Jetzt lag er auf ihr, blickte in ihr gerotetes, gluckliches Gesicht und fragte: »Das gefallt dir, nicht, Baby?«
»Ja.«
Es war beschamend - beschamend, wie sehr sie ihn brauchte, seine Leidenschaft brauchte.
Wieder erinnerte sie sich an das erste Mal.
Es war an dem Morgen, als Michael Moretti Joshua sicher heimgebracht hatte. Jennifer wu?te, da? Frank Jackson tot war und da? Michael ihn getotet hatte. Der Mann, der vor ihr stand, hatte ihren Sohn gerettet und fur sie getotet. Eine tiefe, atavistische Erregung hatte sie erfullt. »Wie kann ich Ihnen danken?« hatte sie gefragt. Und Michael Moretti war auf sie zugegangen, hatte sie in die Arme genommen und geku?t. Aus alter Loyalitat zu Adam hatte Jennifer sich vorgemacht, da? es bei dem Ku? bleiben wurde; statt dessen war es ein Anfang geworden. Sie wu?te, wer Michael Moretti war, und doch hatte all das keine Bedeutung angesichts dessen, was er fur sie getan hatte. Sie horte auf zu denken und gab sich ihren Gefuhlen hin. Sie gingen nach oben ins Schlafzimmer, und Jennifer sagte sich, da? sie Michael fur seine Hilfe bezahlte, und dann waren sie im Bett, und es war ein Erlebnis, das all ihre Traume uberstieg.
Adam Warner hatte mit ihr geschlafen, aber Michael Moretti ergriff Besitz von ihr. Er erfullte jeden Teil ihres Korpers mit berauschenden Empfindungen. Es war, als ware jede seiner Beruhrungen eine helle, leuchtende Farbe, und die Farben veranderten sich von einem Moment zum nachsten wie bei einem wunderschonen Kaleidoskop. In der einen Sekunde war er zartlich und empfindsam, in der nachsten brutal, verlangend, und der standige Wechsel trieb Jennifer zur Raserei. Er zog sich aus ihr zuruck, reizte sie, bis sie mehr und mehr wollte, und wenn sie auf dem Hohepunkt der Erregung war, hielt er inne.
Als sie es nicht mehr aushalten konnte, bettelte sie: »Nimm mich, Michael! Bitte, nimm mich!«
Und sein hartes Glied begann wieder in sie zu sto?en, bis sie vor Vergnugen schrie. Sie war langst keine Frau mehr, die eine Schuld zuruckzahlte. Sie war eine Sklavin, Gefuhlen ausgeliefert, die sie nie zuvor gekannt hatte. Michael blieb vier Stunden bei ihr, und als er ging, wu?te Jennifer, da? sich ihr Leben verandert hatte.
Sie lag im Bett und versuchte, daruber nachzudenken, was mit ihr geschehen war, versuchte es zu verstehen. Wie konnte sie Adam lieben und dennoch von Michael Moretti so uberwaltigt sein? Thomas von Aquin hat gesagt, da? man nur Leere vorfand, wenn man ins Herz des Bosen vorstie?. Jennifer fragte sich, ob es mit der Liebe genauso war. Sie war sich bewu?t, da? der Grund fur ihr Verhalten zum Teil in ihrer Einsamkeit zu suchen war. Zu lange hatte sie mit einem Phantom gelebt, einem Mann, den sie weder sehen noch anfassen konnte, und dennoch wu?te sie, da? sie Adam immer lieben wurde. Oder war dieses Gefuhl nur eine Erinnerung an jene Liebe?
Jennifer war nicht sicher, was sie fur Michael empfand. Dankbarkeit, ja. Aber das war nur ein kleiner Teil. Da war mehr. Viel mehr. Sie wu?te, wer Michael Moretti war und was er darstellte. Er hatte fur sie getotet, aber er hatte auch fur andere getotet. Er hatte Menschen fur Geld, fur Macht oder aus Rache umgebracht. Wie konnte sie so fur einen solchen Mann empfinden? Wie konnte sie zulassen, da? er mit ihr schlief und da? sie mit solcher Erregung reagierte? Eine Art Scham erfullte sie, und sie dachte: Was fur ein Mensch bin ich? Sie fand keine Antwort.
In den Abendzeitungen stand ein Bericht uber einen Motelbrand in Queens. In den Ruinen waren die Uberreste eines unidentifizierten Mannes gefunden worden. Man vermutete Brandstiftung.
Als Joshua aufwachte, bereitete Jennifer sein Essen und brachte es ihm ans Bett. Es war eine lacherliche Mahlzeit, die aus all dem wertlosen Zeug bestand, das er liebte: ein Hot Dog, ein Erdnu?buttersandwich, Kartoffelchips und Malzbier. »Du hattest ihn sehen mussen, Mama«, sagte Joshua mit vollem Mund. »Er war verruckt!« Er hielt seine bandagierte Hand hoch. »Glaubst du, da? er mich wirklich fur Jesus Christus gehalten hat?«
Jennifer unterdruckte ein Schaudern. »Ich - ich wei? nicht,
Liebling.« »Warum wollen Menschen andere Menschen umbringen?« »Nun...« Jennifers Gedanken wanderten plotzlich zu Michael Moretti zuruck. Hatte sie das Recht, ihn zu verurteilen? Sie wu?te nicht, welche schrecklichen Krafte sein Leben geformt, ihn zu dem gemacht hatten, was er geworden war. Sie mu?te mehr uber ihn erfahren, um ihn kennenlernen und verstehen zu konnen.
Joshua fragte: »Mu? ich morgen in die Schule?« Jennifer umarmte ihn. »Nein, Liebling. Wir bleiben beide zu Hause und schwanzen die ganze Woche. Wir...« Das Telefon klingelte. Es war Michael. »Wie geht's Joshua?«
»Es geht ihm prachtig, danke.« »Und wie fuhlst du dich?«
Jennifer hatte vor Verwirrung plotzlich einen Frosch im Hals. »Ich - ich fuhle mich gut.«
Er lachte in sich hinein. »Gut. Ich treffe dich morgen zum Mittagessen. Bei Donato in der Mulberry Street. Halb eins.«
»In Ordnung, Michael. Halb eins.« Nach diesen Worten gab es kein Zuruck mehr.
Der Oberkellner bei Donato kannte Michael und hatte ihm den besten Tisch im Restaurant reserviert. Standig kamen Leute vorbei und begru?ten Michael, und wieder war Jennifer erstaunt daruber, wie sie um ihn herumscharwenzelten. Es war seltsam, wie sehr Michael Moretti sie an Adam Warner erinnerte. Jeder hatte auf seine Weise eine Aura von Macht. Jennifer begann Michael nach seiner Vergangenheit zu fragen, weil sie wissen wollte, wie und warum er sich in ein Leben wie das seine verstrickt hatte.
Er unterbrach sie. »Du glaubst, ich bin so, weil meine Familie oder sonst jemand mich dazu gezwungen hat?«
»Nun - ja, Michael. Naturlich.«
Er lachte. »Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um dahin zu gelangen, wo ich bin. Ich bin gerne dort. Ich liebe das Geld. Ich liebe die Macht. Ich bin ein Konig, Baby, und ich genie?e es.«
Jennifer blickte ihn an und versuchte, zu verstehen. »Aber es kann dir doch nicht wirklich Spa? bereiten...«
»Hor zu!« Sein Schweigen hatte sich plotzlich in Worte, Satze und Mitteilungen verwandelt, die aus ihm herausstromten, als hatte er sie jahrelang fur jemand aufgehoben, der sie mit ihm teilen konnte. »Mein Vater war eine Coca-Cola-Flasche.«
»Eine Coca-Cola-Flasche?«
»Richtig. Es gibt Milliarden davon auf der Welt, und man kann eine nicht von der anderen unterscheiden. Er war Schuhmacher. Er arbeitete sich die Finger wund, damit etwas zu essen auf dem Tisch stand. Wir hatten nichts. Armut ist nur in Buchern romantisch. In Wirklichkeit bedeutet sie stinkende Raume mit Ratten oder Kuchenschaben und schlechtes Essen, von dem nie genug da ist. Als ich ein junges Burschchen war, habe ich alles, aber auch alles getan, um einen Dollar zu verdienen. Ich erledigte Botengange fur die gro?en Bonzen, brachte ihnen Kaffee und Zigarren, besorgte ihnen Madchen -alles, nur um zu uberleben. Nun, einmal bin ich nach Mexico City getrampt, im Sommer. Ich hatte kein Geld, nichts. Der Arsch ging mir auf Grundeis. Eines Abends lud mich ein Madchen, das ich getroffen hatte, in ein teures Restaurant zu einer Party ein. Wir sa?en alle beim Essen, und dann wurde der Nachtisch gebracht. Es war ein spezieller mexikanischer Kuchen, in den eine Tonpuppe eingebacken war. Einer der anderen am Tisch erklarte, da? dem Brauch nach derjenige das Essen zu bezahlen hatte, in dessen Stuck sich die Tonpuppe befand. Die Puppe war in meinem Stuck.« Er machte eine Pause. »Ich habe sie heruntergeschluckt.« Jennifer schob ihre Hand uber seine. »Michael, andere Leute sind auch arm gewesen, und...«
»La? mich mit anderen Leuten in Ruhe.« Seine Stimme klang hart und kompromi?los. »Ich bin ich. Ich wei?, wer ich bin. Ich frage mich, ob du wei?t, wer du bist.«
»Ich glaube, schon.«
»Warum bist du mit mir ins Bett gegangen?« Jennifer zogerte. »Nun, ich - ich war dankbar und...« »Blodsinn! Du wolltest mich haben.« »Michael, ich...«
»Ich brauche mir Frauen nic ht zu kaufen. Weder mit Geld noch mit Dankbarkeit.«
Jennifer gestand sich ein, da? er recht hatte. Sie hatte ihn gewollt, genau wie er sie gewollt hatte. Und doch, dachte sie, hat dieser Mann einmal versucht, mich zu vernichten. Wie kann ich das vergessen?
Michael beugte sich vor und ergriff Jennifers Hand, die Innenflache nach oben. Langsam liebkoste er jeden Finger, jede Kuppe, ohne die Augen von ihr zu nehmen. »Versuch nicht, mit mir zu spielen. Niemals, Jennifer.« Sie fuhlte sich hilflos. Was immer im Augenblick zwischen ihnen passierte, es verdrangte die Vergangenheit.
Beim Dessert sagte Michael es dann. »Ach, ubrigens, ich habe einen Fall fur dich.«
Es war, als hatte er ihr eine Ohrfeige verpa?t. Jennifer starrte ihn an. »Was fur einen Fall?«
»Einer me iner Jungen, Vasco Gambutti, ist verhaftet worden, weil er einen Bullen umgelegt hat. Ich