»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Oh, ja, in der Tat. Mein Schwiegersohn hat aus seinem Herzen keine Mordergrube gemacht. Er war der Meinung, ich sollte meiner Tochter das Vermogen gleich geben und sie nicht warten lassen, bis ich tot bin. Ich hatte es auch getan, wenn ich ihm nicht mi?traut hatte. Ich wu?te, was geschehen wurde, wenn er das ganze Geld in die Finger bekame.«
»Hatten Sie in Ihrer Vergangenheit je eine Storung Ihrer Gehirnfunktionen, Mrs. Cooper?«
Helen Cooper sah Jennifer an und sagte trocken: »Nach Meinung der Arzte leide ich an Schizophrenie und Paranoia.» Jennifer hatte das Gefuhl, da? sie nie in ihrem Leben mit einer gesunderen Frau gesprochen hatte.
»Sie wissen, da? drei Arzte Ihnen Unzurechnungsfahigkeit attestiert haben?«
»Das Cooper-Vermogen wird auf vier Millionen Dollar geschatzt, Mi? Parker. Damit kann man eine ganze Menge Arzte beeinflussen. Ich furchte, Sie vergeuden Ihre Zeit. Mein Schwiegersohn verwaltet jetzt das Vermogen. Er wird mich hier nie herauslassen.«
»Ich wurde Ihren Schwiegersohn gern einmal kennenlernen.«
Die Plaza-Towers lagen an der 72. Stra?e in einer der schonsten Wohngegenden von New York. Helen Cooper besa? darin ein eigenes Penthouse. Nun stand Mr. und Mrs. Herbert Hawthorne an der Tur.
Jennifer hatte sich bei der Tochter, Dorothy, telefonisch angemeldet, und als sie in das Appartement trat, warteten sowohl Dorothy als auch ihr Ehemann auf sie. Helen Cooper hatte Jennifer richtig informiert. Dorothy war nicht attraktiv. Sie hatte kein Kinn, und auf dem rechten Auge schielte sie. Ihr Ehemann, Herbert, war mindestens zwanzig Jahre alter als sie. »Kommen Sie rein«, grunzte er.
Er begleitete Jennifer vom Eingangsraum in ein riesiges Wohnzimmer, an dessen Wande Gemalde franzosischer und hollandischer Meister hingen.
»Vielleicht erklaren Sie mir mal, was das ganze Theater eigentlich soll«, sagte er barsch zu Jennifer. Jennifer wandte sich an das Madchen. »Es geht um Ihre Mutter.«
»Was ist mit ihr?«
»Wann zeigte sie zum erstenmal Anzeichen einer Krankheit?«
»Sie...«
»Gleich nachdem Dorothy und ich geheiratet haben«, unterbrach Herbert Hawthorne sie. »Die alte Dame konnte mich nicht ausstehen.«
Das ist wohl eher ein Beweis fur ihre Vernunft, dachte Jennifer. »Ich habe die Berichte der Arzte gelesen«, sagte Jennifer. »Sie schienen etwas tendenzios.«
»Was meinen Sie damit, tendenzios?« Sein Ton war streitsuchtig. »Damit meine ich, da? die Berichte erkennen lie?en, da? die Arzte es mit Grauzonen zu tun hatten, in denen es keine eindeutigen Kriterien gab, um das nachzuweisen, was die Gesellschaft Gesundheit nennt. Ihre Entscheidung wurde zum Teil durch das beeinflu?t, was Sie und Ihre Frau ihnen uber Mrs. Coopers Benehmen erzahlt hatten.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Ich sage, da? das Ergebnis nicht eindeutig ist. Drei andere Arzte konnten zu einem vollig anderen Schlu? kommen.«
»Jetzt horen Sie mal zu«, sagte Herbert Hawthorne. »Ich habe keine Ahnung, was Sie sich da eingebildet haben, aber die alte Dame ist plemplem. Die Arzte sagen das, und das Gericht sagt es auch.«
»Ich habe die Verhandlungsabschriften gelesen«, antwortete Jennifer. »Das Gericht hat auch angeregt, da? der Fall von Zeit zu Zeit neu betrachtet werden soll.«
Herbert Hawthorne blickte konsterniert. »Sie meinen, die lassen sie vielleicht heraus?«
»Sie werden sie herauslassen«, versprach Jennifer. »Ich werde dafur sorgen.«
»Warten Sie einen Moment! Was, zum Teufel, geht hier vor?«
»Genau das mochte ich herausfinden.« Jennifer wandte sich an das Madchen. »Ich habe mir die Krankheitsgeschichte Ihrer Mutter angesehen. Sie war immer gesund, sowohl geistig wie auch psychisch. Sie...«
Herbert Hawthorne unterbrach sie. »Das besagt noch gar nichts! Diese Dinge konnen ganz plotzlich entstehen. Sie...«
»Au?erdem«, fuhr Jennifer an Dorothy gewandt fort, »habe ich mich mit den sozialen Aktivitaten Ihrer Mutter beschaftigt. Sie fuhrte ein vollig normales Leben.«
»Mir ist schei?egal, was Sie oder sonst jemand sagen. Die Alte ist verruckt!« schrie Herbert Hawthorne. Jennifer betrachtete ihn einen Augenblick. »Haben Sie Mrs. Cooper aufgefordert, Ihnen das Vermogen zu uberantworten?«
»Das geht Sie uberhaupt nichts an!«
»Sie werden schon sehen, wieviel mich das angeht. Ich denke, fur heute ist alles gesagt.« Jennifer bewegte sich auf die Tur zu.
Herbert Hawthorne sprang ihr in den Weg. »Warten Sie einen Augenblick! Sie stecken Ihre Nase in Sachen, die Sie nichts angehen. Sie wollen fur sich selber einen kleinen Schnitt machen, oder? Okay, dafur habe ich Verstandnis, Schatzchen. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich gebe Ihnen hier und jetzt einen Scheck uber tausend Dollar fur geleistete Dienste, und Sie vergessen die ganze Geschichte. Okay?«
»Tut mir leid«, sagte Jennifer. »Ich bin nicht kauflich.«
»Sie glauben, die alte Dame bezahlt Ihnen mehr?«
»Nein«, sagte Jennifer und blickte ihm in die Augen. »Von uns beiden geht es hier nur einem um Geld.«
Es dauerte sechs Wochen voller Anhorungen, psychiatrischer Konsultationen und Besprechungen mit vier verschiedenen Behorden. Jennifer stutzte sich auf Psychiater ihrer eigenen Wahl, und als ihre Untersuchungen abgeschlossen waren und Jennifer alle ihr zur Verfugung stehenden Fakten auf den Tisch gelegt hatte, hob der Richter seine fruhere Entscheidung auf. Helen Cooper wurde entlassen un d ihr Vermogen wieder unter ihre Verfugung gestellt.
Am Morgen von Mrs. Coopers Entlassung rief sie Jennifer an. »Ich mochte Sie ins 21 zum Essen einladen.« Jennifer blickte auf ihren Kalender. Sie hatte einen ausgebuchten Vormittag, eine Verabredung zum Mittagessen, und am Nachmittag mu?te sie im Gericht sein, aber sie wu?te, wieviel diese Geste der alten Frau bedeutete. »Einverstanden«, sagte Jennifer.
Helen Coopers Stimme klang erfreut. »Wir werden eine kleine Feier veranstalten.«
Das Essen verlief sehr angenehm. Mrs. Cooper war eine sorgfaltige Gastgeberin und offensichtlich gut bekannt im 21. Jerry Berns begleitete sie zu einem Tisch im ersten Stock, wo sie in der Gesellschaft wunderschoner Antiquitaten und georgianischer Silberarbeiten speisten. Essen und Service waren uberwaltigend.
Helen Cooper wartete, bis sie beim Kaffee angelangt waren. Dann sagte sie zu Jennifer: »Ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, meine Liebe. Ich wei? nicht, wie hoch Ihre Rechnung ausfallen wird, aber ich mochte Ihnen etwas mehr geben.«
»Meine Gebuhren sind hoch genug.«
Mrs. Cooper schuttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle.« Sie beugte sich vor, schlo? Jennifers Hand in die ihre und senkte ihre Stimme zu einem Flustern. »Ich werde Ihnen den Staat Wyoming schenken.«
17
Die Titelseite der New York Times erschien mit zwei Aufmachern nebeneinander. Einer verkundete, da? Jennifer Parker einen Freispruch fur eine Frau erreicht hatte, die des Mordes an ihrem Mann angeklagt war. Der andere war ein Artikel uber Adam Warners Kandidatur fur den Senat der Vereinigten Staaten.
Jennifer las die Story uber Adam wieder und immer wieder. Sie enthielt seine Lebensgeschichte, berichtete uber seine Leistungen als Pilot im Vietnamkrieg und fuhrte seine Tapferkeitsauszeichnungen auf. Sie war voll des Lobes und enthielt Zitate von einer Anzahl prominenter Politiker, die der Meinung waren, Adam Warner wurde dem Senat und der ganzen Nation zur Ehre gereichen. Am Ende des Artikels hie? es, ein siegreicher Wahlkampf werde Adam gewi? den Weg zur Prasidentschaftskandidatur ebnen.