fur den Garten, einen Lipschitz, einen Noguchi und einen Miro.

Langsam nahm das Innere des Hauses Gestalt an. Bob Clement war einer von Jennifers kalifornischen Mandanten, und der Teppichboden, den er fur das Wohnzimmer und die Kinderstube entworfen hatte, lie? die Raume in milden Farben erstrahlen.

Jennifers Bauch schwoll an, und sie erstand Umstandskleider im Ort. Sie lie? ein Telefon mit einer Geheimnummer installieren. Es war nur fur den Notfall da, und sie gab niemandem die Nummer und erwartete keine Anrufe. Der einzige Mensch im Buro, der wu?te, wo sie wohnte, war Ken Bailey, und er war zur Verschwiegenheit verpflichtet. Eines Nachmittags kam er herausgefahren, um Jennifer zu besuchen, und sie fuhrte ihn in Haus und Garten herum und freute sich uberschwenglich, da? es ihm gefiel. »Es ist wunderschon, Jennifer, wirklich wunderschon. Du hast gro?artige Arbeit geleistet.« Er blickte auf ihren geschwollenen Bauch. »Wie lange noch?«

»Zwei Monate.« Sie druckte seine Hand gegen ihren Bauch und sagte: »Fuhl mal.« Er spurte einen Sto?.

»Er wird jeden Tag starker«, sagte Jennifer stolz. Beim Abendessen wartete Ken bis zum Dessert, ehe er sagte: »Ich will nicht neugierig sein, aber sollte der stolze Vater, wer immer es ist, nicht auch ein wenig tun, um...«

»Thema abgeschlossen.«

»Okay, tut mir leid. Du fehlst der Firma ganz schon. Wir haben einen neuen Mandanten...«

Jennifer hob die Hand. »Ich mochte nichts davon horen.« Sie unterhielten sich, bis es fur Ken Zeit zum Gehen war, und Jennifer sah ihn nur ungern davonfahren. Er war ein guter Freund.

Jennifer hatte jeden Kontakt zwischen sich und der Welt unterbunden. Sie las keine Zeitungen, sah nicht fern und horte auch keine Sendungen im Radio. Ihr Universum existierte innerhalb der vier Hauswande. Sie waren ihr Nest, ihr Scho?, der Platz, wo sie ihren Sohn in die Welt setzen wurde. Sie las jedes Buch uber Kindererziehung, das sie in die Hande kriegen konnte. Nachdem sie das Kinderzimmer fertig eingerichtet hatte, stopfte sie es mit Spielzeug voll. Sie besuchte ein Sportgeschaft und sah sich Fu?balle, Baseballschlager und Handschuhe an. Sie mu?te uber sich selber lachen. Ich benehme mich vollig lacherlich. Er ist noch nicht einmal geboren. Naturlich kaufte sie den Baseballschlager und den Handschuh fur den Fanger. Der Fu?ball fuhrte sie auch in Versuchung, aber sie dachte: Das kann noch warten.

Der Mai kam und dann der Juni.

Die Handwerker waren fertig, und im Haus wurde es still und friedlich. Zweimal in der Woche fuhr Jennifer in den Ort und kaufte im Supermarkt ein, und alle zwei Wochen besuchte sie ihren Gynakologen, Dr. Harvey. Gehorsam trank sie mehr Milch, als sie mochte, nahm Vitamine ein und a? nur noch Reformkost. Langsam wurde sie unformig und schwerfallig, und es fiel ihr schwerer, sich zu bewegen. Sie war ihr Leben lang aktiv und unternehmungslustig gewesen, und sie hatte erwartet, sie wurde sich davor ekeln, schwerfallig und ungeschickt zu werden, aber irgendwie storte es sie jetzt doch nicht. Es gab keinen Grund zur Eile mehr. Die Tage waren lang, vertraumt und friedlich geworden. Ihre innere Uhr hatte das Tempo gedrosselt. Es war, als sparte sie ihre Energie auf und pumpte sie in den anderen Korper, der in ihr lebte.

Eines Morgens untersuchte Dr. Harvey sie und sagte: »Noch zwei Wochen, Mrs. Parker.«

So bald schon. Jennifer hatte gedacht, sie konnte es vielleicht mit der Angst kriegen. Sie hatte die ganzen Altweibergeschichten uber Schmerzen, die Zufalligkeiten, die mi?gestalteten Kinder gehort, aber sie spurte keine Furcht, nur Sehnsucht danach, ihr Baby zu sehen, und die Ungeduld, die Geburt endlich hinter sich zu bringen, damit sie es in ihren Armen halten konnte.

Ken Bailey kam jetzt fast jeden Tag zum Haus heraus und brachte Bilderbucher mit, »Die kleine rote Henne«, »Pat, das Haschen« und »Dick und Jane«. »Die werden ihm gefallen«, sagte Ken. Und Jennifer lachelte, weil er ihm gesagt hatte. Ein Omen. Sie schlenderten uber das Grundstuck, picknickten mittags am Wasser und sa?en in der Sonne. Jennifer war befangen wegen ihres Aussehens. Sie dachte: Warum verbringt er nur seine Zeit mit der fetten, ha?lichen Frau vom Zirkus? Und Ken blickte Jennifer an und dachte: Sie ist die schonste Frau, die ich je gesehen habe.

Die ersten Wehen kamen um drei Uhr morgens. Sie waren so stechend, da? Jennifer nach Luft schnappen mu?te. Einige Sekunden spater wiederholten sie sich, und Jennifer dachte frohlockend: Es geht los!

Sie begann, die Zeit zwischen den Schmerzanfallen abzuschatzen, und als sie in Intervallen von je zehn Minuten auftauchten, rief Jennifer ihren Gynakologen an. Sie fuhr zum Hospital und lenkte den Wagen jedesmal nach rechts an den Burgersteig, wenn die Kontraktionen erfolgten. Ein Pfleger stand bereits drau?en und wartete auf sie, als sie eintraf, und wenige Minuten spater wurde sie von Dr. Harvey untersucht.

Als er fertig war, sagte er beruhigend: »Nun, das wird eine einfache Geburt, Mrs. Parker. Sie brauchen sich blo? zu entspannen, der Rest geht ganz von selber.« Es wurde nicht einfach, aber auch nicht unertraglich. Jennifer konnte die Schmerzen aushalten, weil sie der Rahmen eines wunderbaren Geschehens waren. Sie kampfte fast acht Stunden, und am Ende dieser Spanne, als ihr Korper seine Dimension verloren zu haben schien, von den Krampfen verzerrt war und sie schon dachte, es wurde nie aufhoren, fuhlte sie eine plotzliche Erleichterung, dann eine brausende Leere und einen unerwarteten, gesegneten Frieden. Sie horte ein dunnes Quietschen, und Dr. Harvey hielt ihr Baby hoch und sagte: »Mochten Sie einen Blick auf Ihren Sohn werfen, Mrs. Parker?« Jennifers Lacheln erleuchtete den Raum.

29

Sein Name war Joshua Adam Parker, und er brachte sieben Pfund und dreihundert Gramm auf die Waage, ein vollkommenes Baby. Jennifer wu?te, da? es hie?, Neugeborene seien ha?lich, rot und verschrumpft, sie ahnelten kleinen Affen.

Aber nicht Joshua Adam. Er war wunderschon. Die Schwestern im Hospital erzahlten Jennifer ununterbrochen, was fur ein hubscher Junge Joshua war, und sie konnte es nicht oft genug horen. Die Ahnlichkeit mit Adam war uberwaltigend. Joshua Adam hatte die graublauen Augen seines Vaters und den schon geformten Kopf. Wenn Jennifer ihn ansah, erblickte sie seinen Vater. Es war ein seltsames Gefuhl, eine schmerzliche Mischung aus Freude und Traurigkeit. Wie glucklich Adam uber seinen hubschen Sohn gewesen ware!

Als Joshua zwei Tage alt war, lachelte er Jennifer an, und sie klingelte aufgeregt nach der Schwester. »Sehen Sie! Er lachelt!« »Das sind Blahungen, Mrs. Parker.«

»Bei anderen Babys mogen es Blahungen sein«, sagte Jennifer trotzig. »Mein Sohn lachelt.«

Sie hatte sich gefragt, welche Gefuhle sie dem Baby gegenuber hegen, ob sie eine gute Mutter sein wurde. Bestimmt waren Babys eine ziemlich langweilige Gesellschaft. Sie beschmutzten ihre Windeln, hatten dauernd Hunger, schrien und schliefen. Man konnte sich mit ihnen nicht unterhalten.

Echte Gefuhle werde ich fur ihn wahrscheinlich erst entwickeln, wenn er vier oder funf fahre alt ist, hatte Jennifer gedacht. Wie falsch, wie vollig falsch. Von dem Augenblick der Geburt an liebte Jennifer ihren Sohn mit einer Heftigkeit, die sie bei sich nie vermutet hatte. Es war eine leidenschaftliche, beschutzende Liebe; Joshua war so klein und die Welt so gro?. Als Jennifer mit Joshua das Krankenhaus verlassen konnte, bekam sie eine lange Liste mit Instruktionen, aber die sturzte sie nur in Verwirrung. Die ersten zwei Wochen hatte sie die Hilfe einer Schwester, die bei ihnen im Haus lebte. Danach war Jennifer auf sich gestellt, und sie hatte Angst, sie konnte etwas Falsches tun, das das Baby umbrachte. Sie furchtete, es konne jeden Augenblick zu atmen aufhoren. Als Jennifer Joshua zum erstenmal sein Flaschchen bereitete, stellte sie fest, da? sie vergessen hatte, den Schnuller zu sterilisieren. Sie go? den Brei in den Abflu? und begann noch einmal von vorne. Als sie fertig war, fiel ihr ein, da? sie diesmal die Flasche zu sterilisieren vergessen hatte. Sie fing noch einmal an. Als Joshuas Brei endlich fertig war, schrie er bereits vor Zorn.

Es gab Zeiten, in denen Jennifer das Gefuhl hatte, sie sei der Lage nicht mehr gewachsen. Ganz plotzlich wurde sie von unerklarlichen Depressionen uberwaltigt. Sie sagte sich, da? das ganz normal sei nach den Aufregungen der Schwangerschaft und der Geburt, aber deswegen fuhlte sie sich nicht besser. Es kam ihr vor, als verbringe sie die ganze Nacht damit, Joshua zu futtern, und wenn es ihr schlie?lich gelang, einzuschlafen, wurde sie von Joshuas Geschrei wieder aufgeweckt.

Zu jeder Tages- und Nachtstunde rief sie den Arzt an. »Joshua atmet zu schnell... Er atmet zu langsam... Joshua hustet... Er hat seinen Brei nicht geschluckt... Joshua hat sich ubergeben.«

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