva: Abgesehen von dem Namen des Mannes, der Ihnen den Umschlag gegeben hat. Ich will diesen Namen, und ich will wissen, wieviel er Ihnen bezahlt hat.

Die Abschrift umfa?te noch drei?ig weitere Seiten. Robert Di Silva hatte ungefahr jedes Mittel angewandt, au?er das Madchen mit einem Gummischlauch zu bearbeiten. Sie war nicht einen Millimeter von ihrer Geschichte abgewichen. Adam legte die Abschrift beiseite und rieb sich mude die Augen. Es war zwei Uhr morgens. Morgen wurde er diese leidige Angelegenheit abschlie?en.

Zu Adam Warners Uberraschung lie? sich der Fall Jennifer Parker aber nicht so leicht erledigen. Da Adam ein methodischer Mann war, uberprufte er auch Jennifer Parkers Vergangenheit. Soweit er feststellen konnte, hatte sie keine Kontakte zur Unterwelt, und nichts stellte eine Verbindung zwischen ihr und Michael Moretti her.

Irgend etwas an dem Fall storte Adam. Jennifer Parkers Verteidigung war zu durftig. Hatte sie fur Moretti gearbeitet, hatte er zu ihrem Schutz eine vernunftigere Geschichte erfunden. So wie die Dinge standen, war ihre Geschichte aber so naiv, da? sie nur wahr sein konnte.

Gegen Mittag erhielt Adam einen Anruf vom Staatsanwalt. »Wie kommen Sie voran, Adam?«

»Gut, Robert.«

»Wie ich hore, haben Sie die Rolle des Scharfrichters in der Angelegenheit Jennifer Parker ubernommen.« Adam Warner zuckte zusammen. »Ich habe zugestimmt, eine Empfehlung abzugeben, ja.«

»Ich werde sie fur eine ganze Weile aus dem Verkehr ziehen.« Adam war abgesto?en von dem Ha? in der Stimme des Staatsanwalts.

»Immer mit der Ruhe, Robert. Noch ist sie nicht ausgeschlossen.«

Di Silva lachte vergnugt in sich hinein. »Da habe ich volles Vertrauen zu Ihnen, mein Freund.« Sein Tonfall anderte sich. »Man munkelt, da? Sie vielleicht bald nach Washington gehen. Ich mochte, da? Sie wissen, da? Sie auf meine volle Unterstutzung zahlen konnen.«

Und die war betrachtlich, wie Adam wu?te. Der Staatsanwalt war schon eine ganze Weile im Geschaft. Er wu?te, in welchen Kellern die Leichen lagen und wie man aus diesem Wissen das Beste machen konnte. »Danke, Robert. Ich wei? das zu schatzen.«

»Nichts zu danken, Adam. Ich hore ja dann von Ihnen.« Das war auf Jennifer Parker gemunzt. Das quid pro quo, das Stewart Needham erwahnt hatte. Adam Warner dachte an Robert Di Silvas Worte: Ich werde sie fur eine ganze Weile aus dem Verkehr ziehen. Nach der Lekture der Abschrift zu urteilen, gab es keinen richtigen Beweis gegen Jennifer Parker. Wenn sie nicht gestand oder wenn nicht jemand mit Informationen auftauchte, die ihre Komplizenschaft bewiesen, konnte Di Silva dem Madchen nichts anhaben... Adam sollte ihm nun als Werkzeug seiner Rache dienen.

Die kalten, schroffen Worte der Abschrift waren eindeutig, und doch wunschte Adam, er hatte den Klang von Jennifer Parkers Stimme gehort, als sie ihre Schuld bestritt.

Es gab noch andere, eiligere Angelegenheiten, die seine Aufmerksamkeit verlangten, wichtige Falle guter Mandanten. Es ware leicht gewesen, sich einfach darauf zu beschranken, nach Stewart Needhams, Richter Lawrence Waldmans und Robert Di Silvas Wunschen zu handeln, aber sein Instinkt lie? Adam Warner zogern. Er griff noch einmal nach Jennifer Parkers Akte, kritzelte einige Notizen an den Rand und fuhrte eine Reihe von Ferngesprachen.

Ihm war Verantwortung ubertragen worden, und er gedachte, im Rahmen seiner Fahigkeiten nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln. Er erinnerte sich nur zu gut an die lange Schinderei, die es bedeutete, Anwalt zu werden und in die Standesvereinigung aufgenommen zu werden. Es war ein Preis, um den man Jahre kampfen mu?te, und Adam wollte ihn Jennifer nur dann wieder wegnehmen, wenn es wirklich gerechtfertigt war.

Am nachsten Morgen flog Adam nach Seattle. Er traf sich mit Jennifers Professoren an der Universitat, dem Vorstand der Kanzlei, in der Jennifer zwei Sommer lang ihr Praktikum absolviert hatte, und mit einigen ihrer Studienkollegen. Stewart Needham rief ihn an und fragte: »Was hast du da oben zu suchen, Adam? Hier wartet jede Menge wichtiger Arbeit auf dich. Die Parker-Sache ist doch mit einem Fingerschnippen zu erledigen.«

»Ein paar Punkte sind noch nicht geklart«, sagte Adam behutsam. »Morgen oder ubermorgen bin ich zuruck, Stewart.« Eine kleine Pause entstand. »Ich verstehe. La? uns mit ihr nicht mehr Zeit als unbedingt notig verschwenden.«

Als Adam Seattle verlie?, hatte er das Gefuhl, Jennifer Parker fast so gut zu kennen, wie sie sich selbst kannte. Das Bild, das er nach all den Gesprachen von ihr hatte, besa? nicht mehr die geringste Ahnlichkeit mit dem, das Robert Di Silva entworfen hatte. Falls Jennifer Parker nicht die beste Schauspielerin aller Zeiten war, konnte sie unmoglich an dem Komplott zu Michael Morettis Befreiung beteiligt gewesen sein.

Jetzt, fast zwei Wochen nach dem morgendlichen Gesprach mit Stewart Needham, stand Adam vor dem Madchen, mit dessen Vergangenheit er sich so intensiv beschaftigt hatte.

Die Zeitungsbilder, die er von ihr gesehen hatte, hatten ihn nicht auf den Eindruck vorbereitet, den sie auf ihn machte. Sogar in dem alten Kleid, ohne Makeup und mit feuchtem Haar war sie atemberaubend.

Adam sagte: »Ich bin beauftragt, Ihre Rolle im Moretti-Proze? zu untersuchen, Mi? Parker.«

»Sind Sie das!« Jennifer fuhlte Wut in sich aufsteigen, die sie rasch mit lodernden Flammen erfullte. Sie waren immer noch nicht fertig mit ihr. Sie wurden sie ihr Leben lang bezahlen lassen. Allmahlich hatte sie genug.

Als sie sprach, zitterte ihre Stimme. »Ich habe Ihnen nichts zu sagen, Sir. Erzahlen Sie dem Ausschu?, was Sie wollen. Ich habe eine Dummheit begangen, aber soweit ich wei?, gibt es kein Gesetz gegen Dummheit. Der Staatsanwalt glaubt, jemand hatte mich bestochen.« Hohnisch warf sie die Hande in die Hohe. »Glauben Sie, ich wurde in diesem Loch leben, wenn ich auch nur ein bi?chen Geld hatte?« Ihre Stimme klang plotzlich erstickt. »Es... es ist mir egal, was Sie tun. Lassen Sie mich in Ruhe, mehr will ich nicht. Gehen Sie!« Sie drehte sich um, floh ins Badezimmer und schlug die Tur hinter sich zu.

Tiefatmend lehnte sie sich gegen das Waschbecken und wischte sich die Tranen aus den Augen. Sie wu?te, da? sie sich dumm benommen hatte. Wieder einmal, dachte sie trocken. Sie hatte Adam Warner anders behandeln sollen. Statt ihn anzubrullen, hatte sie versuchen mussen, ihm alles zu erklaren. Vielleicht ware sie dann nicht ausgeschlossen worden. Aber sie wu?te, da ? es sich dabei nur um Wunschtraume handelte. Es war Augenwischerei, da? sie jemanden geschickt hatten, der sie befragen sollte. Als nachstes wurden sie sie schriftlich auffordern, sich zu rechtfertigen, und dann wurden sich die Zahnrader in Bewegung setzen. Man wurde ihr verbieten, im Staat New York zu praktizieren. Bitter dachte Jennifer: Ich werde ins Guinness Buch der Rekorde eingehen - wegen der kurzesten Anwaltskarriere in der Geschichte. Sie stieg wieder in die Badewanne und lehnte sich zuruck, um sich von dem noch immer warmen Wasser beruhigen zu lassen. In diesem Augenblick war sie zu mude, um sich Gedanken daruber zu machen, was aus ihr werden wurde. Sie schlo? die Augen und war schon beinahe eingeschlafen, als das kalte Wasser sie wieder aufweckte. Sie wu?te nicht, wie lange sie in der Badewanne gelegen hatte. Widerwillig stieg sie heraus und trocknete sich ab. Jetzt hatte sie keinen Hunger mehr. Das Gesprach mit Adam Warner hatte ihr den Appetit verdorben. Jennifer kammte sich, trug Nachtcreme auf und beschlo?, ohne Abendessen ins Bett zu gehen. Morgen wurde sie noch einmal wegen der Mitfahrgelegenheit nach Seattle telefonieren. Sie offnete die Badezimmertur und ging in das Wohnzimmer.

Adam Warner sa? in einem Stuhl und blatterte in einem Magazin. Er sah auf, als Jennifer den Raum betrat - nackt. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Ich...« Jennifer stie? einen kleinen Schrei aus und floh ins Badezimmer, wo sie ihr Kleid uberstreifte. Als sie ins Wohnzimmer zuruckkehrte, kochte sie vor Wut. »Das Verhor ist vorbei. Ich habe Sie gebeten, zu gehen.« Adam legte das Magazin weg und sagte ruhig: »Mi? Parker, ware es vielleicht moglich, da? wir einen Moment lang wie vernunftige Menschen miteinander reden?«

»Nein!« Der alte Zorn stieg wieder in Jennifer hoch. »Ich habe Ihnen oder Ihrem verdammten Disziplinarausschu? nichts mehr zu sagen. Ich bin es leid, wie ein... wie ein Verbrecher behandelt zu

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