Sie summte frohlich vor sich hin, als sie die Kleider, die sie in Kanada brauchen wurde, in ihren Pappkoffer packte. Sie war schon vorher mit Mannern verreist, aber diesmal war es anders. Diesmal wurde es ihre Hochzeitsreise werden. Frank Jackson war anders als alle Manner, die sie gekannt hatte. Die Kerle, die in die Bar kamen, sie betatschten und ihr in den Hintern kniffen, waren nichts anderes als Tiere. Frank Jackson war anders. Er war ein echter Gentleman. Clara hielt beim Packen inne und dachte uber das Wort nach: gentle man, vorne hmer Mann. Sie hatte es noch nie vorher so gesehen, aber genau das war Frank Jackson. Sie hatte ihn erst viermal in ihrem Leben gesehen, aber sie wu?te, da? sie in ihn verliebt war. Und sie wu?te, da? auch er sich von Anfang an von ihr angezogen gefuhlt hatte, denn er hatte immer an einem der Tische gesessen, fur die sie zustandig gewesen war. Und nach dem zweiten Mal hatte er sie nach Hause gebracht, als die Bar geschlossen hatte.

An mir mu? noch was dran sein, dachte Clara selbstgefallig, wenn ich einen hubschen jungen Burschen wie den kriegen kann. Sie lie? den Koffer fur einen Moment liegen und trat vor den Schrankspiegel, um sich zu begutachten. Vielleicht war sie etwas zu kraftig und ihr Haar einige Schattierungen zu rot, aber etwas Diat wurde das Problem der Extrapfunde losen, und wenn sie sich das nachste Mal die Haare farbte, mu?te sie einfach etwas besser aufpassen. Alles in allem aber konnte sie mit ihrem Aussehen zufrieden sein. Das alte Madchen liegt immer noch ziemlich gut im Rennen, sagte sie sich. Sie wu?te, da? Frank Jackson mit ihr ins Bett gehen wollte, auch wenn er sie nie beruhrt hatte. Er war wirklich etwas Besonderes. Er hatte etwas - Clara runzelte die Stirn, auf der Suche nach dem richtigen Wort -, etwas Geistliches an sich. Clara war als gute Katholikin erzogen worden, und sie wu?te, da? es ein Sakrileg war, so was auch nur zu denken, aber Frank Jackson erinnerte sie ein wenig an Jesus Christus. Sie fragte sich, wie Frank wohl im Bett sein mochte. Nun, wenn er schuchtern war, dann wurde sie ihm den einen oder anderen Trick zeigen. Er hatte davon gesprochen, da? sie heiraten wurden, sobald sie in Kanada waren. Ihr Traum wurde Wirklichkeit. Clara blickte auf ihre Uhr und stellte fest, da? sie sich beeilen mu?te. Sie hatte Frank versproche n, ihn um halb acht an seinem Motel abzuholen.

Sie erblickte die beiden Manner, als sie in ihr Schlafzimmer traten. Sie waren aus dem Nichts gekommen. Ein Riese und ein kleiner Bursche. Clara musterte sie, als die beiden sich ihr naherten.

Der kleine Mann blickte auf den Koffer und fragte: »Wohin gehst du, Clara?«

»Geht dich einen Dreck an. Nehmt, was ihr wollt, und haut ab. Wenn es irgend etwas in diesem Loch gibt, das mehr als zehn Dollar wert ist, verspeise ich es vor euren Augen.«

»Ich hatte da was, das du essen konntest«, sagte der gro?e Mann.

»Am Arsch, Freundchen«, schnappte Clara. »Falls ihr eine kleine Vergewaltigung im Sinn haben solltet, darf ich euch mitteilen, da? ich wegen Tripper in Behandlung bin.« Salvatore Fiore sagte: »Wir tun dir nicht weh, Baby. Wir wollen blo? wissen, wo Frank Jackson ist.« Sie konnten sehen, wie sie sich veranderte. Ihr Korper versteifte sich plotzlich, und ihr Gesicht wurde zur Maske. »Frank Jackson?« Ein Unterton tiefer Verwirrung schwang in ihrer Stimme mit. »Ich kenne keinen Frank Jackson.« Salvatore Fiore holte ein Bleirohr aus der Tasche und ging einen Schritt auf sie zu.

»Sie konnen mir keine Angst einjagen«, sagte Clara, »ich...« Sein Arm scho? wie eine Peitschenzunge uber ihr Gesicht, und inmitten einer Explosio n stechenden Schmerzes konnte sie ihre Zahne im Mund zerbrockeln fuhlen wie kleine Kieselsteine. Sie offnete den Mund, um zu sprechen, und Blut stromte hervor. Der Mann hob das Bleirohr noch einmal. »Nein, bitte nicht!« rief sie erstickt.

Joseph Colella fragte hoflich: »Wo konnen wir also diesen Frank Jackson finden?« »Frank ist - ist...«

Clara stellte sich den su?en, sanften Mann in den Handen dieser beiden Monster vor. Sie wurden ihm weh tun, und instinktiv wu?te sie, da? Frank die Schmerzen nicht ausha lten wurde. Er war zu sensibel. Wenn sie einen Weg fand, ihn zu retten, wurde er ihr fur immer dankbar sein. »Ich wei? nicht.«

Salvatore Fiore scho? vor, und Clara horte ihr Bein zersplittern, einen Sekundenbruchteil, bevor sie den unertraglichen Schmerz spurte. Sie sturzte zu Boden, unfahig zu schreien, wegen des Bluts in ihrem Mund.

Joseph Colella stand uber ihr und sagte freundlich: »Vielleicht verstehst du nicht ganz. Wir werden dich nicht toten. Wir machen dich nur kaputt, Stuck fur Stuck. Wenn wir mit dir fertig sind, wirst du wie der Inhalt eines Mulleimers aussehen, nachdem die Katzen dran waren. Glaubst du mir?« Clara glaubte ihm. Frank Jackson wurde sie nie mehr anschauen wollen. Sie hatte ihn an diese beiden Bastarde verloren. Kein erfullter Traum, keine Heirat. Der kleine Mann mit dem Bleirohr naherte sich schon wieder. »Nicht«, stohnte Clara, »bitte nicht! Frank ist im Brookside Motel an der Prospect Avenue. Er...« Sie verlor das Bewu?tsein.

Joseph Colella ging zum Telefon und wahlte eine Nummer. Michael Moretti meldete sich. »Ja?«

»Brookside Motel an der Prospect Avenue. Sollen wir ihn uns schnappen?«

»Nein. Ich treffe euch da. Achtet darauf, da? er nicht abhaut.«

»Der geht nirgendwo mehr hin.«

Sechs Uhr drei?ig

Der Junge seufzte erneut. Der Mann sah, wie Joshua die Augen offnete. Der Junge blickte auf die Drahte an seinen Handgelenken und Fu?en, dann auf Frank Jackson, und jetzt erinnerte er sich wieder.

Das war der Mann, der ihm diese Tabletten in den Mund geschoben und ihn entfuhrt hatte. Joshua wu?te aus dem Fernsehen alles uber Kidnapping. Die Polizei wurde ihn retten und den Mann ins Gefangnis stecken. Joshua war entschlossen, seine Angst nicht zu zeigen, denn er wollte seiner Mutter erzahlen konnen, wie tapfer er gewesen war. »Meine Mutter wird bald mit dem Geld da sein«, versicherte Joshua dem Mann. »Sie brauchen mir also nicht weh zu tun.«

Frank Jackson lachelte den Jungen an. Es war wirklich ein schones Kind. Er wunschte, er konnte den Jungen an Claras Stelle mit nach Kanada nehmen. Widerstrebend blickte er auf die Uhr. Es war Zeit, anzufangen. Der Junge hielt seine gefesselten Gelenke hoch. Das Blut war getrocknet. »Wurde es Ihnen etwas ausmachen, den Draht abzumachen, bitte?« fragte er hoflich. »Ich laufe auch nicht weg.«

Es gefiel Frank Jackson, da? der Junge »bitte« gesagt hatte. Es war ein Zeichen von gutem Benehmen. Heutzutage hatten die meisten Kinder uberhaupt keine Manieren. Sie liefen auf den Stra?en herum wie wilde Tiere.

Frank Jackson ging ins Badezimmer. Er hatte den Benzinkanister wieder in die Badewanne zuruckgestellt, damit es keine Flecken auf dem Teppich gab. Er war stolz, da? er auf solche Kleinigkeiten achtete. Er trug den Kanister ins Schlafzimmer und setzte ihn ab. Er hob den gefesselten Jungen vom Bett und legte ihn auf den Boden. Dann nahm er den Hammer und zwei gro?e Nagel und kniete neben dem Jungen nieder. Joshua Parker beobachtete ihn mit gro?en Augen. »Was wollen Sie damit tun?«

»Etwas, das dich sehr glucklich machen wird. Hast du jemals von Jesus Christus gehort?« Joshua nickte. »Wei?t du, wie er gestorben ist?«

»Am Kreuz.«

»Das ist sehr gut. Du bist ein kluger Junge. Wir haben leider kein Kreuz hier, deswegen mussen wir uns auf andere Weise behelfen.«

Angst stieg in den Augen des Jungen auf. Frank Jackson sagte: »Du brauchst keine Angst zu haben. Jesus hatte auch keine Angst.«

»Ich will nicht Jesus sein«, flusterte der Junge. »Ich will nach Hause.«

»Ich schicke dich ja nach Hause«, versprach Frank Jackson. »Nach Hause zu Jesus.«

Er zog ein Taschentuch heraus und wollte es Joshua in den Mund schieben. Joshua pre?te die Zahne gegeneinander. »Mach mich nicht wutend.«

Frank Jackson druckte Daumen und Zeigefinger in Joshuas Wangen und zwang seinen Mund auf. Er stopfte ihm das Taschentuch zwischen die Lippen und klebte einen Streifen Leukoplast daruber. Joshua ri? an den Drahten, die seine Handgelenke und Fu?e zusammenhielten, und das Fleisch begann wieder zu bluten. Frank Jackson strich uber die frischen Wunden.

»Das Blut des Heilands«, sagte er sanft. Dann ergriff er eine von Joshuas Handen und hielt sie gegen den Fu?boden. Er nahm einen der Nagel. Mit der linken Hand hielt er ihn gegen den Handteller des Jungen, wahrend er mit der rechten den Hammer hob. Er schlug den Nagel durch Joshuas Hand in den Boden.

Sieben Uhr funfzehn

Michael Morettis schwarze Limousine steckte im Morgenverkehr auf dem Brooklyn-Queens Expressway fest. Ein Gemusetransporter war umgekippt und hatte seine Ladung auf die Stra?e ergossen. Der Verkehr war stehengeblieben. »Fahr auf die andere Stra?enseite und uberhol den Laster«, befahl Michael Moretti Nick Vito. »Da vorne ist ein Polizeiwagen, Mike.«

»Dann lauf vor und sag dem verantwortlichen Beamten, da? ich ihn sprechen mochte.«

»Gut, Bo?.«

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