Sie?«
Michael Moretti bedachte Jennifer mit einem lassigen,
langsamen Lacheln, und sie bedauerte die Frage sofort. Es war Zeit, zu gehen.
»Ich danke Ihnen fur ein wunderbares Essen, Mr. Moretti. Ich mu? fruh aufstehen, desha lb...«
Die Lichter verdunkelten sich, und das Orchester intonierte eine Ouverture. »Sie konnen jetzt nicht gehen. Die Show beginnt. Marty Allen wird Ihnen gefallen.« Es war Unterhaltung von einem Kaliber, das sich nur Las Vegas leisten konnte, und Jennifer geno? es von A bis Z. Sie sagte sich, da? sie sofort nach Ende der Show gehen wurde, aber als sie vorbei war und Michael Moretti Jennifer zum Tanze aufforderte, beschlo? sie, da? es undankbar sei, sich zu weigern. Davon abgesehen mu?te sie zugeben, da? sie sich gut amusierte. Michael Moretti war ein begabter Tanzer, und Jennifer entspannte sich in seinen Armen. Einmal, als ein anderes Paar mit ihnen zusammenstie?, wurde Michael gegen Jennifer gesto?en, und fur einen Augenblick spurte sie seine Erektion, aber dann zog er sich sofort zuruck, sorgsam darauf bedacht, sie in diskreter Entfernung zu halten.
Hinterher gingen sie in ein Casino, ein Meer aus Lichtern und Larm, uberflutet mit Spielern, die vollig von den verschiedensten Glucksspielen in Anspruch geno mmen waren und sich ihnen mit einer Hingabe widmeten, als hinge ihr Leben davon ab, da? sie gewannen. Michael fuhrte Jennifer zu einem der Wurfeltische und gab ihr ein Dutzend Chips. »Auf das Gluck«, sagte er.
Die Angestellten des Casinos begegneten Michael mit Ehrerbietung. Sie nannten ihn »Mr. M.« und gaben ihm gro?e Stapel Hundert-Dollar-Chips, wobei sie seine Unterschrift an Stelle von Bargeld akzeptierten. Michael spielte mit hohen Einsatzen und verlor kraftig, aber es schien ihn nicht zu irritieren. Mit Michaels Chips gewann Jennifer dreihundert Dollar, aber sie bestand darauf, ihm das Geld zu geben. Sie wollte ihm auf keinen Fall irgendwie verpflichtet sein. Von Zeit zu Zeit kamen verschiedene Frauen an den Tisch, um Michael zu begru?en. Alle waren jung und attraktiv, wie Jennifer bemerkte. Michael begegnete ihnen hoflich, aber es war offensichtlich, da? er sich nur fur Jennifer interessierte. Gegen ihren Willen fuhlte sie sich geschmeichelt. Zu Beginn des Abends war Jennifer mude und deprimiert gewesen, aber Michael Moretti strahlte eine solche Vitalitat aus, da? sie uberzuschaumen schien, die Luft auflud und Jennifer einhullte.
Michael fuhrte sie in eine kleine Bar mit einer Jazzgruppe, und danach gingen sie in den Salon eines anderen Hotels, um eine neue Vokalgruppe zu horen. Wo immer sie auftauchten, wurde Michael zuvorkommend, beinahe unterwurfig behandelt. Jeder versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen, ihm guten Abend zu sagen, ihn zu beruhren und darauf hinzuweisen, da? man da war.
Wahrend der ganzen Zeit, die sie zusammen verbrachten, sagte Michael kein einziges Wort, das Jennifer als zudringlich hatte auslegen konnen. Und dennoch fuhlte sie eine derart starke Sexualitat von ihm ausgehen, da? es sie wie Schockwellen traf. Ihr Korper fuhlte sich geschlagen, vergewaltigt. Sie hatte noch nie etwas Ahnliches erlebt. Es war beunruhigend und gleichzeitig erregend.
Um vier Uhr morgens brachte Michael Jennifer schlie?lich wieder zu ihrer Suite. Als sie die Tur erreicht hatten, ergriff Michael ihre Hand und sagte: »Gute Nacht. Ich mochte Ihnen sagen, da? dies die schonste Nacht meines Lebens war.« Seine Worte jagten Jennifer Angst ein.
33
In Washington wuchs Adam Warners Popularitat. Zeitungen und Magazine nahmen sich seiner immer haufiger an. Er leitete eine Untersuchung der Zustande in Ghettoschulen ein und reiste an der Spitze eines Senatsausschusses nach Moskau, um sich mit Dissidenten zu treffen. In den Zeitungen waren Bilder von seiner Ankunft auf dem Scheremetjevo-Flughafen zu sehen, auf denen er vo n einer russischen Delegation mit unbewegten Gesichtern begru?t wurde. Als er zehn Tage spater zuruckkehrte, waren die Zeitungen voll des Lobs uber die Ergebnisse seiner Reise.
Die Berichterstattung wurde immer ausfuhrlicher. Die Offentlichkeit wollte uber Adam Warner informiert werden, und die Medien stillten ihren Hunger. Adam wurde die Speerspitze einer Gruppe von Senatoren, die fur Reformen eintraten. Er ubernahm den Vorsitz eines Komitees, das die Zustande in den Bundesgefangnissen untersuchte, und besuchte Strafanstalten im ganzen Land. Er sprach mit den Haftlingen, den Wartern und Aufsehern, und als das Komitee seinen Bericht vorstellte, wurden umfassende Reformen eingeleitet. Zusatzlich zu den Nachrichtenmagazinen brachten auch die Frauenzeitungen Artikel uber ihn. In Cosmopolitan entdeckte Jennifer ein Foto von Adam, Mary Beth und ihrer kleinen Tochter Samantha. Jennifer sa? vor dem Kamin in ihrem Schlafzimmer und betrachtete das Bild lange Zeit. Mary Beth lachelte in die Kamera und strahlte warmen, su?en Sudstaatencharme aus. Die Tochter war eine Miniaturausgabe ihrer Mutter. Jennifer wandte sich dem Bild von Adam zu. Er sah mude aus. Kleine Falten, die vorher nicht dagewesen waren, hatten sich um seine Augen gebildet, und seine Schlafen wiesen die ersten grauen Schatten auf. Fur einen Moment erlag Jennifer der Illusion, das Gesicht eines erwachsenen Joshua zu betrachten. Die Ahnlichkeit war unheimlich. Der Fotograf hatte Adam direkt in die Kamera blicken lassen, und Jennifer hatte das Gefuhl, da? er sie ansah. Sie versuchte, den Ausdruck in seinen Augen zu deuten, und fragte sich, ob er jemals an sie dachte.
Jennifer blickte noch einmal auf das Bild von Mary Beth und ihrer Tochter. Dann warf sie das Magazin in den Kamin und sah zu, wie es verbrannte.
Adam Warner sa? am Kopfende seines E?tisches und versuchte, Stewart Needham und ein halbes Dutzend anderer Gaste zu unterhalten. Mary Beth war am anderen Ende des Tisches in eine Unterhaltung mit einem Senator aus Oklahoma und seiner juwelengeschmuckten Frau vertieft. Washington hatte auf Mary Beth wie ein Stimulans gewirkt. Hier war sie in ihrem Element. Im Rahmen von Adams wachsender Bedeutung war Mary Beth eine der ersten Gastgeberinnen geworden, und sie kostete diese Rolle aus. Die gesellschaftliche Seite Washingtons langweilte Adam, und er war froh, da? er sie Mary Beth uberlassen konnte. Sie hatte ein naturliches Geschick dafur.
Stewart Needham sagte: »In Washington wird mehr Politik beim Essen gemacht als in den geheiligten Hallen des Senats.«
Adam wu nschte sich, da? der Abend endlich voruber sein moge. Oberflachlich betrachtet, war alles in bester Ordnung. Unter dem Lack stimmte nichts. Er war mit einer Frau verheiratet, und er liebte eine andere. Er lag in den Ketten einer Ehe, aus der es kein Entkommen gab. Wenn Mary Beth nicht schwanger geworden ware, hatte er weiterhin die Scheidung betrieben. Jetzt war es zu spat, er war fur seine Familie verantwortlich. Mary Beth hatte ihm eine wunderschone kleine Tochter geschenkt, und er liebte sie, aber es war ihm unmoglich, Jennifer zu vergessen.
Die Frau des Senators aus Oklahoma sagte zu ihm: »Sie mussen so glucklich sein, Adam. Sie haben alles, was sich ein Mann nur wunschen kann, nicht wahr?« Adam
34
Die Jahreszeiten kamen und gingen, und sie alle drehten sich um Joshua. Er war der Mittelpunkt von Jennifers Welt. Sie sah, wie er wuchs und sich entwickelte, Tag fur Tag, und als er zu sprechen, zu gehen und zu denken begann, schien ihr das wie ein unendliches Wunder. Seine Stimmungen wechselten dauernd. Er war abwechselnd wild und aggressiv, schuchtern und zartlich. Er wurde wutend, wenn Jennifer ihn nachts verlassen mu?te, und er hatte immer noch Angst vor der Dunkelheit, so da? Jennifer nachts immer ein Licht fur ihn anlie?. Mit zwei Jahren war Joshua unertraglich. Er war zerstorerisch, trotzig und ungestum. Sein liebstes Spiel war »Reparieren«. Er machte Mrs. Mackeys Nahmaschine kaputt, ruinierte die beiden Fernsehapparate im Haus und nahm Jennifers Armbanduhr auseinander. Er schuttete Salz in die Zuckerdose und streichelte sich selbst, wenn er allein war. Ken Bailey brachte Jennifer einen jungen Schaferhund namens Max mit, und Joshua bi? ihn.
Als Ken einmal zu Besuch kam, begru?te Joshua ihn mit den Worten: »Hu Hast du auch ein Ding- Dong? Darf ich es anschauen?«
In diesem Jahr hatte Jennifer Joshua mit Freuden dem erstbesten Fremden geschenkt.
Mit drei aber wurde er plotzlich ein Engel, hoflich, zartlich und liebevoll. Er hatte die korperliche Harmonie seines Vaters und war sehr geschickt mit den Handen. Er horte auf, Dinge kaputtzumachen. Er spielte gern im