unmoglich, Las Vegas zu lieben oder zu hassen. Man mu? te es als ein Phanomen betrachten, eine fremdartige Zivilisation mit ihrer eigenen Sprache und Moral, ihren eigenen Gesetzen. Es lie? sich mit keiner anderen Stadt in der Welt vergleichen. Riesige Neonlichter flimmerten die ganze Nacht uber und verkundeten den Ruhm der glanzenden Palaste, die errichtet worden waren, die Geldborsen der Touristen zu erleichtern, die wie Lemminge hereinstromten und sich anstellten, um sich ihre sorgsam gehorteten Ersparnisse abnehmen zu lassen. Jennifer gab Mrs. Mackey eine lange, ausfuhrliche Liste mit Anweisungen fur Joshuas Behandlung. »Wie lange werden Sie fort sein, Mrs. Parker?«

»Morgen bin ich wieder zuruck.«

»Mutter!«

Am nachsten Morgen bestieg Jennifer Peter Fentons Lear Jet und flog nach Las Vegas. Sie verbrachte Nachmittag und Abend damit, die Einzelheiten des Vertrags auszuarbeiten. Als sie fertig waren, bat Peter Fenton sie, mit ihm zu Abend zu essen.

»Danke, Peter, aber ich glaube, ich gehe lieber fruh zu Bett. Ich fliege morgen nach New York zuruck.« Jennifer hatte Mrs. Mackey im Verlauf des Tages dreimal angerufen, und dreimal war ihr versichert worden, da? es dem Kleinen gut gehe. Er hatte seine Mahlzeiten zu sich genommen, hatte kein Fieber und schien glucklich zu sein. »Vermi?t er mich?« fragte Jennifer. »Daruber hat er nichts gesagt«, seufzte Mrs. Mackey. Jennifer wu?te, da? Mrs. Mackey sie fur uberkandidelt hielt, aber das war ihr egal.

»Sagen Sie ihm, da? ich morgen wieder zu Hause bin.«

»Ich werde ihm Ihre Nachricht ubermitteln, Mrs. Parker.« Ursprunglich hatte Jennifer vorgehabt, ein ruhiges Abendessen in ihrer Suite einzunehmen, aber plotzlich deprimierten sie die Raume, die Wande schienen ihr die Luft abzuschneiden. Sie konnte nicht aufhoren, an Adam zu denken. Wie konnte er nur mit Mary Beth ins Bett gehen und sie schwangern, wenn...

Sie mu?te ausgehen, irgendwohin, wo Larm herrschte und viele Menschen waren. Vielleicht, dachte Jennifer, konnte ich mir sogar eine Show ansehen. Sie duschte rasch, zog sich an und ging hinunter. Eine lange Schlange wartete am Eingang zum Showsaal, wo Marty Allen auftrat, und Jennifer bedauerte, da? sie Peter Fenton nicht gebeten hatte, ihr einen Platz zu reservieren. Sie ging zum Oberkellner am Kopfende der Schlange und fragte: »Wie lange dauert es, bis man einen Tisch bekommen kann?«

»Wie viele Personen sind Sie?«

»Ich bin allein.«

»Es tut mir leid, Mi?, aber ich furchte...« Eine Stimme neben ihr sagte: »Mein Tisch, Abe.« Der Oberkellner strahlte und sagte: »Naturlich, Mr. Moretti. Hier entlang, bitte.«

Jennifer drehte sich um und blickte in die dunklen Augen von Michael Moretti.

»Nein, danke«, sagte Jennifer. »Ich furchte, ich...«

»Sie mussen etwas essen.« Michael Moretti nahm Jennifers Arm, und sie ging neben ihm hinter dem Oberkellner her, zu einem Vorzugstisch in der Mitte des gro?en Raums. Jennifer empfand nur Widerwillen bei dem Gedanken, mit Michael Moretti zu speisen, aber sie wu?te nicht, wie sie dem entgehen konnte, ohne eine Szene zu machen. Sie wunschte sich instandig, sie hatte Peter Fentons Einladung angenommen. Sie wurden an die Tafel gegenuber der Buhne gesetzt, und der Oberkellner sagte: »Genie?en Sie den Abend, Mr. Moretti, Mi?.«

Jennifer spurte Michael Morettis Augen auf sich ruhen, und sie fuhlte sich unwohl. Er sagte nichts. Michael Moretti war ein Mann des Schweigens, er mi?traute Worten, als waren sie eine Falle und nicht eine Form der Kommunikation. An seinem Schweigen war etwas Fesselndes. Er benutzte es, um auf seine Weise zu erreichen, was andere Manner mit Worten erreichten.

Als er schlie?lich etwas sagte, fuhlte Jennifer sich in einem Moment der Unachtsamkeit uberrascht. »Ich hasse Hunde«, sagte Michael Moretti. »Sie sterben.« Und es war, als lege er einen geheimen Teil seines Wesens blo?, der aus einer dunklen Quelle gespeist wurde. Jennifer wu?te nicht, was sie darauf antworten sollte. Ihre Drinks wurden gebracht, und sie sa?en da und tranken schweigend. Jennifer lauschte dem Gesprach, das nicht stattfand.

Sie dachte uber seine Worte nach: Ich hasse Hunde. Sie sterben. Sie fragte sich, wie Michaels Kindheit verlaufen sein mochte. Sie ertappte sich dabei, wie sie ihn studierte. Er war auf eine gefahrliche, erregende Weise attraktiv. Eine Aura von Gewalttatigkeit umgab ihn, als konne er jeden Augenblick explodieren.

Jennifer konnte nicht sagen, warum, aber in der Gesellschaft dieses Mannes fuhlte sie sich wie eine Frau. Vielleicht lag es an der Art, auf die seine ebenholzfarbenen Augen sie musterten, ehe sie wegblickten, als hatten sie Angst, zuviel preiszugeben. Jennifer stellte fest, da? es lange her war, seit sie sich zuletzt so weiblich gefuhlt hatte. Seit dem Tag, an dem sie Adam verloren hatte. Eine Frau benotigt einen Mann, damit sie sich weiblich fuhlt, dachte Jennifer, damit sie sich schon und begehrenswert fuhlt.

Sie war froh, da? er ihre Gedanken nicht lesen konnte. Die verschiedensten Leute naherten sich ihrem Tisch, um Michael Moretti ihre Reverenz zu erweisen: Geschaftsleute, Schauspieler, ein Richter, ein Senator. Macht erwies Macht ihren Tribut, und Jennifer hatte plotzlich eine Ahnung davon, welchen Einflu? Michael Moretti ausubte. »Ich bestelle fur uns«, sagte er. »Das Menu des Tages wird fur achthundert Personen zubereitet. Es schmeckt wie in einem Flugzeug.« Er hob die Hand, und sofort war der Oberkellner an ihrem Tisch. »Ja, Mr. Moretti? Was hatten Sie gern heute abend, Sir?«

»Wir mochten ein Chateaubriand, innen rosa, au?en schwarz.«

»Sehr wohl, Mr. Moretti.«

»Pommes soufflees und Endiviensalat.«

»Jawohl, Mr. Moretti.«

»Das Dessert bestellen wir spater.«

Eine Flasche Champagner wurde an den Tisch geschickt, mit den Empfehlungen der Geschaftsleitung. Jennifer begann, sich zu entspannen und beinahe gegen ihren Willen wohl zu fuhlen. Es war lange her, seit sie das letzte Mal einen Abend mit einem attraktiven Mann verbracht hatte. Und als dieser Gedanke in ihr auftauchte, fragte sie sich: Wie kann ich Michael Moretti als attraktiv bezeichnen? Er ist ein Killer, ein amoralisches Tier ohne Gefuhle.

Jennifer hatte Dutzende von Menschen gekannt und verteidigt, die schreckliche Verbrechen begangen hatten, aber sie hatte das Gefuhl, da? keiner von ihnen so gefahrlich gewesen war wie dieser Mann. Er war bis an die Spitze des Syndikats aufgestiegen, und es hatte etwas mehr erfordert, als Antonio Granellis Tochter zu heiraten, um das zu erreichen. »Ich habe ein- oder zweimal bei Ihnen angerufen, als Sie fort waren«, sagte Michael. Laut Ken Bailey hatte er fast jeden Tag angerufen. »Wo waren Sie?« Er lie? die Frage beilaufig klingen. »Weg.«

Ein langes Schweigen. »Erinnern Sie sich an das Angebot, das ich Ihnen gemacht habe?«

Jennifer nahm einen Schluck von ihrem Champagner.

»Fangen Sie nicht wieder damit an, bitte.«

»Sie konnen alles haben, was...«

»Ich sagte Ihnen bereits, ich bin nicht interessiert. Angebote, die man nicht abschlagen kann, gibt es nicht. Nur in Buchern, Mr. Moretti. Ich schlage es ab.«

Michael Moretti dachte an eine Szene, die vor ein paar Wochen im Haus seines Schwiegervaters stattgefunden hatte. Sie hatten eine Familienkonferenz abgehalten, und sie war nicht gut gelaufen. Thomas Colfax hatte sich gegen alles gestellt, das Michael vorgeschlagen hatte.

Nachdem Colfax gegangen war, hatte Michael zu seinem Schwiegervater gesagt: »Colfax verwandelt sich langsam in ein altes Weib. Es ist Zeit, ihn aufs Altenteil zu schicken.«

»Tommy ist ein guter Mann. Er hat uns im Lauf der Jahre eine Menge Arger erspart.«

»Das war einmal. Er halt nicht mehr Schritt, Tony.«

»Wen sollten wir auf seinen Platz stellen?«

»Jennifer Parker.«

Antonio Granelli hatte den Kopf geschuttelt. »Ich habe es dir schon einmal gesagt, Michael. Es ist nicht gut, wenn eine Frau etwas von unseren Geschaften erfahrt.«

»Sie ist nicht nur eine Frau. Sie ist die beste Anwaltin zur Zeit.«

»Wir wollen abwarten«, hatte Antonio Granelli gesagt. »Wir wollen abwarten.«

Michael Moretti war daran gewohnt, zu kriegen, was er haben wollte, und je langer Jennifer sich ihm widersetzte, desto mehr war er entschlossen, sie zu bekommen. Jetzt, wo er neben ihr sa?, blickte Michael Jennifer an und dachte: Eines Tages wirst du mir gehoren, Baby - mit Haut und Haaren. »Woran denken

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