finden.«

Die Manner strebten der Tur zu. Michael rief ihnen nach. »Ich mochte nicht, da? dem Kind irgendwas geschieht. Haltet telefonisch Verbindung mit mir. Ich warte.« Michael Moretti wartete, bis sie gegangen waren, dann griff er nach einem der Telefone auf seinem Schreibtisch und begann zu wahlen.

Ein Uhr morgens

Das Motelzimmer war nicht gro?, aber es war ordentlich und sauber. Frank Jackson mochte es, wenn alles reinlich war. Es gehorte zu einer guten Erziehung, sauber zu sein. Die Jalousien waren heruntergelassen und gekippt, so da? niemand hereinsehen konnte. Die Tur war abgeschlossen, mit einer Kette gesichert, und au?erdem hatte er einen Stuhl dagegengestellt. Er ging zum Bett, auf dem Joshua lag. Frank Jackson hatte den Jungen gezwungen, drei Schlaftabletten herunterzuwurgen, und sie wirkten immer noch. Da Jackson stolz darauf war, da? er kein Risiko einging, hatte er die Hande und Fu?e des Jungen mit demselben Draht zusammengebunden, den er auch bei der alten Frau im Haus verwandt hatte. Jackson betrachtete den schlafenden Jungen und fuhlte eine Art Trauer.

Warum, in Gottes Namen, zwangen ihn die Menschen immer wieder dazu, so furchtbare Dinge zu tun? Er war ein sanfter, friedlicher Mensch, aber wenn jeder gegen einen war und einen angriff, dann mu?te man sich verteidigen. Das Problem der Leute war, da? sie ihn immer unterschatzten. Sie begriffen erst, wenn es zu spat war, da? er sie alle in die Tasche steckte.

Er hatte schon eine halbe Stunde vor Ankunft der Polizei gewu?t, da? sie hinter ihm her waren. Er hatte gerade einen Chevrolet Camaro vollgetankt, als er seinen Bo? ins Buro und ans Telefon gehen gesehen hatte. Jackson hatte die Unterhaltung nicht mithoren konnen, aber das war auch nicht notwendig gewesen. Er hatte die versteckten Blicke gesehen, die sein Bo? ihm zugeworfen hatte, als er in den Horer sprach. Er hatte sofort begriffen, was vorging. Die Polizei war wieder hinter ihm her. Die Parker-Nutte hatte ihn hereingelegt, hatte die Bullen auf ihn gehetzt. Sie war wie alle anderen. Sein Bo? telefonierte immer noch, als er schon seine Jacke geschnappt hatte und abgehauen war. In weniger als drei Minuten hatte er einen unverschlossenen Wagen gefunden und ihn kurzgeschlossen. Sekunden spater war er auf dem Weg zu Jennifer Parkers Haus gewesen.

Jackson mu?te seine Intelligenz wirklich bewundern. Wer au?er ihm hatte schon daran gedacht, ihr zu folgen, um herauszufinden, wo sie wohnte? Er hatte das schon an dem Tag getan, an dem sie ihn auf Kaution freibekommen hatte. Er hatte auf der anderen Stra?enseite vor ihrem Haus geparkt und war sehr uberrascht, als sie am Tor von einem kleinen Jungen begru?t wurde. Er beobachtete die beiden und hatte das Gefuhl, da? der Junge gerade recht kam, sozusagen eine unerwartete Zugabe.

Jackson lachelte daruber, wie erschrocken die alte Hexe von einer Haushalterin gewesen war. Er hatte es genossen, ihr den Draht in Handgelenke und Fesseln zu drehen. Nein, nicht wirklich genossen. Er tat sich Unrecht. Es war notwendig. Die Haushalterin dachte, er wolle sie vergewaltigen. Sie verabscheute ihn. Alle Frauen taten das, au?er seiner geliebten Mutter. Frauen waren schmutzig, unsauber, sogar seine Schwester, diese Hure. Nur die Kinder waren rein. Er dachte an das kleine Madchen, das er sich genommen hatte. Sie war wunderschon gewesen, mit langen blonden Locken, aber sie hatte fur die Sunden ihrer Mutter bezahlen mussen. Ihre Mutter hatte Jackson gefeuert. Die Leute hielten einen davon ab, sich auf anstandige Weise den Lebensunterhalt zu verdienen, und dann bestraften sie einen, wenn man ihre damlichen Gesetze brach. Die Manner waren schlimm genug, aber die Frauen waren noch schlimmer. Schweine, die den Tempel deines Korpers beschmutzen wollen. Wie diese Kellnerin Clara, die er nach Kanada mitnehmen wollte. Sie liebte ihn. Sie hielt ihn fur einen Gentleman, weil er sie nie beruhrt hatte. Wenn die wu?te! Der Gedanke, mit ihr zu schlafen, machte ihn krank. Aber er wurde mit ihr das Land verlassen, weil die Polizei nach einem einzelnen Mann ohne Begleitung suchte. Er wurde sich den Bart abnehmen und das Haar schneiden lassen, und hinter der Grenze wurde er Clara beseitigen. Darauf freute er sich schon jetzt. Frank Jackson ging zu einem ramponierten Koffer auf dem Gepackhocker, offnete ihn und holte einen Werkzeugkasten heraus. Er entnahm ihm einen Hammer und Nagel. Er legte sie auf den Nachttisch. Dann ging er ins Badezimmer und hob einen Zweiliterkanister Benzin aus der Badewanne. Er trug ihn ins Schlafzimmer und stellte ihn auf dem Boden ab. Joshua wurde in Flammen aufgehen. Aber erst nach der Kreuzigung.

Zwei Uhr morgens

In ganz New York und uber seine Grenzen hinaus breitete sich die Nachricht aus. Es begann in Bars und Bordellen. Ein vorsichtiges Wort hier und da, ein Flustern in ein bereitwillig lauschendes Ohr. Zuerst war es nur ein Tropfeln, aber nach und nach erreichte es billige Restaurants, laute Diskotheken und Zeitungsstande. Es erreichte Taxifahrer, Lasterkapitane und die Madchen an den Stra?enecken. Es war wie ein Kiesel, der in einen tiefen, dunklen See geworfen wurde und immer gro?ere Kreise zog. Innerhalb weniger Stunden wu?te jeder auf den Stra?en, da? Michael Moretti eine Information brauchte, und zwar schnell. Nicht viele Leute hatten jemals Gelegenheit, Moretti einen Gefallen zu erweisen. Diese Gelegenheit war Gold wert, denn Michael Moretti war ein Mann, der wu?te, wie man sich dankbar erweist. Es hie?, da? er einen dunnen, blonden Burschen suchte, der wie Jesus Christus aussah. Die Leute begannen, ihr Gedachtnis zu durchforsten.

Zwei Uhr funfzehn

Joshua Adam Parker seufzte im Schlaf, und Frank Jackson setzte sich neben ihn. Noch hatte er dem Jungen den Schlafanzug nicht ausgezogen. Jackson vergewisserte sich, da? Hammer und Nagel bereitlagen. Bei solchen Dingen konnte man nicht ubergenau genug sein. Er wurde Hande und Fu?e des Jungen an den Boden nageln, bevor er den Raum in Brand setzte. Naturlich konnte er das auch tun, wahrend der Junge noch schlief, aber es ware falsch gewesen. Es war wichtig, da? der Junge wach war und sehen konnte, was geschah, damit er wu?te, da? er fur die Sunden seiner Mutter bestraft wurde. Frank Jackson blickte auf seine Uhr. Um halb acht wurde Clara ihn im Motel abholen. Noch funf Stunden und funfzehn Minuten. Jede Menge Zeit.

Frank Jackson studierte Joshua. Zartlich strich er uber eine widerspenstige Locke im Haar des Jungen.

Drei Uhr morgens

Michael bekam die ersten Telefonanrufe. Auf seinem Schreibtisch standen zwei Apparate, und es schien, da? in dem Augenblick, da er den Horer des einen abhob, der andere zu klingeln begann.

»Ich habe eine Spur des Burschen, Mike. Vor ein paar Jahren hat er in Kansas City mit Big Joe Ziegler und Mel Cohen gesessen.«

»Schei? auf das, was er vor ein paar Jahren getan hat. Wo ist er jetzt!«

»Big Joe behauptet, seit sechs Monaten nichts mehr von ihm gehort zu haben. Ich versuche, Mel Cohen zu erwischen.«

»Tu das!«

Der nachste Anruf brachte auch nicht mehr. »Ich war bei Jacksons Motel. Er ist ausgezogen. Er trug einen braunen Koffer und einen Zweiliterkanister. Konnte Benzin drin gewesen sein. Der Portier hat keine Ahnung, wohin er gegangen ist.«

»Was ist mit den Bars in der Gegend?«

»Einer der Bartender hat ihn nach der Beschreibung erkannt, aber er sagt, Jackson war kein Stammgast. Er kam zwei- oder dreimal nach der Arbeit.«

»Allein?«

»Dem Bartender zufolge, ja. Er schien sich nicht fur die Madchen da zu interessieren.«

»Kummere dich um die Schwulenkneipen.«

Kaum hatte Michael aufgehangt, da klingelte das Telefon schon wieder. Es war Salvatore Fiore.

»Colfax hat mit Captain Notaras gesprochen. In der personlichen Habe Jacksons soll sich die Quittung einer Pfandleihe befunden haben. Ich habe die Nummer der Quittung und den Namen des Pfandleihers. Ein Grieche, Gus Stavros. Nebenbei betatigt er sich als Hehler fur hei?en Schmuck.«

»Hast du das uberpruft?«

»Das kann ich erst morgen fruh, Mike. Jetzt haben die geschlossen. Ich...«

»Wir konnen nicht bis morgen warten!« explodierte Michael Moretti. »Beweg deinen Arsch zu der Pfandleihe, aber Tempo!«

Der nachste Anruf kam aus Joliet. Es fiel Michael schwer, etwas zu verstehen, denn der Anrufer hatte eine Kehlkopfoperation hinter sich, und seine Stimme klang, als kame sie aus einer Blechdose.

»Jacksons Zellengenosse war ein Mann namens Mickey Nicola. Sie haben sich ziemlich gut verstanden.« »Irgendeine Vorstellung, wo Nicola jetzt ist?«

»Der letzten Information nach wieder irgendwo im Osten. Er ist mit Jacksons Schwester befreundet. Wir haben aber ihre Adresse nicht.«

»Weswegen hat Nicola gesessen?«

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