»Ich wollte nur sichergehen, da? er sich in guten Handen befindet.«

»Ich wei? das zu schatzen, Euer Ehren.« »Was wurden Sie von einem Abendessen mit einem alten Mann halten?«

Jennifer war sprachlos vor Uberraschung. »Daruber wurde ich mich sehr freuen.«

»Gut. Ich nehme Sie mit in meinen Klub. Ein Haufen alter Knopfe, die nicht mehr an den Anblick einer schonen jungen Frau gewohnt sind. Es wird sie ein bi?chen aufrutteln.«

Richter Waldman gehorte der Century Association in der 43. Stra?e an, und als er und Jennifer sich zum Essen trafen, stellte sie fest, da? er sich bezuglich der alten Knopfe einen Scherz geleistet hatte. Der Speisesaal wimmelte von Schriftstellern, Kunstlern, Anwalten und Schauspielern. »Auf Vorstellung wird hier verzichtet«, erklarte Richter Waldman. »Man geht davon aus, da? jede Person sofort zu erkennen ist.«

Privat war Richter Waldman vollig anders, als Jennifer erwartet hatte. Wahrend der Cocktails sagte er: »Ich wollte Sie damals ausgeschlossen sehen, weil ich dachte, Sie hatten unseren Stand in Verruf gebracht. Jetzt bin ich davon uberzeugt, da? ich mich geirrt habe. Ich habe Ihren Weg genau verfolgt. Ich glaube, Sie gereichen unserem Beruf zur Ehre.« Jennifer war erfreut. Sie kannte Richter, die bestechlich, dumm oder unfahig waren. Lawrence Waldman respektierte sie. Er war sowohl ein brillanter Jurist als auch ein integrer Mensch. »Danke, Euer Ehren.«

»Warum gehen wir au?erhalb des Gerichtssaals nicht zu Lawrence und Jennie uber?«

Ihr Vater war der einzige Mann, der sie je Jennie genannt hatte.

»Gern, Lawrence.«

Das Essen war ausgezeichnet, und mit diesem Abend begann ein monatliches Ritual, das beide sehr genossen.

31

Es war Sommer 1974. Unglaublicherweise war schon ein ganzes Jahr seit Joshua Adam Parkers Geburt verstrichen. Er hatte seine ersten schwankenden Schritte getan und verstand die Worte fur Nase und Mund und Kopf.

»Er ist ein Genie«, teilte Jennifer Mrs. Mackey schlicht mit.

Jennifer plante Joshuas erste Geburtstagsparty, als wurde sie im Wei?en Haus stattfinden. Am Samstag ging sie Geschenke einkaufen. Sie besorgte Joshua Kleider und Bucher und Spielzeug und ein Dreirad, mit dem er fruhestens in einem oder zwei Jahren fahren konnte. Sie erstand kleine Gaben fur die Nachbarskinder, die sie zu der Party eingeladen hatte, und sie verbrachte den Nachmittag damit, Papierschlangen aufzuhangen und Luftballons aufzublasen. Eigenhandig buk sie den Geburtstagskuchen und lie? ihn auf dem Kuchentisch stehen. Irgendwie kam Joshua an den Kuchen heran, grapschte eine Handvoll davon und schob sie sich in den Mund, so da? Jennifers Meisterwerk ruiniert war, bevor die anderen Gaste eintrafen.

Neben einem Dut zend Nachbarkindern hatte Jennifer auch deren Mutter eingeladen. Der einzige erwachsene mannliche Gast war Ken Bailey. Er brachte Joshua ein Dreirad mit, ein Duplikat von Jennifers Geschenk.

Jennifer lachte und sage: »Du bist aber dumm, Ken. Joshua ist doch noch viel zu klein fur so was.«

Die Party dauerte nur zwei Stunden, aber sie war ein glanzvolles Ereignis. Die Kinder a?en zuviel, lagen krank auf dem Teppich, stritten sich um das Spielzeug und weinten, wenn ihre Ballons platzten, aber alles in allem, fand Jennifer, war es ein Triumph. Joshua war der perfekte Gastgeber gewesen und hatte sich, abgesehen von einigen unbedeutenden Zwischenfallen, als ein Mann von Selbstsicherheit und Wurde gezeigt. In dieser Nacht sa? Jennifer, nachdem alle Gaste gegangen waren und sie Joshua ins Bett gebracht hatte, an seinem Bettchen und betrachtete ihren schlafenden Sohn, staunte uber dieses wunderbare Wesen, das aus ihrem Korper und Adam Warners Lenden gekommen war. Adam ware stolz gewesen, wenn er gesehen hatte, wie Joshua sich entwickelte. Irgendwie war es nur eine halbe Freude, weil sie sie allein erlebte. Jennifer dachte an alle noch bevorstehenden Geburtstage. Joshua wurde zwei werden, dann funf, dann zehn und zwanzig. Er wurde ein Mann werden und sie verlassen. Er wurde sein eigenes Leben fuhren.

Hor auf! schalt Jennifer sich. Du ergehst dich in Selbstmitleid. In dieser Nacht lag sie hellwach im Bett und durchlebte jedes Detail der Party noch einmal, um keines davon zu vergessen. Vielleicht konnte sie Adam eines Tage s davon erzahlen.

32

In den folgenden Monaten wurde Senator Adam Warner allgegenwartig. Seine Prasenz, seine Fahigkeiten und sein Charisma hatten ihn von Anfang an im Senat zu einer auffalligen Erscheinung gemacht. Er wurde in verschiedene wichtige Ausschu sse gewahlt und brachte einen wichtigen Gesetzesentwurf ein, der schnell und ohne Schwierigkeiten verabschiedet wurde. Adam Warner hatte machtige Freunde im Kongre?. Viele hatten seinen Vater gekannt und geschatzt. Allgemein ging man davon aus, da? Adam eines Tages zum Kampf um das Prasidentenamt antreten wurde. Jennifer fuhlte einen bittersu?en Stolz.

Immer wieder wurde sie von Mandanten, Partnern und Freunden zum Abendessen, ins Theater oder zu Wohltatigkeitsveranstaltungen eingeladen, aber sie lehnte fast alles ab. Hin und wieder verbrachte sie einen Abend mit Ken. Sie geno? seine Gesellschaft au?erordentlich. Er war lustig und selbstironisch, aber hinter der amusanten Fassade verbarg sich ein sensibler, gequalter Mensch. Manchmal kam er am Wochenende zum Mittag- oder Abendessen heraus und spielte stundenlang mit Joshua. Die beiden liebten sich. Einmal, als Jennifer und Ken in der Kuche zu Abend a?en, nachdem Joshua ins Bett gebracht worden war, starrte Ken Jennifer so auffallig an, da? sie fragte: »Stimmt irgend etwas nicht?«

»Himmel, ja«, stohnte Ken. »Entschuldige. Was fur eine beschissene Welt!«

Aber er verlor kein weiteres Wort daruber. Adam hatte seit beinahe neun Monaten nicht mehr versucht, Kontakt mit Jennifer aufzunehmen, aber sie verschlang gierig jeden Zeitungsartikel uber ihn und sah jede Fernsehsendung, in der er auftrat. Sie dachte unablassig an ihn. Wie sollte es auch anders sein? Ihr Sohn war eine standige Erinnerung an ihn. Joshua war jetzt zwei Jahre und hatte eine unglaubliche Ahnlichkeit mit seinem Vater. Er hatte die gleichen ernsthaften blauen Augen und die gleichen Eigenarten. Joshua war ein winziges, liebes Abziehbild, warm, zartlich und voller Wi?begier.

Zu Jennifers Uberraschung waren Joshuas erste Worte AutoAuto, als sie ihn eines Tages im Wagen mitnahm. Er sprach bereits in Satzen und sagte Danke und Bitte. Als Jennifer ihn einmal in seinem Stuhlchen zu futtern versuchte, sagte er: »Mama, geh mit deinem Spielzeug spielen.« Ken hatte ihm einen Malkasten gekauft, und Joshua begann, emsig die Wande des Wohnzimmers zu bemalen. Als Mrs. Mackey ihm dafur einen Klaps geben wollte, protestierte Jennifer: »Nicht, das kann man abwaschen. Er versucht nur, sich auszudrucken.«

»Mehr wollte ich auch nicht«, bemerkte Mrs. Mackey, »mich ausdrucken. Sie werden das Kind hollisch verwohnen.« Aber Joshua war nicht verwohnt. Er war ausgelassen und anspruchsvoll, aber das war normal fur einen Zweijahrigen. Er hatte Angst vor dem Staubsauger, wilden Tieren, Zugen und der Dunkelheit.

Joshua war von Natur aus sportlich veranlagt. Einmal sagte Jennifer zu Mrs. Mackey, wahrend er mit einigen seiner Freunde spielte: »Obwohl ich seine Mutter bin, sehe ich ihn durchaus objektiv, Mrs. Mackey. Ich glaube, er ist die Wiederauferstehung.«

Sie hatte es sich angewohnt, alle Falle zu vermeiden, die sie aus der Stadt und fort von Joshua fuhrten, aber eines Morgens erhielt sie einen dringlichen Anruf von Peter Fenton, dem Besitzer einer gro?en Industriefirma. »Ich stehe im Begriff, eine Fabrik in Las Vegas zu kaufen, und mochte, da? Sie hinfliegen und sich mit den Anwalten treffen.«

»Ich werde Dan Martin schicken«, schlug Jennifer vor. »Sie wissen, ich verlasse die Stadt nicht gern, Peter.«

»Jennifer, Sie konnen die ganze Geschichte in vierundzwanzig Stunden erledigen. Ich fliege Sie im Firmenflugzeug hin, und am nachsten Tag sind Sie wieder zuruck.« Jennifer zogerte. »Na gut.«

Sie war schon einmal in Las Vegas gewesen und hegte dem Ort gegenuber gemischte Gefuhle. Es war

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