den Fragen ihrer vie len Bekannten zu entgehen. Am Wochenende hatten sie und Joshua ihren Kinotag. Sie sahen sich am Samstagnachmittag einen Film an, gingen in ein Restaurant essen und sahen sich danach einen zweiten Film an. Am Sonntag unternahmen sie Segeltorns oder Fahrradtouren. Jennifer gab ihrem Sohn alle Liebe, derer sie fahig war, aber sie achtete darauf, ihn nicht zu verwohnen. Sie plante seine Erziehung achtsamer, als sie je einen Proze? vorbereitet hatte, entschlossen, nicht in die Fallen zu gehen, die uberall lauerten, wenn nur ein Elternteil zu Hause war. Es war kein Opfer fur sie, so viel Zeit mit Joshua zu verbringen, im Gegenteil. Immer wieder erfreute sie sich an seinem schnellen Auffassungsvermogen. Er war Klassenbester und ein hervorragender Sportler, aber er nahm sich selber nicht zu ernst. Er hatte einen ausgepragten Sinn fur Humor. Wenn es sich mit der Schule vereinbaren lie?, verreiste sie mit Joshua. Im Winter nahm sie sich Zeit, um mit ihm zum Wintersport in die Poconos zu fahren. Im Sommer nahm sie ihn nach London zu einer Geschaftsreise mit, und sie verbrachten zwei Wochen auf dem Land. Joshua war begeistert von England.
»Kann ich hier zur Universitat gehen?« fragte er. Jennifer fuhlte einen Stich. Es wurde nicht mehr lange dauern, dann wurde er sie verlassen, zur Uni gehen, sein Gluck suchen, heiraten und seine eigene Familie grunden. War es nicht genau das, was sie sich fur ihn wunschte? Naturlich. Wenn es soweit war, wurde sie Joshua mit offenen Armen gehen lassen, und doch wu?te sie, wie schwer es ihr fallen wurde. Joshua blickte sie an, wartete auf eine Antwort. »Darf ich, Mama?« fragte er. »Vielleicht nach Oxford?« Jennifer umarmte ihn. »Naturlich. Sie werden dich mit Freuden nehmen.«
An einem Sonntagmorgen, als Mrs. Mackey frei hatte, mu?te Jennifer nach Manhattan, um die Abschrift einer Zeugenaussage abzuholen. Joshua besuchte einige Freunde. Als Jennifer zuruck war, begann sie, fur Joshua und sich Abendessen zu bereiten. Sie offnete den Kuhlschrank - und ware beinahe tot umgefallen. Zwischen zwei Milchflaschen steckte ein Zettel. Auf diese Weise hatte Adam ihr immer kleine Botschaften zukommen lassen. Wie gelahmt starrte Jennifer den Zettel an, unfahig, ihn zu beruhren. Schlie?lich zog sie ihn langsam heraus und faltete ihn auseinander. Uberraschung! stand darauf. Ist es in Ordnung, wenn Alan mit uns zu Abend i?t? Es dauerte eine halbe Stunde, bis sich Jennifers Puls wieder beruhigt hatte.
Hin und wieder fragte Joshua sie nach seinem Vater. »Er ist in Vietnam gefallen, Joshua. Er war ein tapferer Mann.«
»Haben wir nicht irgendwo ein Bild von ihm?«
»Nein, leider nicht, Liebling. Wir - wir waren noch nicht sehr lange verheiratet, als er gestorben ist.« Sie ha?te es, zu lugen, aber sie hatte keine Wahl. Michael Moretti hatte sich nur einmal nach Joshuas Vater erkundigt.
»Es ist mir egal, was war, bevor du mir gehort hast - ich bin nur neugierig.«
Jennifer uberlegte, was fur eine Macht Michael uber Senator Adam Warner haben wurde, wenn er je die Wahrheit erfuhre. »Er ist in Vietnam gefallen. Sein Name ist nicht wichtig.«
40
In Washington, D. C, war ein Untersuchungsausschu? des Senats unter der Fuhrung von Adam Warner ins letzte Stadium einer intensiven Prufung des neuen XK-1-Bombers getreten, fur den die Air Force die Zustimmung des Senats haben wollte. Wochenlang hatten sich Experten auf dem Capitol Hill die Klinke in die Hand gegeben. Die eine Halfte war der Meinung, da? der neue Bomber ein kostspieliger Albatros war, der das Verteidigungsbudget sprengen und das Land ruinieren wurde, wahrend die andere die Uberzeugung vertrat, da? die Verteidigungsbereitschaft des Landes ohne die Zustimmung des Senats zu dem neuen Bomber so geschwacht wurde, da? die Russen die Vereinigten Staaten schon am nachsten Sonntag erobern konnten.
Adam hatte sich bereit erklart, einen Prototyp des neuen Bombers zu testen, und seine Kollegen hatten sein Angebot erfreut angenommen. Adam war einer von ihnen, ein Mitglied ihres Clubs, und er wurde ihnen die Wahrheit sagen. Adam war an einem Sonntagmorgen mit der Stammbesatzung des Bombers in die Luft gestiegen und hatte das Flugzeug einer Reihe von rigorosen Tests unterzogen. Der Flug war ein uneingeschrankter Erfolg geworden, und Adam hatte den Untersuchungsausschu? wissen lassen, da? der neue Bomber ein wichtiger Fortschritt fur die militarische Luftfahrt sei. Er empfahl, den XK 1 sofort in Produktion gehen zu lassen. Der Senat gab seine Zustimmung.
Die Presse spielte die Geschichte begeistert hoch. Sie beschrieb Adam als Mitglied einer neuen Generation von Senatoren, als Gesetzgeber, der selber auszog, um die Fakten zu recherchieren, statt sich auf das Wort von Lobbyisten und anderen Interessengruppen zu verlassen. Sowohl Newsweek als auch Time brachten Titelgeschichten uber Adam, und der Artikel in Newsweek endete mit den Worten: Der Senat hat einen anstandigen und fahigen neuen Wachter gefunden, der ein Auge auf die lebenswichtigen Probleme hat, die dieses Land heimsuchen, und sie mit dem Verstand statt mit Leidenschaft betrachtet. Mehr und mehr wachst unter den Konigmachern das Gefuhl, da? Adam Warner uber die Eigenschaften verfugt, die einen Prasidenten schmucken wurden.
Jennifer verschlang die Artikel uber Adam und war erfullt von Stolz. Und Schmerz. Sie liebte Adam immer noch, sie liebte aber auch Michael Moretti, und sie verstand nicht, wie das moglich war, wie sie sich so verandern konnte. Adam hatte in ihr Leben eine Bresche fur die Einsamkeit geschlagen. Michael hatte sie gefullt.
Der Drogenschmuggel von Mexiko in die Vereinigten Staaten hatte ungeheuer zugenommen, und ganz offensichtlich stand das organisierte Verbrechen dahinter. Adam wurde gebeten, den Vorsitz eines Untersuchungsausschusses zu ubernehmen. Er koordinierte die Bemuhungen eines halben Dutzends von Regierungsstellen, flog nach Mexiko und erreichte die Zusammenarbeit der mexikanischen Behorden. Innerhalb von drei Monaten reduzierte sich der Drogenstrom auf ein Tropfeln.
Im Wohnzimmer des Farmhauses in New Jersey sagte Michael Moretti: »Wir haben ein Problem.« In dem gro?en, komfortablen Raum hielten sich Jennifer, Antonio Granelli und Thomas Colfax auf. Antonio Granelli hatte einen weiteren Schlaganfall erlitten und war um zwanzig Jahre gealtert. Er wirkte geschrumpft, wie die Karikatur eines Mannes. Die rechte Seite seines Gesichts war gelahmt, und wenn er sprach, rann ihm Speichel aus den Mundwinkeln. Er war alt und senil, mehr und mehr verlie? er sich auf Michaels Urteil. Widerstrebend hatte er sogar Jennifer akzeptiert. Nicht so Thomas Colfax. Der Konflikt zwischen ihm und Michael war starker geworden. Colfax wu?te, da? Michael beabsichtigte, ihn durch diese Frau zu ersetzen. Er mu?te zugeben, da? Jennifer Parker eine gerissene Anwaltin war, aber was konnte sie schon uber die Tradition der borgata wissen? Davon, was die Organisation all die Jahre so glatt und effektiv hatte arbeiten lassen? Wie konnte Michael einen vollig Fremden - schlimmer, eine Frau! -einfuhren und ihr Geheimnisse von Leben und Tod anvertrauen? Es war eine unhaltbare Situation. Colfax hatte mit den caporegime und den soldati gesprochen, hatte jedem einzelnen seine Befurchtungen mitgeteilt und versucht, sie auf seine Seite zu bringen, aber sie hatten Angst, sich gegen Michael zu stellen. Wenn er dieser Frau vertraute, dann mu?ten sie ihr genauso trauen. Thomas Colfax beschlo?, weiter auf den richtigen Augenblick zu warten. Aber irgendwie wurde er sie loswerden. Jennifer war sich seiner Antipathien bewu?t. Sie hatte ihn ersetzt, und sein Stolz wurde ihr das nie verzeihen. Seine Loyalitat dem Syndikat gegenuber wurde ihn auf Vordermann halten und sie schutzen, aber wenn sein Ha? jemals starker als seine Loyalitat werden sollte...
Michael wandte sich an Jennifer. »Hast du je von Adam Warner gehort?«
Jennifers Herzschlag stockte. Sie bekam plotzlich keine Luft mehr. Michael beobachtete sie und wartete auf eine Antwort. »Du - du meinst diesen Senator?« brachte sie schlie?lich heraus.
»Ja. Wir werden diesem Hundesohn eine kalte Dusche verpassen mussen.« Jennifer fuhlte, wie sie bla? wurde. »Warum, Michael?«
»Er stort unsere Kreise. Seinetwegen hat die mexikanische Regierung Fabriken geschlossen, die unseren Freunden gehoren. Alles bricht zusammen. Ich will diese Laus aus unserem Pelz haben. Er mu? weg.«
Jennifers Gedanken uberschlugen sich. »Wenn du Senator Warner antastest«, sagte sie und wahlte ihre Worte sorgfaltig, »zerstorst du dich selber.«
»Ich bin nicht bereit, zuzulassen...«
»Hor mir zu, Michael. Beseitige ihn, und sie werden zehn an seine Stelle setzen. Oder hundert. Jede Zeitung im ganzen Land wird hinter dir her sein. Die Untersuchung, die zur Zeit stattfindet, ist ein Ringelreihen gegen das, was passieren wird, wenn Senator Warner etwas zusto?t.« Michael sagte argerlich: »Ich sagte nicht zusto?en, ich sagte weh tun!«