Haushalterin. Ihr Herz schlug so rasend, da? es ihr schwerfiel, zu atmen. Sie sturzte die Treppe zu Joshuas Schlafzimmer hinauf. In seinem Bett hatte jemand geschlafen, aber es war leer. Jennifer durchsuchte jedes Zimmer. Dann lief sie wieder hinunter. Sie war wie betaubt. Frank Jackson mu?te genau gewu?t haben, wo sie wohnte. Er mu?te ihr eines Abends gefolgt sein, entweder von ihrem Buro oder von der Werkstatt. Er hatte Joshua entfuhrt, und er wurde ihn toten, um sie zu bestrafen.
Sie ging gerade an der Waschekammer vorbei, als sie ein schwaches Kratzen horte. Jennifer naherte sich langsam der Tur und offnete sie. Es war dunkel dahinter. Jennifer schaltete das Licht an. Mrs. Mackey lag auf dem Boden. Ihre Hande und Fu?e waren mit Kupferdraht gefesselt. Sie war halb bewu?tlos.
Jennifer kniete rasch bei ihr nieder. »Mrs. Mackey!« Die Haushalterin blickte zu Jennifer auf, ihre Augen verloren langsam den verwirrten Blick. »Er hat Joshua mitgenommen«, schluchzte sie. So vorsichtig, wie sie konnte, loste Jennifer den Draht, der in Mrs. Mackeys Arme und Beine schnitt. Das Fleisch war aufgeschnurrt und blutete. Jennifer half der Haushalterin auf die Beine.
Mrs. Mackey weinte hysterisch. »Ich - ich konnte ihn nicht aufhalten. Ich - ich habe es versucht. Ich...« Das Klingeln des Telefons drang in den Raum. Die beiden Frauen waren sofort still. Das Telefon schrillte und schrillte, und irgendwie hatte es einen bosen Klang. Jennifer ging zum Apparat und hob ab.
Die Stimme sagte: »Ich wollte nur sicher sein, da? Sie gut nach Hause gekommen sind.« »Wo ist mein Sohn?«
»Er ist ein wunderschoner Junge, nicht wahr?« fragte die Stimme.
»Bitte! Ich tue alles - was immer Sie wollen!«
»Sie haben schon alles getan, Mrs. Parker.«
»Nein, bitte!« Sie schluchzte hilflos.
»Es gefallt mir, Sie weinen zu horen«, flusterte die Stimme. »Sie erhalten Ihren Sohn zuruck, Mrs. Parker. Lesen Sie morgen die Zeitungen!« Und die Leitung war stumm.
Jennifer kampfte mit der Bewu?tlosigkeit. Sie versuchte, nachzudenken. Frank Jackson hatte gesagt: »Er ist ein wunderschoner Junge, nicht wahr?« Das konnte bedeuten, da? Joshua noch am Leben war. Hatte er sonst nicht gesagt, war wunderschon? Sie wu?te, da? sie nur Wortklauberei betrieb, um nicht den Verstand zu verlieren. Sie mu?te etwas unternehmen, ganz schnell. Ihr erster Impuls war, Adam anzurufen, ihn um Hilfe zu bitten. Es war sein Sohn, der entfuhrt worden war, der getotet werden wurde. Aber sie wu?te, da? Adam nichts tun konnte. Er lebte zweihundertfunfunddrei?ig Meilen entfernt. Sie hatte nur zwei Moglichkeiten: Die eine bestand darin, Robert Di Silva anzurufen, ihm zu erzahlen, was passiert war, und ihn zu bitten, sein Schleppnetz auszuwerfen und Frank Jackson zu schnappen. Oh, mein Gott, das dauert zu lange! Die zweite Moglichkeit war das FBI. Das FBI hatte Erfahrung mit Kidnapping. Das Problem bestand nur darin, da? es sich diesmal nicht um eine normale Entfuhrung handelte. Es wurde keine Losegeldforderung geben, der sie nachgehen konnten, keine Gelegenheit, Frank Jackson eine Falle zu stellen und Joshuas Leben zu retten. Das FBI hielt sich starr an seine gewohnte Routine. In diesem Fall konnte es mehr schaden als nutzen. Sie mu?te schnell eine Entscheidung treffen... solange Joshua noch lebte. Robert Di Silva oder das FBI. Es fiel ihr schwer, nachzudenken. Sie holte tief Luft. Die Entscheidung war gefallen. Sie suchte eine Telefonnummer heraus. Ihre Finger zitterten, und sie mu?te dreimal Anlauf nehmen, bis sie die Nummer richtig getippt hatte.
Als sich ein Mann am anderen Ende meldete, sagte Jennifer: »Ich mochte Michael Moretti sprechen.«
36
»Tut mir leid, Lady. Sie haben Tony's Place gewahlt. Ich kenne keinen Michael Moretti.«
»Warten Sie!« schrie Jennifer. »Legen Sie nicht auf!« Sie zwang sich, ruhig zu klingen. »Es ist dringend. Ich bin - ich bin eine Freundin von ihm. Mein Name ist Jennifer Parker. Ich mu? sofort mit ihm sprechen.«
»Horen Sie, Lady, ich sagte doch...«
»Geben Sie ihm meinen Namen und diese Telefonnummer.« Sie nannte die Nummer des Anschlusses. Sie stotterte so heftig, da? sie sich kaum verstandlich machen konnte. »Sasasagen Sie ihm -« Am anderen Ende wurde die Verbindung unterbrochen.
Wie betaubt legte Jennifer den Horer auf. Sie war wieder auf ihre ersten beiden Moglichkeiten angewiesen. Es gab keinen Grund, warum Robert Di Silva und das FBI nicht gemeinsam versuchen sollten, Joshua zu finden. Das einzige, was sie daran wahnsinnig machte, war, da? sie wu?te, wie gering die Chancen waren, da? sie Frank Jackson aufspurten. Sie hatten zu wenig Zeit. Lesen Sie morgen die Zeitungen! Die Endgultigkeit dieser Worte lie? keinen Zweifel daran, da? er nicht noch einmal anrufen wurde, um niemandem die Gelegenheit zu geben, ihn aufzuspuren. Sie mu?te irgend etwas tun. Sie wurde Di Silva anrufen. Sie griff erneut nach dem Telefon. Als sie es beruhrte, begann es zu klingeln. Sie schrak zusammen. »Hier spricht Michael Moretti.«
»Michael! O Michael, helfen Sie mir, bitte! Ich...« Sie begann unkontrolliert zu schluchzen. Sie lie? den Horer fallen und hob ihn schnell wieder auf. Sie hatte Angst, er konnte aufgehangt haben. »Michael?«
»Ich bin noch dran.« Seine Stimme war ruhig. »Fassen Sie sich, und erzahlen Sie mir, was los ist.«
»Ich - ich...« Sie holte tief Luft, um das Zittern in ihrer Stimme zu beruhigen. »Es handelt sich um meinen Sohn, Joshua. Er - er ist entfuhrt worden. Sie - sie wollen ihn umbringen.«
»Wissen Sie, wer dahintersteckt?«
»Ja, ja. Sein Name ist Frank Jackson.« Ihr Herz schlug wie wild.
»Erzahlen Sie mir, was passiert ist.« Seine Stimme war ruhig und vertrauenerweckend.
Jennifer zwang sich, langsam zu sprechen und die Ereignisse in der richtigen Reihenfolge zu erzahlen. »Konnen Sie Jackson beschreiben?«
Jennifer rief sich Jacksons Aussehen in Erinnerung, dann kleidete sie es in Worte, und Michael sagte: »Sie machen das sehr gut. Wissen Sie, wo er gesessen hat?«
»In Joliet. Er hat gesagt, er wird Joshua...«
»Wo ist die Werkstatt, in der er gearbeitet hat?« Sie gab Michael die Adresse.
»Wissen Sie den Namen des Hotels, in dem er gewohnt hat?« »Ja. Nein.« Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Sie bohrte die Fingernagel in ihre Stirn, bis sie zu bluten begann, als wollte sie die Erinnerung hervorkratzen. Er wartete geduldig. Plotzlich fiel es ihr ein. »Es war das Travel Well Hotel. Es liegt an der 10. Stra?e. Aber ich bin sicher, da ist er nicht mehr.« »Wir werden sehen.«
»Ich will meinen Jungen lebendig wiederhaben.« Michael Moretti antwortete nicht, und Jennifer verstand, warum.
»Wenn wir Jackson finden...« Jennifer holte tief Luft und erschauerte. »Totet ihn!«
»Bleiben Sie in der Nahe des Telefons.« Die Verbindung war unterbrochen. Jennifer legte den Horer auf. Seltsamerweise fuhlte sie sich ruhiger, als wenn schon etwas erreicht ware. Es gab keinen Grund fur das Vertrauen, das sie zu Michael Moretti hatte. Vernunftig betrachtet, hatte sie in ihrer Verzweiflung eine Wahnsinnstat begangen; aber Vernunft spielte im Augenblick keine Rolle. Es ging um das Leben ihres Sohnes. Vorsatzlich hatte sie einen Killer auf einen Killer gehetzt. Wenn es nicht funktionierte... Sie dachte an das kleine Madchen, dessen von einem Sadisten vergewaltigten Korper man im Wald gefunden hatte.
Jennifer kummerte sich um Mrs. Mackey. Sie verarztete ihre Schnittwunden und Prellungen und brachte sie ins Bett. Sie bot ihr ein Beruhigungsmittel an, aber Mrs. Mackey stie? es weg.
»Wie konnte ich jetzt schlafen«, rief sie. »O Mrs. Parker! Er hat dem Kind Schlaftabletten gegeben.«
Jennifer starrte sie entsetzt an.
Michael Moretti sa? an seinem Schreibtisch und musterte die sieben Manner, die er zusammengerufen hatte. Die ersten drei hatten ihre Instruktionen bereits erhalten. Jetzt wandte er sich an Thomas Colfax. »Tom, du benutzt deine Beziehungen. Geh zu Captain Notaras, er soll sich Jacksons Akte besorgen. Ich will alles wissen, was sie uber ihn haben.«
»Wir sollten eine so gute Verbindung nicht wegen einer solchen Sache bemuhen, Mike. Ich glaube nicht...«
»Keine Widerrede! Tu, was ich sage!« Colfax sagte steif: »Wie du willst.«
Michael wandte sich an Nick Vito. »Kummere dich um die Werkstatt, wo Jackson gearbeitet hat. Finde heraus, ob er sich in einer der Bars dort herumgetrieben hat. Ob er irgendwelche Freunde hatte. Ich will ihre Namen haben.« Er blickte auf seine Uhr. »Jetzt ist es Mitternacht. Ich gebe euch acht Stunden Zeit, Jackson zu