versuchte. Alles, was sie mit ihrem Sohn unternahm -segeln, Theater, Sport im Fernsehen -, hatte sie auch schon mit seinem Vater getan. Jennifer sagte sich, da? sie nur das tat, was Joshua Spa? bereitete, aber sie war nicht sicher, ob sie sich selbst gegenuber vollig aufrichtig war. Sie beobachtete Joshua beim Einholen des Segels, seine Haut gebraunt von Wind und Sonne, ein gluckliches Gluhen auf dem Gesicht, und sie wu?te, da? die Grunde unwichtig waren. Wichtig war allein, da? ihr Sohn mit dem Leben an ihrer Seite zufrieden war. Er war kein Abziehbild seines Vaters. Er war eine eigene Personlichkeit, und Jennifer liebte ihn mehr als alles andere auf der Welt.
42
Antonio Granelli starb, und Michael ubernahm sein Konigreich. Die Beerdigung war so pompos, wie es einem Mann vom Format des Paten anstand. Die Dons und Mitglieder aller Familien des Landes erschienen, um ihrem verblichenen Freund den Tribut zu zollen und den neuen capo ihrer Loyalitat und Unterstutzung zu versichern. Das FBI, im Schlepptau ein halbes Dutzend anderer Behorden, war ebenfalls da und fotografierte.
Rosa war erschuttert, denn sie hatte ihren Vater sehr geliebt, aber die Tatsache, da? ihr Ehemann den Platz ihres Vaters an der Spitze der Familie ubernahm, war ihr Trost und Stolz.
Jennifer wurde fur Michael von Tag zu Tag wertvoller. Wenn es irgendwo ein Problem gab, konsultierte er sie und niemand anderen. Thomas Colfax war nur noch ein lastiges Anhangsel. »Mach dir um ihn keine Sorgen«, sagte Michael zu Jennifer. »Er wird bald in den Ruhestand gehen.«
Das leise Summen des Telefons weckte Jennifer. Sie lag im Bett, lauschte einen Moment, dann setzte sie sich auf und warf einen Blick auf die Digitaluhr auf dem Nachttisch. Es war drei Uhr morgens. Sie hob den Horer ans Ohr. »Hallo.« Es war Michael. »Kannst du dich rasch anziehen?« Jennifer blinzelte und versuchte, sich den Schlaf aus den Augen zu wischen. »Was ist los?«
»Eddie Santini wurde gerade wegen bewaffneten Raububerfalls verhaftet. Es ist bereits das zweite Mal wegen des gleichen Vergehens. Wenn er schuldig gesprochen wird, schmei?en sie die Schlussel weg.«
»Irgendwelche Zeugen?«
»Drei, und alle haben ihn genau gesehen.«
»Wo ist er jetzt?«
»Im 17. Revier.«
»Ich bin auf dem Weg, Michael.«
Jennifer zog sich ein Kleid an, ging hinunter in die Kuche und kochte sich eine Tasse Kaffee. Sie trank den Kaffee im Fruhstuckszimmer, starrte in die Nacht hinaus und dachte nach. Drei Zeugen. Und alle haben ihn genau gesehen.
Sie hob den Horer des Telefons ab und wahlte. Sie verlangte die Stadtverwaltung und dort den Raum, wo die Gerichtsreporter auf Neuigkeiten warteten. Dann sagte sie hastig: »Ich habe eine Information fur euch. Ein Bursche namens Eddie Santini ist gerade wegen bewaffneten Raububerfalls verhaftet worden. Sein Anwalt ist Jennifer Parker. Sie wird versuchen, ihn rauszuholen.«
Sie hangte auf und wiederholte den Anruf bei zwei Zeitungsredaktionen und einem Fernsehsender. Als sie fertig war, blickte sie auf die Uhr und trank in aller Ruhe noch eine zweite Tasse Kaffee. Sie wollte sicher sein, da? die Reporter genug Zeit hatten, um das 17. Revier zu erreichen. Sie ging wieder nach oben und zog sich fertig an. Bevor sie das Haus verlie?, warf sie noch einen Blick in Joshuas Schlafzimmer. Sein Nachtlicht brannte. Er schlief fest, die Bettlaken hatten sich um seinen ruhelosen Korper geschlungen. Jennifer glattete vorsichtig die Laken, ku?te Joshua auf die Stirn und bewegte sich auf Zehenspitzen aus dem Raum. »Wohin gehst du?«
Sie drehte sich um. »Ich gehe zur Arbeit. Schlaf schon weiter.«
»Wie spat ist es?«
»Es ist vier Uhr morgens.«
Joshua kicherte. »Fur eine Dame arbeitest du zu ziemlich seltsamen Zeiten.«
Sie ging zuruck zu ihm ans Bett. »Und fur einen Mann schlafst du zu ziemlich seltsamen Zeiten.«
»Schauen wir uns heute abend das Spiel der Mets an?«
»Darauf kannst du wetten. Und jetzt zuruck ins Reich der Traume.«
»Okay, Mama. Viel Erfolg.« »Danke, Kumpel.«
Einige Minuten spater sa? Jennifer im Wagen und war unterwegs nach Manhattan.
Als Jennifer eintraf, wartete der Fotograf der Daily News als einziger einsam und allein vor dem Revier. Er starrte Jennifer an und sagte: »Es stimmt tatsachlich! Ubernehmen Sie den Fall Santini?«
»Woher wissen Sie das?« fragte Jennifer. »Ein kleines Vogelchen hat's gezwitschert.«
»Sie verschwenden Ihre Zeit. Keine Bilder.« Sie ging hinein und kummerte sich um Eddie Santinis Kaution, wobei sie die Prozedur in die Lange zog, bis sie sicher sein konnte, da? ein Kameramann des Fernsehens sowie ein Reporter und Fotograf der New York Times eingetroffen waren. Auf die Post konnte sie nicht mehr warten. Der Captain vom Dienst sagte: »Da drau?en sind einige Reporter und Fernsehleute, Mi? Parker. Wenn Sie wollen, konnen Sie hinten 'rausgehen.«
»Danke«, sagte Jennifer. »Mit denen werde ich schon fertig.« Sie fuhrte Eddie Santini zum Haupteingang, wo die Fotografen und Reporter warteten. Sie sagte: »Bitte Herrschaften, keine Bilder.« Und trat zur Seite, wahrend das Blitzlichtgewitter losbrach. Ein Reporter fragte: »Was ist an diesem Fall so Besonderes, da? Sie ihn ubernehmen?«
»Das werden Sie morgen herausfinden. In der Zwischenzeit mochte ich Ihnen den guten Rat geben, diese Bilder nicht zu verwenden.«
Einer der Reporter rief: »Aber, aber, Jennifer! Haben Sie noch nie was von Pressefreiheit gehort?«
Gegen Mittag erhielt Jennifer einen Anruf von Michael Moretti. Seine Stimme klang verargert. »Hast du die Zeitungen gesehen?«
»Nein.«
»Eddie Santinis Bild ist auf allen Titelseiten und in den Fernsehnachrichten. Ich habe dir nicht gesagt, da? du diese Sache in einen verdammten Zirkus verwandeln sollst.«
»Ich wei?. Es war meine eigene Idee.«
»Jesus! Weswegen?«
»Wegen der drei Zeugen, Michael.«
»Was ist mit ihnen?«
»Du hast gesagt, sie haben ihn genau gesehen. Nun, wenn ich sie im Zeugenstand habe, werden sie erst mal beweisen mussen, da? sie ihn nicht anhand der Bilder in den Zeitungen und dem Fernsehen identifiziert haben.«
Michael schwieg lange, und dann sagte er bewundernd: »Ich bin vielleicht ein idiotischer Hurensohn!« Jennifer mu?te lachen.
Als sie an diesem Nachmittag in ihr Buro ging, wartete Ken Bailey schon auf Jennifer. Sie merkte sofort an seinem Gesichtsausdruck, da? etwas nicht stimmte. »Warum hast du es mir nicht gesagt?« wollte Ken wissen. »Was nicht gesagt?«
»Das mit dir und Michael Moretti.«
Jennifer unterdruckte die Antwort, die ihr auf den Lippen lag. Nur Das geht dich nichts an zu sagen, ware zu einfach gewesen. Ken war ihr Freund; er sorgte sich um sie. Es ging ihn etwas an. Sie hatte nichts vergessen - das kleine, schabige Buro, das sie geteilt hatten, und wie hilfreich er ihr gewesen war. Ein Freund von mir, ein Rechtsanwalt, bekniet mich die ganze Zeit, damit ich einige Vorladungen fur ihn zustelle, aber ich habe keine Zeit. Er zahlt zwolf Dollar funfzig fur jede Vorladung, plus Kilometergeld. Wurden Sie das fur mich tun? »Ken, la? uns dieses Thema vergessen.« Seine Stimme war voll kalter Wut.
»Warum? Jeder andere spricht daruber. Man sagt, du seist Morettis Freundin.« Sein Gesicht war bla?. »Mein Gott!«
»Mein Privatleben...«
»Er lebt in einer Kloake, und du hast die Kloake in unser Buro gebracht. Du hast uns alle fur Moretti und seine Gangster arbeiten lassen.«
»Hor auf!«